“Als Mann und Frau schuf er sie” – das liest sich in der Genesis (Gen. 1, 27) recht klar und einfach. Doch schon mit der Bestimmung, Gott habe sie “zu seinem Bilde” erschaffen, wird es theologisch erheblich komplizierter. In mittelalterlichen Bibelhandschriften sieht man das besonders deutlich an den kleinen Erläuterungen, die sich zwischen den Zeilen ansammeln, den am Rand zu findenden Kommentartexten, die meist aus der patristischen Literatur stammen (“Glossen”) und den Kommentaren zu den Kommentaren.In der Abbildung hier ist z.B. das Wort “Masculum” […]
Der hermaphroditische Adam und die ungeschlechtliche Seele
“Als Mann und Frau schuf er sie” – das liest sich in der Genesis (Gen. 1, 27) recht klar und einfach. Doch schon mit der Bestimmung, Gott habe sie “zu seinem Bilde” erschaffen, wird es theologisch erheblich komplizierter. In mittelalterlichen Bibelhandschriften sieht man das besonders deutlich an den kleinen Erläuterungen, die sich zwischen den Zeilen ansammeln, den am Rand zu findenden Kommentartexten, die meist aus der patristischen Literatur stammen (“Glossen”) und den Kommentaren zu den Kommentaren.In der Abbildung hier ist z.B. das Wort “Masculum” […]
Zensierte Zwitter. Über zensierte Ausgaben und Übersetzungen historischer Quellentexte
Wer sich mit der Geschichte uneindeutiger Körper beschäftigt, wird schnell mit Zensur-Phänomenen konfrontiert. Das betrifft insbesondere auch Textausgaben und Übersetzungen historischer Quellen, die zwischen der Mitte des 19. und Mitte des 20. Jahrhunderts erschienen sind. Als Einstieg drei Beispiele:
1. Der Chronist Matthäus Paris (gest. 1259) berichtet in seiner Chronica maior von „Androgynen“ in Lincoln: Eine „unheilverkündende und unerhörte“ Begebenheit habe sich dort im Jahre 1246 zugetragen. Eine adelige Frau, verheiratet und Mutter mehrerer Kinder, habe eine andere adelige Frau geschwängert, und zwar „in einer neuen und wundersamen Weise“. Um dieses Wunder zu erklären, verweist der Chronist auf die gelehrte Auslegung des Schöpfungsberichts: Dort heiße es, dass Gott den Menschen als Mann und Frau geschaffen habe (Gen. 1, 27), die Glosse (gemeint ist ein Werk von Petrus Cantor) aber bemerke zu dieser Stelle, dass es auch androgyne Menschen gebe, die zeugen und empfangen könnten. Letztlich sind es also Berichte über das Wundervolk der Hermaphroditen, wie sie seit der Antike und bis weit in die Neuzeit tradiert wurden, auf die der Chronist sich hier beruft.
Das wäre nicht weiter erstaunlich – viel interessanter ist, wie im 19. Jahrhundert mit diesem Text umgegangen wurde.
Aufgrund ihrer Bedeutung v.a. für die englische Geschichte wurde die Chronik schon im 19. Jahrhundert ins Englische und (teilweise) ins Deutsche übersetzt, keine Selbstverständlichkeit für eine mittelalterliche Chronik. Die deutsche Übersetzung von 1896 erwähnt die „Androgynen“ nicht, was nicht viel bedeuten muss, da es sich um eine Auswahlübersetzung handelt. Die englische Übersetzung von 1853 hingegen ist eine vollständige Übersetzung - verzichtet ausgerechnet auf die oben zitierte Episode, und beruft sich (Bd. 2, S. 166, online hier) auf ihre angebliche Unübersetzbarkeit: "The contents of this chapter being untranslatable, we give the Latin text, which is as follows: "Sub ejusdem anni curriculo, …"
2. Die Konstanzer Chronik (14./15. Jh.) berichtet zum Jahr 1388 von einem Mensch, der doppelte Geschlechtsorgane hatte, in zeitgenössischen Begriffen also ebenfalls ein „Hermaphrodit“. Anders als der gelehrte, auf Latein schreibende Matthew Paris verwendet der Konstanzer Chronist aber nicht diesen gelehrten Begriff; „hat ain zagel, hat ein fud“, schreibt er schlicht und deutlich, um die doppelten Geschlechtsorgane (Penis und Vulva) zu benennen. Eines aber hat er mit Mathew Paris gemeinsam – in den Druckausgaben wurde die Passage zensiert. Die erste Ausgabe der Konstanzer Chronik (durch Mone, hier online), obwohl sonst vollständig, ließ die Passage kommentarlos weg, die zweite (Ruppert) ersetzte sie immer noch durch eine Fußnote mit einer knappen (inhaltlich durchaus zutreffenden) Paraphrase.
