Tony Horwitz: Looking at the Battle of Gettysburg Through Robert E. Lee’s Eyes. In: Smithsonian magazine. Dec. 2012. URL: http://www.smithsonianmag.com/history-archaeology/Looking-at-the-Battle-of-Gettysburg-Through-Robert-E-Lees-Eyes-180014191.html?c=y&story=fullstory
Kernfrage: Welche Rolle können GIS (=Geographic Information Systems)-Verfahren für die Analyse historischer Fragestellungen spielen?
In der Dezember-Ausgabe des Smithsonian Magazine berichtet Tony Horwitz über die Arbeit von Anne Kelly Knowles. Die Geographin erhielt dieses Jahr den Smithsonian Ingenuity Award im Bereich Historical Scholarship und zwar offensichtlich vor allem deshalb, weil sie eine Vorreiterfunktion im Bereich des Einsatzes Historical Geographic Information Systems (HGIS) übernahm. Dabei benutzt man für die Kartographie entwickelte Technologien buchstäblich zum Mapping historischer Ereignisse bzw. Strukturen. Bekannte Beispielanwendungen finde sich im Great Britain Historical Geographical Information System (GBHGIS) oder auch bei HGIS Germany.
Die Digitalisierung historischer Landkarten und das verortende Auftragen von Bezugspunkten (=georeferencing) ermöglicht es, bestimmte Sachverhalte in gewisser im Raum in ihrem Verlauf abzubilden. Die Abbildung der Entwicklung von Grenzverläufen ist da nur ein sehr nahe liegendes Beispiel. Spannend wird es, wenn diese spatiale Dimension mit möglichst konkreten historischen Fakten in Beziehung gesetzt wird. Und Anne Kelly Knowles wird konkret:
“In this instance, she wants to know what commanders could see of the battlefield on the second day at Gettysburg. A red dot denotes General Lee’s vantage point from the top of the Lutheran Seminary. His field of vision shows as clear ground, with blind spots shaded in deep indigo. Knowles has even factored in the extra inches of sightline afforded by Lee’s boots. “We can’t account for the haze and smoke of battle in GIS, though in theory you could with gaming software,” she says.” (Hervorhebung und Einbettung des Links: BK)
Welche Fragestellung man über die Kombination diverser Parameter tatsächlich sinnvoll bearbeitet, hängt selbstverständlich von dem jeweiligen Forschungsgegenstand und -ansatz ab. Deutlich wird jedoch das Potenzial beispielsweise für eine empirische Gegenprüfung überlieferter Quellen. Die Wissenschaftlerin spricht selbst von einer korrektiven Funktion des Mappings. So ermöglicht der Einsatz derartiger Technologien eine neue Perspektive auf bekannte Themen und in gleicher Weise das Aufwerfen von neuen Fragestellungen sowie, drittens, generell neue Möglichkeiten zur Formulierung von Forschungsfragen.
Das Verfahren selbst ist auch eine Art Kombination. Im Webkontext würde man vielleicht von Mash-Up sprechen. Tatsächlich waren Mapping-Anwendung wie das Crime Mapping des Los Angeles Police Departments bahnbrechend bei der Popularisierung derartiger Verknüpfungen. Dass sich die Kombination von (a) raumstrukturierender Visualisierung (Stadtpläne, Landkarten) mit (b) Ereignisdaten (hier: Straftaten) sowie zu mit diesen assoziierten qualitativen Ergänzungsdaten (hier: demographische Angaben) und schließlich (c) einer Zeitachse anbietet, um bestimmte Entwicklungen, Häufungen, Regularitäten und Anomalien zu visualisieren, dürfte spätestens seit Google Maps weithin anerkannt sein. Eine entsprechende Datenbasis vorausgesetzt, lässt sich eigentlich alles, was Geographie, Entwicklung in der Zeit und eine qualitative Konkretisierung verbindet, GIS-basiert abbilden – von der Wetterkarte und Vegetationszyklen bis hin zum Schlagloch.
