Das 20. Jahrhundert & der Erste Weltkrieg: Andreas Wirsching – Sicherheit durch die europäischen Mächte

Die internationale Konferenz, die gemeinsam vom Institut für Zeitgeschichte und der Max Weber Stiftung vom 14. bis zum 16. November 2013 in München veranstaltet wurde, beschränkte sich nicht auf gewohnte eurozentrische Perspektiven und traditionelle Narrative, etwa vom Zäsurcharakter des Krieges, sondern diskutierte die Auflösung, Neuformierung und Kontinuität von Ordnungen innerhalb und besonders auch außerhalb Europas. Politische, soziokulturelle, ökonomische und rechtliche Ordnungen auf internationaler und nationaler Ebene wurden dabei ebenso thematisiert wie ideologische Ordnungssysteme und neue Wissensordnungen.

Das 20. Jahrhundert & der Erste Weltkrieg: Andreas Wirsching – Sicherheit durch die europäischen Mächte from maxweberstiftung on Vimeo.

Quelle: http://grandeguerre.hypotheses.org/1505

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“Working for the Common Good”: Prisons and the Ottoman War Effort during Worlds War I

During the hight of Ottoman involvement in the Great War (1914-1918), the Comittee of Union and Progress (CUP) led government continued to carry out an agressive penal reform program in an attempt to overhaul the empire’s sprawling and dilapidated network of prisons. Ottoman officials exerted great amounts of time, energy, and resources gathering statistics, conducting investigations, and implementing reforms. In 1916, the Ottoman government even hired a prominent German civilian criminal psychiatrist and prison reformer, Dr. Paul Pollitz, to oversee these efforts. Though these prison reforms predate the onset of WWI, Ottoman prisons were quickly incorporated into the Ottoman “total war” effort in terms of working for the common good (menafi-yi umumi). In other words, prisons served many wartime purposes.

Ottoman Prisons in WWIVortrag zum Themenkomplex Ersten Weltkrieg in englischer Sprache von Prof. Kent F. Schull (Binghamton University).

Eine Veranstaltung in Kooperation mit der türkischen Stiftung Geschichte (Tarif Vakfi).

Wo: Orient-Institut Istanbul

Wann: 17. März 2014, 19 Uhr

 

Quelle: http://grandeguerre.hypotheses.org/1495

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Max meets LISA spezial: Der Erste Weltkrieg. Jenseits von Politik- und Diplomatiegeschichte

Die neueste Ausgabe der Gesprächesreihe ‘Max meets LISA’, die die Gerda Henkel Stiftung und die Max Weber Stiftung gemeinsam durchführen, beschäftigt sich mit dem Thema “Erster Weltkrieg. Jenseits von Politik- und Diplomatiegeschichte”. Isabel V. Hull und Ernst Piper  analysieren hier die große öffentliche Resonanz des Gedenkens an den Ersten Weltkrieg und vergleichen die Erinnerungskulturen in Deutschland und den Vereinigten Staaten. Sie sprechen über den Erfolg aktueller Publikationen und blicken voraus auf die Bücher, die in diesem Jahr noch zu erwarten sind: Welche Themen werden sie in den Blick nehmen? Was muss gesagt werden, was noch nicht gesagt worden ist?

Max meets Lisa spezial: Erster Weltkrieg. Jenseits von Politik- und Diplomatiegeschichte from maxweberstiftung on Vimeo.

Isabel V. Hull ist John Stambaugh Professor of History am Department für Geschichte der Cornell University in Ithaca, USA. Ihre Forschungsinteressen liegen in der deutschen Geschichte seit dem 18. Jahrhundert. Internationales Aufsehen erregte ihr im Jahr 2004 erschienenes Buch „Absolute Destruction: Military Culture and the Practices of War in Imperial Germany“. 2013 wurde Isabell Hull mit dem Internationalen Forschungsförderpreis der Max Weber Stiftung beim Historischen Kolleg ausgezeichnet.

Ernst Piper ist seit 2006 Privatdozent für Neuere Geschichte an der Universität Potsdam. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen u. a. die Kulturgeschichte des Ersten Weltkriegs, die Geschichte des Nationalsozialismus und die Vergangenheitspolitik und Erinnerungskultur nach 1945. In seiner 2013 vorgelegten Monographie „Nacht über Europa“ schildert er den Ersten Weltkrieg aus kulturhistorischer Perspektive. Ernst Piper lebt als Literaturagent in Berlin.

Quelle: http://grandeguerre.hypotheses.org/1486

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Ausstellung: Geschichte und Politik zwischen 1914 und 1989 in DDR-Comics

In der DDR kannte sie jeder: die Comiczeitschriften ATZE und MOSAIK. Mit monatlichen Auflagen in Millionenhöhe gehörten sie zum Alltag von Generationen. Von 1955 bis 1975 zogen die MOSAIK-Helden der Digedags, später dann die Abrafaxe in jahrmarktsbudenbunten Abenteuern durch die Zeitalter und Kontinente. Dabei folgten ihre Schöpfer nicht nur der eigenen künstlerischen Fantasie, sondern waren einem erstaunlich bildungsbürgerlichen Anspruch verpflichtet. Das von 1955 bis 1991 erschienene Magazin ATZE hingenen wurde von Comics mit politischem Hintergrund dominiert.

aus: Atze 6/1988

Die Ausstellung im Kunstverein Tiergarten Berlin zeigt, wie Geschichte und gesellschaftliche Entwicklung in einem für kommunistische Diktaturen ungewöhnlichem Medium interpretiert wurden. Erstmals überhaupt wurde das Prinzip der angestrebten kompletten „Durchherrschung“ aller Lebensbereiche am Beispiel der kulturellen Sphäre diskutiert: Text und Bild der Comics hatten mit der Darstellung geschichtlicher oder zeithistorischer Ereignisse in allen anderen DDR-Medien übereinzustimmen. Entsprechend entfaltet sich anhand von Bildern, Objekten und Fotografien vor dem Besucher die Ikonografie des Sozialismus.

aus: ATZE 7/1977, S. 5

In der Ausstellung werden Motive aus den Comics neben die medialen Vorlagen der Grafiker gestellt. Im Fall von ATZE adaptierte man z.B. sowjetische Filme oder DEFA-Produktionen mit politischen Inhalten wie der Oktoberrevolution, führenden Politikern wie Ernst Thälmann oder historischen Ereignissen wie dem Mauerbau. Lebensgroße Figuren wie z.B. von DDR-Präsident Wilhelm Pieck machen die Orientierung an Heiligendarstellungen und religiöser Ikonografie deutlich.