3. Ein Kapitel des Paedagogos des Clemens von Alexandrien (gest. um 215), in dem es um Zwitter geht (mehr dazu hier), wird in der weit verbreiteten englischen Übersetzung (Schaff; hier online) stark gekürzt, ohne dass dies im Vorwort erwähnt würde. Erst eine Fußnote zur Kapitelüberschrift erläutert: "For obvious reasons, we have given the greater part of this chapter in the Latin version. [...]." Aus „offensichtlichen“ Gründen „muss“ der griechische Text des Originals auf Latein anstatt auf Englisch wiedergegeben werden – welche offensichtlichen Gründe dies sind, wird nicht gesagt. Immerhin wird die Zensur, bei aller sprachlichen Verschleierung, hier als solche erkennbar. In der deutschen Clemens-Übersetzung in der „Bibliothek der Kirchenväter“ (hier) ist nicht einmal das der Fall - hier wird ein noch kleinerer Teil des Paedagogos-Kapitels übersetzt – und der Rest fehlt ganz, ohne jeden Hinweis darauf, dass hier etwas fehlte!
Mit solchen zensierenden Eingriffen, Nicht-Übersetzungen, Verschleierungen rechnet man bei Textausgaben des 19. und 20. Jahrhunderts bei erotischen und allgemein sexuellen Themen, vor allem, wenn es um homosexuelle Akte und Beziehungen geht – zum Beispiel die berüchtigte Martial-Ausgabe der Loeb Classical Library: Bis zur Neuausgabe 1993 bot sie „einschlägige“ Verse anstatt in englischer in italienischer Übersetzung, die übrigens auch nicht vom Übersetzer selbst stammte, sondern einer Übertragung des 18. Jahrhunderts entnommen war. (Näheres kann man in der klugen Rezension Howells in der Classical Review, siehe hier, nachlesen.)
Die hier zitierten Zensur-Beispiele fallen aber auf dem ersten Blick nicht in dieses Muster: Der „Hermaphrodit von Lincoln“ begeht zwar Ehebruch, aber Matthew Paris berichtet denkbar knapp darüber und in irgendeiner Weise anstössig zu sein. Der Mensch mit doppelten Genitalien, der in der Konstanzer Chronik erwähnt wird, führt ein geordnetes Eheleben: Aufgewachsen als Katharina, nannte er sich später Hans, heiratete eine Frau, und das Konstanzer Gericht bestätigt die Gültigkeit ebendieser Ehe; alles recht langweilig. Erst recht ist Clemens von Alexandrien ziemlich unverdächtig: Die imkriminierten Passagen leugnen die Existenz von „echten“ Hermaphroditen und diskutieren dann angebliche „hermaphroditische“ Tiere wie die Hyäne und den Hasen, um die entsprechenden Speiseverbote des Alten Testamentes (und des sog. Barnabasbriefes) zu deuten. Dogmatisch nicht ganz jedermanns Tasse Tee, aber moralisch jedenfalls unverdächtigt.
Nicht die Darstellung sexueller Handlungen, erst recht nicht moralische Wertungen, sondern allein die Erwähnung von „Hermaphroditen“ ist es offenbar, die bei Herausgebern und Übersetzern des 19./20. Jahrhunderts als problematisch gesehen wurde. Gerade weil antike und mittelalterliche Texte für die meisten Leser wenn überhaupt, dann nur in Übersetzungen zugänglich sind, dürften die oben zitierten Beispiele nicht ohne Wirkung sein. Teilweise gibt es neuere Übersetzungen (z.B. von Clemens), aber gerade dank Google books und Co. erleben die alten, oft gemeinfreien Übersetzungen derzeit eine regelrechte Renaissance. Umso wichtiger ist es, dass man damit zu rechnen lernt, dass Hinweise auf Menschen zwischen den Geschlechtern in diesen Ausgaben gezielt eliminiert wurden.
Zensierte Zwitter. Über zensierte Ausgaben und Übersetzungen historischer Quellentexte
Wer sich mit der Geschichte uneindeutiger Körper beschäftigt, wird schnell mit Zensur-Phänomenen konfrontiert. Das betrifft insbesondere auch Textausgaben und Übersetzungen historischer Quellen, die zwischen der Mitte des 19. und Mitte des 20. Jahrhunderts erschienen sind. Als Einstieg drei Beispiele: 1. Der Chronist Matthäus Paris (gest. 1259) berichtet in seiner Chronica maior von „Androgynen“ in Lincoln: Eine „unheilverkündende und unerhörte“ Begebenheit habe sich dort im Jahre 1246 zugetragen. Eine adelige Frau, verheiratet und Mutter mehrerer Kinder, habe eine andere adelige Frau geschwängert, und zwar „in […]
Blog: Kryptographiegeschichte der Antike, des Mittelalters und der Neuzeit
aventinus mediaevalia Nr. 24 [31.01.2015]: Die Herrschaftssicherung des Theoderich in Italien. Diplomatie, Politik und Fürsorge
Die Wikinger kamen nach Berlin – in der Roskilde 6?