GIS war vor allem aus der Regionalplanung und kommerziellen Kontexten bekannt. Anne Kelly Knowles realisierte relativ früh (die von ihr herausgegebene Sonderausgabe von Social Science History mit dem Thema Historical GIS: The Spatial Turn in Social Science History erschien im Jahr 2000), dass man diese Technologie ebenfalls sehr gut in geschichtswissenschaftlichen Zusammenhängen einsetzen kann:
“I knew there was a GIS method, used to site ski runs and real estate views, and wondered what would happen if I applied that to Gettysburg.”
Eine wichtige Nebenwirkung dieser Art von Empirisierung mittels expliziter Kartographierung könnte – nicht ganz unpassend zur Kartographie – das Erkennen von Grenzen sein. Nämlich von solchen der Erkenntnisreichweite scheinbar stabiler Einschätzungen sowie der Wege, auf denen diese entstehen:
“We can learn to become more modest about our judgments, about what we know or think we know and how we judge current circumstances.”
Als weiterer Effekt droht im Gegenzug die von Skeptikern häufig angemahnte Überbetonung der Muster gegenüber den Inhalten. Visualisierungen sind in der Regel visuell eindrucksvoll, bleiben bisweilen aber zur Frage, was man konkret aus ihnen ablesen kann, erstaunlich opak.
Anne Kelly Knowles ist mit diesem Problem offensichtlich gut vertraut, zumal sie derzeit das HGIS-Prinzip in einem Projekt zur Holocaust-Forschung („a profoundly geographical event” – A.K. Knowles) einsetzt. Sie weiß also um die Schwierigkeit, „of using quantitative techniques to study human suffering.” Entsprechend argumentiert sie mit der gebotenen Vorsicht:
Knowles is careful to avoid over-hyping GIS, which she regards as an exploratory methodology. She also recognizes the risk that it can produce “mere eye candy,” providing great visuals without deepening our understanding of the past.
Und sie erkennt noch eine weitere Herausforderung: Die der Übersetzung von Messungen und gemappten Strukturen in eine erklärende und verständliche sprachliche Abbildungsform:
Another problem is the difficulty of translating complex maps and tables into meaningful words and stories.
Informationsvisualisierung hat gegenüber der Beschreibung den klaren Vorteil einer Informationsverdichtung. Informationswissenschaftlich gilt der Grundsatz, dass ein Bild sehr viel Information (mehr jedenfalls als tausend Worte) jedoch eher wenig Wissen (nach einem informationswissenschaftlichen Wissensbegriff) speichern kann. Dieses Prinzip wird freilich bei der Hinzunahme einer zeitlichen Dimensionen relativiert. Dennoch bleibt es jedenfalls derzeit notwendig, parallel zur graphischen Abbildung im Mustern eine schlussfolgernde Ableitung des Dargestellten in Textform vorzunehmen. Die visualisierte Informationsmenge muss demzufolge auf Aussagen heruntergefiltert bzw. ausgedeutet werden.
Was man folglich aus dem Artikel und der dort wiedergegebenen Position Anne Kelly Knowles’ mitnehmen kann, ist, dass das Mapping historischer Entwicklungen und Ereignisse mittels GIS einerseits vor allem dafür geeignet ist, bekannte Fragestellungen neu zu betrachten und entsprechend möglicherweise empirisch zu validieren. Und andererseits, im exploratorischen Sinn, Zusammenhänge neu erkennbar zu machen. Für beide Anwendungsfälle gilt jedoch (wie eigentlich immer):
“The technology is just a tool, and what really matters is how you use it”
Wobei zur gelingenden Anwendung insbesondere die Befähigung zur historisch sensiblen und sinnvollen Schlussfolgerung und Interpretation zählen dürfte.
P.S. Eine Kurzbescheibung ihrer Arbeit gibt Anne Kelly Knowles in diesem kurzen Clip.
Quelle: http://dhd-blog.org/?p=1165


Daniel Craig als James Bond in “Skyfall”.
(Foto: Sony Pictures 2012)
Mit dem Erfolg des jüngsten James-Bond-Film “Skyfall” scheint die “Bonditis” wieder ausgebrochen, die vor 50 Jahren mit dem ersten Bond-Film begann. In den Sixties kämpften auf den Leinwänden auch deutsche Spionagehelden – gegen fiktive Superschurken, aber auch gegen höchst reale Zensoren auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs. Ein unbekanntes Kapitel deutscher Popgeschichte.
