Geschichtsdidaktik digital | Anmerkungen zu #gd_dig

In den vergangenen Tagen hat, ausgelöst durch den neuen twitter-Hashtag #gd_dig, in der Blogosphäre eine Diskusion zur Frage: Was ist „digitale Geschichtsdidaktik“?  begonnen. Hierzu ein paar Anmerkungen.


Das Wort Geschichtsdidaktik in einen Binärcode umzuwandeln ergibt eine Reihe von 144 Einser bzw. Nullen (s.o.). Der Reiz und Nutzen des Digitalen liegt ganz offenbar weniger in der Visualisierung seiner schlichten und ursprünglichsten Funktionsweise, die Welt auf nur zwei Zahlen zu reduzieren.

Gibt es eine digitale Geschichtsdidaktik? Die meisten Geschichtsdidaktiker würden die Frage heute wohl eher verneinen. Das Interesse am Thema ist (noch) nicht sehr groß. Bislang wurden der Einsatz und die Möglichkeiten digitaler Medien im Geschichtsunterricht nur von wenigen Geschichtsdidaktiker_innen,[1] vorrangig aber von Praktikern, also “digital affinen” Geschichtslehrern diskutiert und vorangebracht.[2]

Geschichtsdidaktik digital klingt zunächst ziemlich allerweltmäßig. Schließlich gibt es kaum einen Bereich heutiger Gesellschaften oder Aspekte des Lebens, hinter die man nicht einfach das Wort digital setzen kann und damit unspezifische Erwartungen zum Ausdruck bzw. eben nicht zum Ausdruck bringt. Der Versuch, die Vorstellungen über das Digitale im Umkehrschluss zu konkretisieren, sich also zu fragen, was eine nicht-digitale – eine analoge? – Geschichtsdidaktik sein könnte, hilft auch nicht wirklich weiter.

Diskussionen, wie der digitale Wandel die Geschichtsdidaktik – oder andere Bereiche heutiger Gesellschaften – verändert, wirken jeweils von außen ein. Gerade Wissenschaftlern ist es immer lieber, wenn sie neue Impulse selbst setzen können. Ansonsten gilt:  Soll man denn jeder Mode und jedem Trend hinterherlaufen?

Es wäre hilfreich zu klären, was digital jenseits von Einser und Nullen eigentlich meint. Für Geisteswissenschaften maßgebliche mediale und technische Entwicklungen lassen sich nach Stand der Dinge knapp zusammenfassen, d.s. insbesondere

  • die Möglichkeit, verschiedene Medien zu digitalisieren und zu speichern. Das macht sie fast uneingeschränkt „transportfähig“ und verschiedene Medientypen können integriert und/oder neu zusammengestellt werden;
  • die Strukturen digitaler Vernetzung. Die Verfügbarkeit von Medien und Informationen wird dadurch prinzipiell unbegrenzt, zudem durch digitale Endgeräte örtlich ungebunden;
  • der grundlegende Wandel wissenschaftlicher Arbeitstechniken, unterrichtspraktischer Methoden und Kommunikationspraktiken durch Web2.0 und social media.

Eine Ausschärfung, wie solche Entwicklungen einwirken und was genau digitale Geschichtsdidaktik begrifflich fassen und einordnen kann, sowie eine Anbindung an theoretische Aspekte der Geschichtsdidaktik stehen noch weitgehend aus. Wichtige Auswirkungen und Konsequenzen des digitalen Wandels auf die Geschichtsdidaktik benennt Alexander König in fünf Thesen. König macht dabei deutlich, weshalb die Geschichtsdidaktik um eine Positionierung zur Herausforderung des digitalen Wandels nicht umhin kommt. Ganz wesentlich ist dabei – einschränkend – die in These 3 benannte Funktionalität digitaler Medien. Es gibt keinen „Primat des Digitalen“. Historisches Denken und Lernen folgen weiterhin in erster Linie dem Anspruch Geschichtsbewusstsein auszubilden. Neue Möglichkeiten digitalisierter Medien, Arbeitstechniken und Kommunikationspraktiken sind dafür Mittel zum Zweck. Somit will digitale Geschichtsdidaktik keine Rundumerneuerung der Disziplin markieren, sondern wichtige Ergänzungen anregen.