Das „MOSAIK-Kollektiv“ orientierte sich dagegen vorwiegend an populärwissenschaftlichen Werken und Bildbänden beispielsweise zur Erdgeschichte, Geographie, Technik- und Industrieentwicklung. 1959/60 erleben die Digedags Abenteuer auf dem erdähnlichen Planeten Neos. Dort ist die schöne neue Zukunftswelt nach der Vollendung von Walter Ulbrichts ehrgeizigem Wirtschaftsprogramm bereits Wirklichkeit geworden.

aus: ATZE 12/1975, S. 5

Großformatige Comicpanels stehen in der Ausstellung in Korrespondenz zu Modellen ihrer prägnantesten Motive: Dazu gehören das erste und einzige in der DDR entwickelte Düsenpassagierflugzeug oder das ehrgeizige Projekt einer Einschienenbahn, das am Beispiel eines PIKO-Spielzeugmodells vorgestellt wird. Auch die doppelseitige Comic-Zukunftsphantasie des Flughafens Berlin-Schönefeld vom Februar 1960 wird manchen Besucher von heute nachdenklich stimmen.

Nach offizieller Kritik an zuviel Klamauk wandte sich MOSAIK der Technikgeschichte zu, wobei insbesondere die akribische Transformation historischer Bildvorlagen aus Geschichte und Kunst, z.B. nach Georgius Agricola oder William Hogarth, in ein zeitgenössisches Bildvokabular besticht. Auf vielfältige Weise öffnet die Ausstellung ein Panorama von historischen, kunstgeschichtlichen und wissenschaftlichen Referenzen und verdeutlicht, wie zentral auch die zunächst sich an junge Menschen richtenden Publikationen der DDR-Comics ATZE und MOSAIK im Kontext politischer Programmatik und Propaganda zu begreifen sind.

Die Ausstellung entstand in Kooperation mit dem Kunstmuseum Dieselkraftwerk Cottbus und der Galerie der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig und wurde kuratiert von Dr. Thomas Kramer (Berlin). Sie wurde ermöglicht aus Mitteln der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.

Eröffnung:
Galerie Nord, Turmstraße 75, 10551 Berlin am 28. Februar um 19 Uhr.

Es sprechen:
Dr. Ralf F. Hartmann, Kunstverein Tiergarten
Dr. Matthias Rößler, Präsident des Sächsischen Landtags
Rainer Eppelmann, Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur
Dr. Thomas Kramer, Kurator

Ausstellung: 29.2. – 29.3.2014, Di – Sa, 13-19 Uhr

Quelle: http://pophistory.hypotheses.org/1175

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Summer School: Researching the First World War in a Digital Environment

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Unter dem Titel “Researching the First World War in a Digital Environment” findet vom 21. – 25. Juli 2014 in Berlin eine von CENDARI organisierte Summer School statt.

Gegenstand ist die transnationale und komparative Forschung rund um den Ersten Weltkrieg mithilfe Virtueller Forschungsumgebungen. Das Angebot enthält Seminare sowohl von führenden HistorikerInnen als auch von profilierten Forschenden im Bereich der Digital Humanities. Vorgestellt werden außerdem neue Tools und Verfahren forschungsorientierter Informationswissenschaft; darüber hinaus haben Teilnehmende die Möglichkeit, eigene Arbeiten zu präsentieren.

Schwerpunkte u.a.:

  • Framing transnational and comparative research in the era of the First World War
  • Digital history at the First World War centenary: crowdsourcing, public history
  • Reconnecting dispersed collections
  • Curating my research data I: choices and challenges
  • Hands-on sessions: Building archival research guides

Interessierte können sich hier anmelden.

Unter http://www.cendari.eu/summer-school-2014/erhalten Sie weitere Informationen zur Summer School sowie zu Reisestipendien.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=3075

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Neu erschienen: Francia (Bd. 40 / 2013) – Heather Jones, Arndt Weinrich: The Pre-1914 Period: Imagined Wars, Future Wars

?????????????????????????????? Die aktuelle Francia (Bd. 40 / 2013) enthält ein von Heather Jones und Arndt Weinrich herausgegebenes Themenheft „The Pre-1914 Period: Imagined Wars, Future Wars”. Es handelt sich um ausgewählte Beiträge der vom Deutschen Historischen Institut Paris und dem Centre de Recherche de l’Historial de la Grande Guerre organisierten internationalen Tagung “Future wars, imagined wars: towards a cultural history of the pre-1914 period”, die am 9. und 10. November 2011 in Paris und Péronne stattgefunden hat.

Aus der Einleitung:

“A golden age; a lost generation; a belle époque: our idea of the pre-1914 era has long been dominated by such clichés, enduring testimony to the way that the outbreak of the First World War shattered the sense of continuity with the past for contemporaries, proving such a cataclysmic historical caesura that it rendered all that came before it halcyon and nostalgic.