Seine Armbanduhr verbirgt ein Tonbandgerät, sein Koffer ein Schlauchboot und er verfügt über ein Mini-Tauchgerät. Seine Pistole trifft immer ihr Ziel, aber seine Gegner erledigt er lieber mit einem betäubenden Handkantenschlag, stets lächelnd und im tadellos sitzenden Anzug. Er raucht ausschließlich Zigarillos der Marke Monte Christo mit goldenem Mundstück. Frauen sind ebenso machtlos gegen seinen Charme wie Superschurken gegen seine Fäuste. Sein Spitzname: Mister Dynamit.
Auf den ersten Blick sieht der Mann mit dem explosiven Faustschlag und der ungewöhnlichen Begabung des Bauchredners einem bekannten britischen Spionagefilm-Helden zum Verwechseln ähnlich. Wären da nicht die Details. Etwa die geheime Dienstnummer: Es ist nicht die 007 sondern die 18. Mister Dynamit ist auch nicht in London verbeamtet sondern in Pullach. Und sein Name ist nicht Bond, sondern Urban. Robert Urban.
Der wichtigste Unterschied ist jedoch, dass James Bond ein Weltstar ist, Robert Urban jedoch weitgehend vergessen. Dabei war er einst nichts weniger als der deutsche 007. Mitte der Sechzigerjahre für eine Groschenromanreihe konzipiert, hätte der deutsche Held eine ähnlich erfolgreiche Karriere machen sollen wie sein ungleich bekannterer Kollege vom britischen Auslandsgeheimdienst MI6.
“Dr. No” (1962)
James Bond feiert dieser Tage sein 50. Leinwandjubiläum. Noch immer ist er ein „Agent des Zeitgeistes“, wie ihn sein Chronist, der bekennende Fan Werner Greve in einer gerade erschienenen analytischen Hommage genannt hat (Werner Greve: James Bond 007. Agent des Zeitgeistes, Vandenhoeck & Ruprecht 2012). Noch immer schreiben lizensierte Nachfolger die Romanabenteuer fort und noch immer entsteht alle paar Jahre ein Kinofilm. Bonds deutsche Kollegen sind unterdessen weitgehend vergessen. Die „Mister Dynamit“-Hefte erscheinen schon seit Jahren nicht mehr und auch andere harte Männer wie „Kommissar X“ oder „Jerry Cotton“ sind in der Krise. Dabei haben deutsche fiktionale Agenten eine mindestens ebenso brisante Geschichte wie ihr weltbekanntes britisches Vorbild. In den sechziger Jahren kämpften sie auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs — ein weitgehend unbekanntes Kapitel deutsch-deutscher Popgeschichte.
Es beginnt in der Zeit des Kalten Krieges, dessen Frontlinie mitten durch das besiegte Deutschland schneidet. Der Kalte Krieg ist eine symbolische Auseinandersetzung, die nicht nur mit dem taktischen Arsenal der Raketen, Panzersperren und dem Marschtritt der Paradestiefel ausgetragen wurde. In weiten Zügen war er ein Konflikt der Kultur, der die Grenzen zwischen „harten“ und „weichen“ Faktoren aufweichte: Als Bedrohung stationierte Raketen waren of nur Theaterkulissen während Filme und Romane als reale Waffen wirken konnten, deren ideologische Botschaften mitten im Feindesland zündeten. Niemand nahm dies so ernst wie die Zensoren.
Die Abenteuer des James Bond waren in der DDR verboten. Im Westen hingegen wurden sie ähnlich populär wie zuvor die aus Großbritannien schwappende Beat-Welle, die so genannte Beatlemania. Die zwischen in den Jahren 1953 bis 1965 erscheinenden Romane des Ex-Spions und Erfolgsschriftstellers Ian Lancaster Fleming verbreiteten sich zunächst in Buchform, dann als täglicher Comicstrip in Zeitungen, schließlich als Filme, die hunderte Millionen Pfund einspielten. Der „Spy Craze“ umfasste bald viel mehr als nur Romane und Kinofilme. Die Modewelle erstreckte sich auf Armbanduhren, Autos, Herrendüfte und Wodkasorten, die in einem bislang einzigartigen product placement mit dem Namen James Bond verbunden waren. Tatsächlich aber war der von Fleming geschaffene Charakter weder der einzige, noch der erste fiktive Spionageheld mit Dienstwaffe und Codenummer.