Dennoch wird in den kommenden Jahren die Frage stärker in den Mittelpunkt rücken, ob und wie der digitale Wandel Denkstrukturen und Lernprozesse und damit auch Grundannahmen der Disziplin substanziell verändert. In These 4 deutet König einen möglichen Wandel hin zu einer stärker subjektorientierten Geschichtsdidaktik an. Andere Aspekte könnten sein: die Veränderung der Aneignung von Wissen angesichts des stetig wachsenden Überangebots im Netz; neue Methoden des Lernens, beispielsweise in kollaborativen Formaten; die Veränderung und der “Verschnitt” von Geschichtskultur durch digitale Medien usw. Auch bezogen auf das Alleinstellungsmerkmal des Faches Geschichte, die Kategorie Zeit, führt der digitale Wandel zu Verschiebungen. Kommunikation und Informationsaustausch finden heute in Echtzeit bis in jeden Winkel der Welt statt, und durch mobile Endgeräte machen sich die Menschen zunehmend abhängig davon, ständig überall live am (vermeintlichen) Weltgeschehen zu partizipieren. Diese neuen Kommunikationspraktiken verändern das Zeitbewusstsein nachhaltig; Langsamkeit, etwa der Briefverkehr im 19. Jahrhundert, als z.B. Auswandererbriefe oft Monate unterwegs waren, wird somit immer mehr zu einem Aspekt des Fremdverstehens. Soweit nur einige Anmerkungen, die noch stärker strukturiert und systematisiert werden müssen.

Historiker sollten bekanntlich mit Prognosen vorsichtig sein. Dennoch ein Hinweis betreffs des o.g. Aspekts, ob das Digitale nur eine Mode oder einen Trend beschreibt: Bereits seit Jahren ist klar, dass technische und mediale Entwicklungen mit großen Schritten unaufhaltsam vorangehen. Viele Gesellschaftsbereiche halten mit dieser Entwicklung Schritt, der Bereich Bildung  und hier besonders die Schulen (weniger die Universitäten) hinken deutlich hinterher. Dabei steht der digitale Wandel eher noch am Anfang und die medialen und technsichen Entwicklungen in zehn oder zwanzig Jahren sind heute noch gar nicht vorstellbar. Insgesamt fällt es somit nicht schwer sich auszumalen, dass Geschichtsdidaktik digital | #gd_dig  in Zukunft eine immer wichtigere Rolle im geschichtsdidaktischen Diskurs spielen wird. Wünschenswert wären eine intensivere Diskussion und Auseinandersetzung unter Einbeziehung sowohl von Akteuren aus der Diskziplin als auch der Praxis des Geschichtsunterrichts bzw. der historisch-politischen Bildungsarbeit. To be continued.

[1] Alavi, Bettina: (Hg.): Historisches Lernen im virtuellen Medium. Heidelberg 2010; Danker, Uwe; Schwabe, Astrid (Hgg.): Historisches Lernen im Internet. Geschichtsdidaktik und neue Medien. Schwalbach/Ts. 2008.

[2] Einen ersten Überblick zu verschiedenen Methoden und Projekten des Lernens mit digitalen Medien  gibt der Blog Medien im Geschichtsunterricht von D.Bernsen.

Bildnachweis: C.Pallaske, CC BY SA 3.0

Quelle: http://historischdenken.hypotheses.org/202

Weiterlesen

aventinus varia Nr. 34 [06.07.2012]: The Penal Laws and the Catholic Clergy

http://www.aventinus-online.de/varia/rechtsgeschichte/art/The_Penal_Laws/html/ ca/662d2c4492f4ef52857938fafe0a1282/?tx_mediadb_pi1%5BmaxItems%5D=10 Following the Williamite War (1689-91), a series of penal laws against the Roman Catholic majority was enacted in Ireland. They were directed both against clergy and laity, and their reverberations could be felt well into the 18th century. However, there is no general historiographic agreement on their range and implementation

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2012/07/3052/

Weiterlesen

Ich, Prezi-dent

  Ich war an einer Tagung und das Einzige, was die Leute von meinem Vortrag in Erinnerung behalten, war die eingesetzte Prezi-Software. An der Abschlusstagung des LOEWE-Schwerpunkts «Kulturtechniken und ihre Medialisierung», die unter dem Titel «Lesen, Schreiben, Erzählen – digital und vernetzt» vom 28. bis 30. Juni 2012 an der Justus-Liebig-Universität Giessen stattfand, habe ich [...]

Quelle: http://weblog.hist.net/archives/6312

Weiterlesen