The stereotypical interpretations of the pre-war era have deep roots: it was the initial shock of war in 1914 itself, when countless bourgeois and aristocratic summer holidays were dramatically interrupted by the unprecedented carnage of August and September 1914, that created these first stereotypes about the pre-war period, stereotypes that have gone on to influence historians ever since. The Western European image of the pre-war world, as orderly, peaceful and prosperous, fitted with theological schemas of a lost Eden before the fall of man, matching easily the widespread sense after 1914 that the war had brought a loss of innocence and catastrophic fall from grace for Western civilisation – which through the conflict had revealed its primitive inner barbarism. That last pre-war summer of 1914 became a metonym for the emotional bereavement that followed; by lamenting its passing, the war generation could articulate the grief and shock the conflict caused. Emphasising the pre-war era as a golden age became a means of highlighting and accentuating the war’s horrors by way of descriptive juxtaposition.

Yet this narrative was always an unstable one: this idea of the pre-war period as idyll coexisted with the search for long-term causes of the war within it, as historians, politicians, journalists and diplomats set out in their writings hypotheses that firmly located the origins of the war in the decade that preceded it, in the disruption of the European balance of power, the weakening of the concert of Europe, the arms and naval races and the rise of German militarism1. This was a debate that would rage well into the interwar years, as people sought in the pre-war period great causes that would match the scale of the great catastrophe that had unfolded in 1914. The idea that the catastrophe might not have major causes was too difficult to accept; by finding explanations for the war contemporaries gave it meaning and, crucially, allowed for the attribution of responsibility for its outbreak. The war thus became part of a coherent historical narrative, the consequence of a series of pre-war »causes«, which made it easier to come to terms with than just random disaster. In sum, people needed to believe they could understand what had caused the 1914–1918 conflagration and thus ensure that such causal developments never recurred and led to war again; situating those origins in the distant past rendered them safe and containable on the basis that causes that could be identified could be dealt with or treated; all of this was a deeply comforting notion in the interwar years2. This establishment of a cause-and-effect narrative around the pre-war period, which turned the years from 1890 to 1914 into a canon of diplomatic and structural crises, each a signpost on the road to war, rendered the war’s outbeak more comprehensible [...] “

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Das Inhaltsverzeichnis des Bandes finden Sie hier.

 

  1. Ernest R. May, Samuel R. Williamson Jr., An Identity of Opinion: Historians and July 1914, in: Journal of Modern History 79/2 (2007), p. 335–387.
  2. See, for example, the account by Vera Brittain, Testament of Youth. An Autobiographical Study of the Years 1900-1925, London 1978, p. 86-93.

Quelle: http://grandeguerre.hypotheses.org/1471

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Vom “Zeitalter der Extreme” zum “Jahrhundert der Chancen”

Ekkehard Klausa beim Montagsradio

Der englische Historiker Eric Hobsbawm (1917-2012) hat in den 1990er Jahren zwei Formeln geprägt, um das zerrissene 20. Jahrhundert zu beschreiben: “das Zeitalter der Extreme” und “das kurze 20. Jahrhundert”. Was genau wird mit diesen Formeln beschrieben? Ist die Rede vom “Zeitalter der Extreme” – 20 Jahre nach der Veröffentlichung von Hobsbawms “The Age of Extremes” – überholt? Mit welchen Begriffen lässt sich das 20. Jahrhundert alternativ fassen?

Mit diesen Fragen beginnt und endet das erste MONTAGSRADIO des “Supergedenkjahres” 2014, das auf der 7. Geschichtsmesse in Suhl aufgezeichnet wurde. Im Gespräch mit dem Juristen, Soziologen und Journalisten Dr. Ekkehard Klausa diskutieren Miriam Menzel und Patrick Stegemann darüber hinaus die Bedeutung des 20. Jahrhunderts für nationale und europäische Gründungsmythen und wagen eine Prognose für das 21. Jahrhundert als “Jahrhundert der Chancen”.

Ekkehard Klausa ist u.a. an der Gedenkstätte Deutscher Widerstand und der Freien Universität Berlin tätig. In der Reihe “MONTAGSRADIO – Vor Ort in Suhl”, gefördert von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, werden im Februar und März 2014 drei weitere Gespräche zu diesen Themen veröffentlicht:

Mit der Medienwissenschaftlerin Dr. Anja Hawlitschek und der BStU-Mitarbeiterin Franziska Scheffler sprechen wir über die Digitalisierung der historisch-politischen Bildung in Form von Geocaching, Serious Games, E-Learning-Umgebungen und Co.

Mit dem Regisseur und Schauspieler Stefan Weinert sprechen wir über seinen mittlerweile preisgekrönten Dokumentarfilm “Die Familie”.

Mit Dr. Thomas Schleper, Leiter des Projektverbunds “1914 – Mitten in Europa”, diskutieren wir über neue Zugänge zur “Urkatastrophe” des 20. Jahrhunderts, die Vielfalt der europäischen Erinnerung an den Ersten Weltkrieg und Möglichkeiten der Synthese.

 

Für einen schnellen Überblick: die Timeline zum Gespräch mit Ekkehard Klausa

00:25 Zum Begriff „Zeitalter der Extreme“

03:10 Die europäische Dimension des „Zeitalters der Extreme“

05:12 Die Verrohung des Geistes am Beginn des „Zeitalters der Extreme“

08:45 Ist das „Zeitalter der Extreme“ vorbei?

12:50 Erinnerung an das “Zeitalter der Extreme”: Mahnung und geistige Integration

15:45 Nationale Gründungsmythen und europäische Erinnerungskultur

18:15 1989/90 & 2004: Happy End des “Zeitalters der Extreme”?