In Frankreich etwa veröffentlichte seit 1949 der Autor Jean Bruce die Abenteuer des Geheimagenten OSS 117, erst kürzlich parodistisch neuverfilmt mit Jean Dujardin. Sammler zählen mehr als 200 Agentenfilme allein im Verlaufe der Sechzigerjahre. Die meisten von ihnen zeigten starke Ähnlichkeit mit der Fleming’schen Welt. So entkam 1965 Geheimagent 505 der „Todesfalle Beirut“ und auch die Amerikaner zog es in „Geheimauftrag CIA – Istanbul 777“ in die Türkei. Dazu kamen Fernsehserien wie „Get Smart“, „I Spy“, „The Saint“ oder „Amos Burke – Secret Agent“.
Kommisar X – der bundesdeutsche James Bond ist ein Versicherungsagent.
Tom Walker alias Kommissar X kämpft darin gegen geheime Killerorganisationen wie die „Gelben Katzen“, die ihre Opfer mit Karateschlägen töten, doch ist der Titelheld kein Geheimagent, sondern als Versicherungsdetektiv tätig: eine sehr deutsche Variante. Produzent T.M. Werner zufolge unterschieden sich Bond und Walker „beruflich wie ein Sprengmeister von einem Jagdflieger.“ Zuerst noch im Einsatz gegen die weltbedrohende Laserwaffe eines Atomphysikers, zeigt sich Kommissar X auf seinen weiteren Missionen dem Zeitgeist gegenüber äußerst anpassungsfähig und kämpft in den psychedelischen Sixties gegen die Modedroge LSD. Mit der experimentierten nach eigenen Angaben auch seine Schöpfer – was man den Filmen gelegentlich anmerkt.
Einen der aussichtsreichsten Versuche zum internationalisierten Genre aufzuschließen unternimmt eine europäische Co-Produktion, die den Deutschen Horst Buchholz in geheimer Mission nach Istanbul entsendet um dort einen Atom-Physiker aus den Händen einer verbrecherischen Organisation zu befreien. Der ehemalige Halbstarke bewegt sich stilsicher zwischen Spielcasinos, türkischen Bädern und Hafenschlägereien, doch trotz Star-Besetzung mit etablierten deutschen Bösewichten wie Klaus Kinski und Mario Adorf und malerischen Drehorten ist „Estambul 65“ („Unser Mann aus Istanbul“) keine Fortsetzung vergönnt.
“Tpoas” (1969)
Den westdeutschen Beiträgen zum „Spy Craze“ ist mit ihrem Vorbild gemeinsam, dass der Kalte Krieg in der Handlung nur mittelbar eine Rolle spielt. Während Filme von Alfred Hitchcock („The Torn Curtain“, “Topas”) oder John Frankenheimer (“Seven Days in May”) auf den Realismus setzten, der später zum Markenzeichen der spy novels eines John Le Carré werden wird, setzt die popkulturelle Ausgestaltung der „Bonditis“ auf grellbunten Konsum. Mehr noch als Kalte Krieger sind die Geheimagenten, die aus der Popkultur kamen, Snobs und Playboys, die dem Hedonismus weit stärker anhängen als einem platten Antikommunismus.
Für den Ostblock macht sie das umso gefährlicher. Die Angriffe der westlichen Popkultur spürt niemand so deutlich wie die Kulturbehörden der DDR. Die Freie Deutschen Jugend leitet immer wieder Dokumente an die Staatssicherheit weiter, in denen Jugendliche anonym die Vorführung westlicher Agentenfilme fordern. Schließlich entschließt man sich zum cineastischen Gegenschlag. Im Jahr 1963, zwei Jahre nach Bau der Berliner Mauer, kreiert die ostdeutsche Filmproduktion DEFA ein neues Genre: den so genannten Kundschafter-Film. In dem sozialistischen Beitrag zum Spionagegenre tritt der Kundschafter als ideologisch gefestigter Agent des Sozialismus auf. Seine Mission: die Demontage des dekadenten Westens.