22:00 Alternativen zur Formel “Zeitalter der Extreme”

24:36 Prognose: Das 21. Jahrhundert als “Jahrhundert der Chancen”

26:30 Die “Gedenkstätte Deutscher Widerstand” im Supergedenkjahr 2014

28:30 Der MONTAGSRADIO-Fragebogen

 

Foto: Ekkehard Klausa zu Gast im MONTAGSRADIO (Kooperative Berlin)

Quelle: http://www.montagsradio.de/2014/02/14/vom-zeitalter-der-extreme-zum-jahrhundert-der-chancen/

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Europeana: Digitalisierte Erinnerungen an den Ersten Weltkrieg

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Das Projekt “Europeana 1914-1918″, welches sich zur Aufgabe macht, Materialien rund um den Ersten Weltkrieg zu sammeln und sie in einem digitalen Archiv öffentlich zugänglich zu machen, hat sein Angebot erweitert. Ab sofort kann man auf der Website des Projektes Materialien aus Bibliotheken, privaten Sammlungen und Filmarchiven erkunden.

Das Projekt geht auf eine Initiative der Universität Oxford von 2008 zurück, die darum bat, Erinnerungsstücke von Privatpersonen vom Ersten Weltkrieg wie Briefe, Postkarten oder Fotos digitalisieren zu dürfen. Mittlerweile enthält das Archiv ca. 26 Millionen Dokumente.

Wer etwas zu dem Archiv beitragen möchte, der kann seine Erinnerungsstücke auf der Website hochladen oder an den regelmäßig stattfindenden Aktionstagen mitbringen und digitalisieren lassen. Einer dieser Aktionstage findet heute in der Staatsbibliothek zu Berlin im Rahmen der Konferenz “Unlocking Sources” statt.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=2967

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Historische Pflichterfüllung – Ein Interview mit Gerd Krumeich

Gerd Krumeich war bis zu seiner Emeritierung 2010 Lehrstuhlinhaber für Neuere Geschichte an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen die Mentalitätsgeschichte des Ersten Weltkriegs, die Geschichte Frankreichs sowie die Militärgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. Im November 2013 wird er die Reihe der Thyssen-Vorlesungen des Orient-Instituts Istanbul und der Sabanci Universität in Istanbul mit einem Vortrag zum Ersten Weltkrieg eröffnen.

Gerd Krumeich

Gerd Krumeich

Zurzeit werden zahllose Ausstellungen, Konferenzen, Vorträge zum 100-jährigen Jubiläum des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs geplant. Stehen Sie vor einem Marathon an Auftritten, Vorträgen, Interviews?
Ja, ich stehe absolut im Jubiläums-Stress für das Jahr 2014. Aber, so befremdlich es klingt, diese Vorbereitungen spielen sich weniger in Deutschland ab als im Ausland. Ich bin sehr stark in Frankreich tätig und arbeite dort in verschiedenen Verbünden mit anderen Forschern zusammen, vor allem mit dem Centre Komde recherche de l‘Historial de la Grande Guerre in Péronne (Somme). Und mir fällt auf, dass der Erste Weltkrieg für die Deutschen zwar ein großes Kulturereignis ist, aber eigentlich nirgends und von niemandem als ein wichtiger Bestandteil der eigenen Nationalgeschichte oder gar der eigenen Identität empfunden wird. Das macht den ganz riesigen Unterschied aus zu Frankreich, zu Belgien, zu England, zu den USA, zu Australien, zu Kanada. Wir sind zwar durchaus sehr bemüht, auch in Deutschland etwas zu veranstalten, aber das Herz ist nicht dabei – dieser Krieg ist fast so weit weg wie die napoleonische Zeit.

Wird das Jubiläum in Deutschland eher als eine Art Pflichterfüllung betrieben?
„Historische Pflichterfüllung“ ist sehr treffend gesagt – ein Ereignis, das aber nicht unseres ist. Wir beschäftigen uns nicht mit diesem Ereignis, um über die eigene Vergangenheit und heutige Verfasstheit nachzudenken. Der Erste Weltkrieg soll bei uns möglichst als ein universelles, transnationales Ereignis erscheinen, möglichst weit entfernt, an der Ostfront und in Australien. Keine Spur mehr von der Aufregung, die beispielsweise in den siebziger Jahren die „Fischer-Kontroverse“ über die deutsche Verantwortung für den Kriegsausbruch 1914 verursachte. Es ist ja auch ein Forschungsfortschritt, dass wir uns heute um die Ostfront und um Asien kümmern. Aber wegen der Entwicklung bin ich etwas perplex, zumal ich bei Franzosen, Engländern, Belgiern und anderen fast täglich mitbekomme, wie sehr die Wahrnehmung dort differiert, der Krieg nämlich wirklich als Teil der Nationalgeschichte, als Teil der eigenen Identität verstanden wird.

Wie hat Ihre Auseinandersetzung mit dem Ersten Weltkrieg begonnen?
Meine Doktorarbeit befasste sich mit der Rüstungspolitik vor dem Ersten Weltkrieg. Damit habe ich von vornherein schärfer als andere Weltkriegshistoriker die Vorgeschichte des Ersten Weltkriegs im Blick gehabt. Die überwiegende Geschichtsschreibung des Krieges beginnt irgendwo im Juli 1914 – so absurd das klingt. Als Historiker komme ich eher aus der Vorkriegszeit und interessiere mich stärker als andere für den Verlauf wie dem Weg von der Agadir-Krise 1911 bis zur Rüstungspsychose von 1913/14.

Seit kurzem sind Sie Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat für die Konferenz „Not All Quiet on the Ottoman Fronts“, die das Orient- Institut (OI) Istanbul im April 2014 ausrichtet. Was ist Ihre Erwartung an die Tagung?
Als eine der wichtigsten Parteien im Ersten Weltkrieg ist die Türkei für mich ein sehr willkommenes Neuland. Ich bin nicht nur von meiner ganzen Ausbildung sondern auch von meiner Arbeit in den letzten Jahrzehnten her sehr stark in der Geschichte der Westfront verankert. Natürlich habe ich immer auch die Ostfront und die Dritte Welt mit im Blick gehabt, aber nicht in der Forschung und nicht vom Hauptinteresse her. Von daher eröffnen sich hier für mich neue Perspektiven. Ich sehe mich nicht als jemanden, der profunde etwas über die Türkei im Ersten Weltkrieg beitragen kann, aber doch als jemanden, der neugierig auf die Erkenntnisse der türkischen Kollegen ist. Mir ist besonders wichtig, wie und auf welche Weise überhaupt im Laufe der Zeit aus sehr verschiedenartigen militärischen Konflikten ein Weltkrieg geworden ist. Das waren ja zum Teil vollständig verschiedene Kriege, die zur großen Katastrophe ineinander geführt wurden. Die Osmanen kämpften auf der einen Seite mit den Deutschen zusammen und hatten auf der anderen Seite eine ganz eigene Front gegen die Araber, die wiederum von den Engländern unterstützt wurden. Sich mit dieser Genese auseinanderzusetzen, die verschiedenen Prozesse auseinanderzudividieren, darum geht es mir.

Sehen Sie Auswirkungen der deutsch-osmanischen Allianz im Ersten Weltkrieg auf die heutige Beziehung zwischen beiden Ländern?
Für mich als Historiker steht die Armenier-Frage im Vordergrund. Da dürfte es immer wieder neue Probleme geben. Die offizielle Position Deutschlands zu den Gräueltaten an den Armeniern ist klar. Ebenso wie die Frankreichs, wo ihre Leugnung zu Strafandrohungen führt, und die anderer westeuropäischer Länder auch. Wenn ich es recht sehe, bewegt sich in der Türkei noch relativ wenig in Richtung einer unvoreingenommen Erforschung dieser Geschehen. Das dürfte das größte Sachproblem sein, eine vernünftige Diskussion zwischen Historikern und Mandatsträgern herzustellen bezüglich des türkischen – und des deutschen – Anteils an den Verbrechen gegen die Armenier.

Unmittelbare Auswirkung des Ersten Weltkriegs war der Zusammenbruch von vier Kaiserreichen, die in der Folgezeit sehr unterschiedliche Entwicklungen erlebten.
Auf den ersten Blick völlig unterschiedliche Entwicklungen, ja! Aber dann hat sich durch den Totalitarismus eine ganz ähnliche Entwicklung in weiten Teilen dieser zerstörten Welt vollzogen – trotz aller Unterschiede zwischen dem Nationalsozialismus in Deutschland und dem Kommunismus in Sowjetrussland. Nur in der Türkei läuft das insgesamt anders, soweit ich das beurteilen kann. Aber in den beiden großen Empire aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, die den Krieg verloren haben und zerrissen worden sind, tobten auf der einen Seite diese irrsinnigen, blutigen nationalen und ethnischen Kämpfe und herrschten auf der anderen Seite die orgiastischen Vernichtungsphantasien und Vernichtungsrealitäten. Man muss selbstverständlich unterscheiden zwischen den Hungerkatastrophen in Sowjetrussland und der Judenverfolgung in Deutschland. Aber was identisch bleibt für die beiden großen Nationen, ist die Gleichgültigkeit gegenüber dem massenhaften Leid und die Planbarkeit von millionenfachem Tod. Und das ist für mich das zentrale Vermächtnis des Ersten Weltkriegs.

Kein Krieg, weder im letzten Jahrhundert noch vorher, wurde – zu Beginn jedenfalls – von einer solchen Begeisterung getragen.
Das ist nicht wahr! Im 1870er Krieg zwischen Deutschland und Frankreich bestand am Anfang eine mindestens ebenso große Begeisterung. Wir sind den Dimensionen der Kriegsbegeisterung von 1914 inzwischen auf die Spur gekommen. Die Forschung hat aufgedeckt, dass von den alten Erzählungen, von dem „Hurra, Hurra, Hurra!“ und „Alles freut sich auf den Krieg!“ nicht viel übrig geblieben ist. Aufs Ganze gesehen, wenn man das Deutsche Reich, Frankreich und andere Länder wie Österreich-Ungarn betrachtet, ist dieser von Propagandafotos verbreitete Kriegsenthusiasmus ein sehr kurzes Aufflammen vor allem unter den großstädtischen Massen. Das hat wenig mit dem zu tun, wie der Kriegsbeginn auf dem platten Land erlebt wurde, in den kleinen Städten und Dörfern, die immerhin neunzig Prozent der Bevölkerung ausmachten.

Es fällt ja heutzutage, gerade in Europa, schwer, sich einen Begriff von „Kriegsbegeisterung“ zu machen. Wie kann man sich die Begeisterung damals vorstellen?
In den 1980er Jahren ist Wolf-Rüdiger Osburg in Altersheime gegangen und hat Kriegsteilnehmer gefragt: „Wart Ihr begeistert?“ „Ja, natürlich waren wir begeistert. Das war eine Stimmung! Das war eine Stimmung wie in der Kirche.“ Und da bin ich hellhörig geworden: Eine Stimmung wie in der Kirche! „Sursum corda. – Erhebet die Herzen.“ Begeisterung hatte damals diesen Sinn: Geistigkeit. Damit kommen wir der allgemeinen Stimmung im August 1914 sehr viel näher, als wenn wir das einfach als oberflächliches Hurra-Geschrei ansehen.