DEFA-Presseinformation zu “Eyes Only” (1963)
„For Eyes Only“ wird zum Erfolg. Das Programmheft führte das „außerordentliche Interesse“ bei den Zuschauern auch auf das gewählte Genre zurück: „Der Kundschafterfilm erfreut sich seit jeher besonderer Aufmerksamkeit, vor allem bei einem jugendlichen Publikum.“ Vom westlichen Vorbild man grenzt sich bewusst ab: der Film führe „seinen Helden nicht als einen Supermann vor, wie er bei ähnlichen Filmen aus der bürgerlichen Produktion hinreichend bekannt ist. Die Schwere der Kundschaftertätigkeit wird deutlich, weil er es mit hochqualifizierten Gegnern zu tun hat, die auch über entsprechende technische Möglichkeiten verfügen.
So lösen sich die für ihn auftauchenden Probleme nicht mit einer charmanten Handbewegung, sondern nur durch hohen persönlichen Einsatz, durch entsprechend kluge Reaktionen.“ Dieser Realismus mache ihn zu einem Instrument sozialistischer Erziehung, der „auf hervorragende Weise geeignet ist, an seinem Beispiel über Fragen der patriotischen Erziehung zu sprechen, über die Abwehr imperialistischer Machenschaften gegen die DDR und die sozialistische Staatengemeinschaft“. Die Serie „Das unsichtbare Visier“ beerbt das Genre erfolgreich im DDR-Fernsehen.
Die popkulturellen Waffen des Ostens werden auch im Westen gefürchtet. Eines der dunkelsten Kapitel der Kulturgeschichte des Kalten Krieges ist die Zensur. Nicht nur im Osten, auch im vermeintlich freien Westen werden die fiktionalen Unterhaltungswerke des politischen Gegners unterdrückt. Dafür ist der „Interministeriellen Ausschusses für Ost/West Filmfragen“ zuständig. Die Aufgabe dieser ominösen, im Verborgenen agierenden Kommission war nichts anderes als die Zensur kommunistischer Filme. In dem 1953 auf Initiative des Innenministeriums der Bundesrepublik gegründeten Gremium, das bis 1966 in Kraft war, saßen neben Vertretern der Ministerien auch Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz: Reale Geheimdienstler verhandelten hier die fiktionalen Agenten.
Es ist schwer vorstellbar, dass man die Leinwandabenteuer eines Mister Dynamit, eines Kommissar X oder eines sozialistischen Saubermannes einst so ernst nehmen konnte, dass sich Behörden mit ihrem Verbot befassten. Diese kulturellen Kämpfe aber nur als Nebenschauplätze der politischen Auseinandersetzung zu begreifen, hieße den Kalten Krieg zu verkennen. Ein Konflikt, der auf der Ebene von Symbolen geführt wurde und im Kern ideologisch war, musste Ideen und Kulturprodukte als reale Waffen betrachten. So antiquiert uns heute die Helden aus jenen Jahren vorkommen mögen: Sie haben zeithistorische Bedeutung. Schließlich waren es keine Minikameras, Abhörprotokolle, Überläufer oder Strategieinformationen aus dem Arsenal der geheimen Dienste, die den Kalten Krieg am Ende entschieden. Den realen Sozialismus besiegten vielmehr die hedonistischen Verheißungen des Kapitalismus: Wohlstand, Konsum und grenzenlose Freizügigkeit. Selten dürften diese Verlockungen besser geschüttelt und schöner gerührt worden sein, als in der Popkultur des 20. Jahrhunderts und die hatte mehr Agenten als nur einen James Bond.
Dieser Essay ist eine gekürzte und überarbeitete Version eines Vortrages, den Bodo Mrozek auf der Konferenz „Cold War Culture. The Global Conflict and its Legacies in Germany since 1945“ der School of History des Freiburg Institute for Advanced Studies (FRIAS) und der University of Cambridge am 20. September 2012 hielt. Er wurde gedruckt in der Literaturbeilage der Wochenzeitung Die Zeit (Nr. 45, November 2012, S. 16-17) und erscheint hier erstmals online.