War der Absturz von der Begeisterung in die Depression oder Desorientierung infolge der Grabenkriege bei Verdun und anderen Orten an der deutsch-französischen Front dann umso tiefer?
Die Kriegserfahrungen haben die Begeisterung zerstört. Übrig geblieben ist ein Bewusstsein, das Vaterland zu verteidigen, den „Wall aus Eisen und Feuer“ an der Somme zu legen. Heute ist klar nachweisbar, wie sich der Kriegsenthusiasmus im Lauf der Zeit abnutzte, in dem Maße, wie der Krieg zum Material- und Vernichtungskrieg würde. Die Leute haben nicht gewusst, wie viele Millionen Tote die großen Schlachten wirklich gekostet haben. Ich glaube nicht, dass sie dann im Krieg geblieben wären. Als Soldat oder auch als General sieht man immer nur den engeren Frontabschnitt. Es ist völlig ungeklärt, inwieweit auch den führenden Generälen während und nach den Schlachten überhaupt bewusst war, wie viel Tote diese gekostet haben. Ganz Europa war entsetzt, als 1919 vom Reichsarchiv und den französischen Militärarchiven die ersten offiziellen Berichte über die tatsächlichen Toten- und Verletztenzahlen kamen. 11 Millionen Gefallene? Das hatte man vorher nirgendwo auch nur geahnt, kein Mensch hatte während des Weltkrieges die Zahlen addiert.

Sie betreuen in Düsseldorf die Arbeitsstelle für die Herausgabe der Max-Weber-Gesamtausgabe. Gibt es eine Beziehung zu Ihren Forschungen über den Ersten Weltkrieg?
Ich habe ja jetzt die gesamten Kriegsbriefe Webers herausgegeben, zusammen mit M. Rainer Lepsius. Das sind mehr als 2.000 Seiten auf denen man erkennt, wie stark Weber im Krieg politisch engagiert war. Einerseits war er ziemlich nationalistisch eingestellt, jubelte über jede gewonnene Schlacht, glaubte viel zu viel von der Propaganda. Auf der anderen Seite war und blieb er der unbestechliche Intellektuelle und Kritiker, der sich auflehnte gegen die exorbitanten Annexionspläne und der auch stark kritisierte, wie sehr die Militärs in Deutschland während des Krieges die Macht übernommen hatten. Besonders spannend sind Webers Briefe in der Zeit der Beratungen des Versailler Vertrages. Schließlich war er ja als Sachverständiger für die deutsche Delegation in Versailles tätig.

Das Interview führte Thomas Schmitt (freier Journalist, Berlin).

Quelle: http://grandeguerre.hypotheses.org/1433

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Die langen Schatten des „kurzen 20. Jahrhunderts“: Japan und der Erste Weltkrieg in Ostasien

Von Torsten Weber

Der Erste Weltkrieg spielt in der Geschichtsschreibung und im öffentlichen Diskurs Japans traditionell nur eine sehr untergeordnete Rolle. Dies liegt zum einen an anderen historiographischen Traditionen, denen zufolge der Weltkrieg in die kurze und meist weniger beachtete Regierungszeit des Taisho-Kaisers (1912–1926) fällt.

Plan des Kriegsgefangenenlagers Bando, Japan

Plan des Kriegsgefangenenlagers Bando, Japan.

Weit größere Beachtung finden dagegen die längeren und ereignisreicheren Meiji- (1868–1912) und Showa-Zeiten (1926–1989). Mit der Meiji-Zeit begann nicht nur die rapide „Modernisierung“ des Landes nach westlichen Vorbildern, sondern es fallen damit auch die militärischen Erfolge gegen das chinesische Qing-Reich (1894–1895) und das Russische Reich (1904–1905), die Japans regionale Vormachtstellung begründeten,zusammen. In Kombination mit der Showa-Periode, in die nicht nur der Zweite Weltkrieg fällt, sondern auch der Aufstieg Nachkriegsjapans zur wirtschaftlichen Weltmacht, wirkt die Taisho-Zeit als bloßes Interregnum. Zudem nimmt der Erste Weltkrieg verglichen mit der Bedeutung des Russisch-Japanischen und des sogenannten „Fünfzehnjährigen Krieges“ (1931–1945) gegen China sowie später die USA und andere westliche Kolonialmächte auch rein faktisch einen bescheideneren Platz in der Geschichte Japans ein.

Dennoch gibt es seit einigen Jahren Bestrebungen, den Ersten Weltkrieg auch in Japan wieder stärker ins Zentrum des historischen Interesses zu rücken. Dies liegt auch am Einfluss globalhistorischer und transnationaler Geschichtsschreibung, durch die unter anderem Themen aus der Geschichte der ostasiatischen Nachbarländer Japans stärker in die japanische Historiographie einfließen. Dort nimmt vor allem das Jahr 1919 als Ursprung des anti-japanischen Widerstandes eine besondere Position ein. Darüber hinaus versucht insbesondere der renommierte japanische Ideenhistoriker Yamamuro Shinichi (Kyoto Universität) schon seit einigen Jahren, die historische Bedeutung des Ersten Weltkrieges auch für Japan selbst zu unterstreichen. Im Jahr 2008 setzte er in einer Befragung der Zeitung Asahi Shinbun den Ersten Weltkrieg an die Spitze einer Liste der zehn bedeutendsten Ereignisse der modernen Geschichte Ostasiens, noch vor dem Zweiten Weltkrieg und dem Russisch-Japanischen Krieg. Aus seiner Sicht entsprangen dem „Großen Europäischen Krieg“, wie er zeitgenössisch in Japan überwiegend bezeichnet wurde, viele politische Ideen sowie Ereignisse, die die folgenden Jahrzehnte bis in die Gegenwart geprägt haben. Als Beispiele nennt Yamamuro unter anderem die Entstehung anti-kolonialer Bewegungen, eines durch internationale Organisationen institutionalisierten Internationalismus sowie die Herausbildung einer modernen Massenkultur, die gleichzeitig auch eine Kritik an der Moderne hervorbrachte. Für Japan, das in Folge des Ersten Weltkrieges zunehmend in Konflikt mit den USA, China und Russland gekommen war, habe der Krieg gleichzeitig auch die Konstellation des Zweiten Weltkrieges vorangekündigt. Yamamuro geht darüber hinaus davon aus, dass sich in Japan verhältnismäßig früh – um das Jahr 1920 – bereits ein Bewusstsein bildete, dass es sich beim Weltkrieg nur um einen ersten handelte, dem bald ein zweiter (gegen die USA) folgen könnte.

Damit sieht Yamamuro ähnlich wie Eric Hobsbawm große ideelle und strukturelle Kontinuitäten, die als Beginn des „Zeitalters der Extreme“ (Hobsbawm) ihren Ursprung im Ersten Weltkrieg haben,  allerdings im Falle Ostasiens nicht mit dem Ende des Kalten Kriegs enden. In Ostasien dauert der Kalte Krieg vielmehr an und mit ihm in mancher Hinsicht auch das „Zeitalter der Extreme“. Anstelle ideologischer Spannungen, die auch in Ostasien deutlich in den Hintergrund getreten sind, markieren wirtschaftliche und strategische Interessen sowie nationalistische Rhetorik die Eckpunkte der Streitigkeiten. Als lange Schatten des „kurzen 20. Jahrhunderts“ (Hobsbawm) reichen diese bis in die Gegenwart. Für Japan sind dabei besonders die angespannten Beziehungen zu seinen Nachbarn problematisch. Mit Russland, Südkorea, der Volksrepublik China und auch Taiwan streitet es über Territorien. Zwar hat keiner dieser rivalisierenden Gebietsansprüche direkt mit dem Ersten Weltkrieg zu tun, doch ist er durch entsprechende Regelungen territorialer Fragen zugunsten Japans eng mit dieser Problematik verbunden. Insbesondere mit Südkorea und der Volksrepublik China streitet Japan zudem auch über zahlreiche historische Fakten (u. a. Nanking-Massaker, Zwangsprostitution, Invasionskrieg) und die Bewertung dieser (u. a. in  Geschichtsbüchern, Museen und Gedenkstätten) innerhalb der modernen Geschichte Ostasiens. Auch diese haben meist nur indirekt mit dem Ersten Weltkrieg und Japans Beteiligung daran zu tun. Dessen eigentliche Geschichte ist nämlich schnell erzählt: Als Verbündeter Englands erklärte Japan im August 1914 dem Deutschen Reich den Krieg und erreichte im September die deutsche Kolonie Jiaozhou (Kiautschou) um die Stadt Qingdao (Tsingtau) in der Provinz Shandong (Shantung) an der Nordostküste Chinas. Mit der Kapitulation des deutschen Kommandanten Alfred Meyer-Waldeck im November 1914 endete der militärische Teil des Ersten Weltkrieges in Ostasien im engeren Sinne, lange bevor die Schlacht um Verdun überhaupt begonnen hatte. Bereits zuvor hatten Japan, Australien und Neuseeland die deutschen Besitzungen im Pazifik erobert. Die mehr als 4.000 deutschen und österreichischen Kriegsgefangenen verbrachten nach der Kapitulation eine vergleichsweise angenehme Zeit in verschiedenen Lagern in Japan, von denen das in Bando auf der Insel Shikoku besonders bekannt wurde. Dort wurde nicht nur Kuchen gebacken, Tennis gespielt und eine Lagerzeitschrift gedruckt, sondern im Juni 1918 auch zum vermutlich ersten Mal in Japan Beethovens Neunte Symphonie komplett mit Schlusschor aufgeführt. Das Deutsche Institut für Japanstudien (DIJ) Tokyo verfügt über eine umfassende Sammlung zum Bando-Lager, die online zugänglich ist (bando.dijtokyo.org).

Tsingtau und Umgebung

Tsingtau und Umgebung

Die Folgen des schnellen japanischen Erfolges vor allem gegen die deutsche Kolonie in China beflügelten die Expansionspläne des japanischen Militärs. Im Januar 1915 übergab die japanische Regierung dem chinesischen Präsidenten Yuan Shikai die berüchtigten „21 Forderungen“, mit denen sich Japan langfristig wirtschaftliche und politische Kontrolle über China verschaffen wollte. Der Tag der Annahme der Forderungen wurde als „Tag der nationalen Demütigung“ (9. Mai) in China über Jahrzehnte in Erinnerung gehalten. Der Ausdruck „nationale Demütigung“ (guochi) spielt bis heute in China eine wichtige Rolle in der patriotischen Erziehung und im öffentlichen Diskurs. Allerdings wird er heute selten mit den „21 Forderungen“ in Verbindung gebracht, sondern bezieht sich auf verschiedene historische Ereignisse oder auf die japanische Invasion Chinas insgesamt. Auch in den anti-japanischen Demonstrationen der vergangenen Jahre, die sich zumeist gegen japanischen Geschichtsrevisionismus und die Besuche hochrangiger japanischer Politiker des umstrittenen Yasukuni-Schreins in Tokio richten, dient „Vergesst niemals die nationale Demütigung“ (wuwang guochi) als Slogan der Demonstranten. Diese nationalistischen Massendemonstrationen stehen nicht nur rhetorisch in engem Zusammenhang mit dem Ersten Weltkrieg. Die Entscheidung der Versailler Friedenskonferenz, die japanischen Kriegseroberungen in China nicht direkt an China zurückzugeben, sondern zunächst unter japanische Verwaltung zu stellen, riefen im Frühjahr 1919 die ersten umfangreichen Massenproteste in chinesischen Städten hervor. Die darauf folgende Vierte-Mai-Bewegung gilt als Geburtsstunde des populären politischen Nationalismus in China. Sie hat zu einer massiven und nachhaltigen Verschlechterung des Japanbildes in weiten Teilen der chinesischen Bevölkerung geführt.

Ähnlich liegt der Fall Koreas, das seit dem Ende des Russisch-Japanischen Krieges 1905 unter weitgehender japanischer Kontrolle stand und 1910 von Japan annektiert wurde. Lenins und Wilsons Proklamationen des Selbstbestimmungsrechtes der Völker weckten hier wie in weiten Teilen der übrigen kolonialisierten Welt hohe Erwartungen. Doch der „Wilsonsche Moment“ (Manela) verstrich, und die Neugestaltung der Weltordnung in Versailles ließ das Leid und die Interessen der Kolonialisierten weitgehend außer Acht. Enttäuschungen darüber führten in Korea wie in China zu Massendemonstrationen. Am 1. März 1919 versammelten sich bis zu zwei Millionen Koreaner, um landesweit für die Unabhängigkeit von Japan zu demonstrieren. Die Bewegung wurde von den japanischen Besatzern brutal unterdrückt, Korea blieb bis 1945 unter Japans Herrschaft. Der 1. März ist heute nationaler Feiertag in Südkorea, der 4. Mai wird als „Tag der Jugend“ in der Volksrepublik China in Erinnerung gehalten.

Ähnlich liegt der Fall Koreas, das seit dem Ende des Russisch-Japanischen Krieges 1905 unter weitgehender japanischer Kontrolle stand und 1910 von Japan annektiert wurde. Lenins und Wilsons Proklamationen des Selbstbestimmungsrechtes der Völker weckten hier wie in weiten Teilen der übrigen kolonialisierten Welt hohe Erwartungen. Doch der „Wilsonsche Moment“ (Manela) verstrich, und die Neugestaltung der Weltordnung in Versailles ließ das Leid und die Interessen der Kolonialisierten weitgehend außer Acht. Enttäuschungen darüber führten in Korea wie in China zu Massendemonstrationen. Am 1. März 1919 versammelten sich bis zu zwei Millionen Koreaner, um landesweit für die Unabhängigkeit von Japan zu demonstrieren. Die Bewegung wurde von den japanischen Besatzern brutal unterdrückt, Korea blieb bis 1945 unter Japans Herrschaft. Der 1. März ist heute nationaler Feiertag in Südkorea, der 4. Mai wird als „Tag der Jugend“ in der Volksrepublik China in Erinnerung gehalten.

Auch in Japan selbst wurden während des Krieges und in dessen unmittelbarer Folge Rufe nach sozialen, politischen und ökonomischen Reformen lauter: 1918 demonstrierten Hunderttausende gegen steigende Reispreise, 1919 wurde das Wahlrecht reformiert, 1920 eine sozialistische Partei gegründet ebenso wie eine Gesellschaft für Frauen, die sich erfolgreich für deren Recht auf politische Betätigung einsetzte. Zahlreiche kulturelle und politische Publikationen und Organisationen entstanden, wie die Frauenzeitschrift Fujin Koron (1916 bis heute) und die Gesellschaft für Aufklärung (Reimeikai, 1918), die offen für die Rechte der von Japan kolonialisierten Völker eintrat. Die vom Wilsonschen Idealismus und der Russischen Revolution inspirierten Bewegungen für Gleichheit, Freiheit, Demokratie und Pluralismus sorgten so für eine gesellschaftliche, kulturelle und intellektuelle Blüte in der Nachkriegszeit – blieben aber ohne nennenswerten Einfluss auf die japanische Kolonialpolitik.

Deutsche Kriegsgefangene in Bando

Deutsche Kriegsgefangene
in Bando

Die japanische Geschichtswissenschaft hat in den vergangenen Jahren im Zuge transnationaler Forschungen oft kollaborativ mit chinesischen und koreanischen Kolleginnen und Kollegen wichtige Werke zur Aufarbeitung der japanischen Kolonialgeschichte vorgelegt und damit zur wissenschaftlichen Stabilisierung historischer Narrative beigetragen. Gleichzeitig hat allerdings die japanische Regierung durch Maßnahmen, die wohlwollend als ungeschickt, anders aber auch als provokativ eingestuft werden können, schwelende Konflikte um das historische Bewusstsein und die Aufarbeitung der Kriegsvergangenheit weiter verschärft. Die ambivalenten und oft auch offen apologetischen Äußerungen führender japanischer Politiker zum japanischen Imperialismus sowie der öffentlich vorgetragene Geschichtsrevisionismus müssen Chinesen und Koreaner fast zwangsläufig an die historisch erlittenen nationalen Demütigungen durch Japan erinnern. Diese langen Schatten des „kurzen 20. Jahrhunderts“, das als „Zeitalter der Extreme“ in mancher Hinsicht auch für Japan und Ostasien im Ersten Weltkrieg begann, reichen noch heute sogar bis in Fußballstadien. Dort zeigten südkoreanische Fans während eines Spiels ihrer Mannschaft gegen Japan beim Ostasien-Cup im Juli 2013 ein übergroßes Banner mit der Aufschrift „Ein Volk, das seine Geschichte nicht kennt, hat keine Zukunft“. Ein gemeinsames Erinnern an den Ersten Weltkrieg und dessen vielfältige – auch positive – Folgen für Japan und Ostasien könnte einen großen Schritt in Richtung Aussöhnung und friedlicher Koexistenz bedeuten.

Torsten Weber ist seit April 2013 wissenschaftlicher Mitarbeiter am DIJ Tokyo. Er forscht zur modernen Geschichte Ostasiens mit Schwerpunkt auf Asiendiskursen und Geschichtspolitik. Am DIJ leitet er das Forschungsprojekt „Sozio-politische Glücksdiskurse im imperialen Japan“.

Quelle: http://grandeguerre.hypotheses.org/1418

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