Ein Gastbeitrag von Ian Beuermann. Unser Gastautor hat sich die bis vor kurzem in Berlin gezeigte große Ausstellung "Die Wikinger kommen" für uns angesehen und besprochen. Die von den Staatlichen Museen zu Berlin gemeinsam mit dem dänischen Nationalmuseum und dem British Museum produzierte Ausstellung war zuvor bereits in Kopenhagen und London zu sehen.
Ganz, wie es auch von den Kuratoren geplant war: Das Beindruckendste ist das Schiff:
Die Roskilde 6 im Berliner Martin-Gropius-Bau
Flickr, CC-BY-NC-SA Gertrud K.
Die Roskilde 6 ist ein Riesenschiff, gut 37 Meter lang, das längste jemals gefundene Wikingerschiff, passenderweise entdeckt während Bauarbeiten für das Wikingerschiffmuseum in Roskilde. Das gut zu erkennende Loch, das die Baggerschaufel in den Rumpf gerissen hat, macht gleichzeitig klar, wie zufällig archäologische Funde sein können – und wie bruchstückhaft die uns überlieferten Quellen. Jedenfalls aber kann man sich den Schrecken vorstellen, den solche Schiffe verbreiteten, wenn sie in Europa auftauchten, plündernde und mordende Wikinger ausspien und mit Wertgegenständen und Sklaven wieder verschwanden. Aber genau das tat dieses Schiff wohl nicht: Es handelt sich um ein Prunkschiff, eventuell ein königliches Schiff, gebaut nach 1025, als die typischen hit-and-run Wikingerangriffe auf europäische Märkte und Klöster längst vorbei waren. Die Besatzung der Roskilde 6 waren keine “Wikinger” im klassischen Sinne.
Fibeln und Steigeisen — nur einige der vielen archäologischen Exponate in der Berliner Wikingerausstellung
Flickr, CC-BY-NC-SA Gertrud K.
Und Wikinger im klassischen Sinne will uns die Ausstellung wohl eigentlich auch gar nicht zeigen. Mit ihrer räumlichen Anordnung nach den Themenfeldern “Kontakte und Austausch”, “Glaube und Ritual”, “Macht und Herrschaft” betont sie ökonomische und kulturelle Kontakte zwischen Skandinavien und Europa, sowie Heidentum, Christentum und Sozialstrukturen innerhalb der sich verändernden skandinavischen Gesellschaft. Die Ausstellung folgt also ganz dem Stil der Zeit, die Skandinavier zwischen c.800 und c.1200 als friedliche Händler und Siedler auf der ganzen Nordhalbkugel, und als Heiden und Halbchristen in hierarchischen Gesellschaften zu Hause darzustellen. Andere sonst typische Themen, die hier vielleicht zu kurz kommen, sind die Stellung von Frauen, Bauern und Sklaven.
Selbst das letzte Themenfeld “Krieg und Eroberung” bedient das Wikingerklischee nicht wirklich. Eine umfangreiche Sammlung von Schwertern, Äxten und Zaumzeug nimmt einen ganzen Saal in Anspruch, erscheint aber dank Beschränkung auf rein technische Informationen eher wie eine unblutige Eisenwarenausstellung. Im zweiten Kriegssaal läuft ein Endlosvideo mit dunklen Schwertkampfszenen ohne historischen Bezug, über einer Grube mit (echten!) Skeletten. Hier werden uns die Skandinavier als Opfer präsentiert; es handelt sich um ein Massengrab aus England, mit enthaupteten…ja, was genau? Enthaupteten Männern, in der Ausstellung und im Audioguide noch beschrieben als hingerichtete skandinavische Krieger, in der Führung schon re-interpretiert als erschlagene skandinavische Zivilisten (die Skelette indizieren nach neueren Untersuchungen ein unsportliches ungefährliches, kein Kämpfer-Leben). Harmlose Skandinavier, die von Angelsachsen im Blutrausch massakriert wurden? Das ist das Wikingerklischee auf den Kopf gestellt!
Zur eher friedlichen Stoßrichtung paßt vielleicht auch, daß es ganz überwiegend eine archäologische Ausstellung ist – das klassische Wikingerbild dagegen wird ja besonders eindrucksvoll in europäischen Texten über ihre Angriffe und in skandinavischen Texten über ihre Heldentaten zelebriert. Ein paar skandinavische Texte hat man aber trotzdem hie und da zwischen all den archäologischen Fundstücken eingestreut. Ohne Hintergrundinformation zu den Edda- und Saga-Auszügen, und ohne ein Wort zum schwierigen Verhältnis zwischen Archäologie und Text ist dies nicht sehr gelungen; ein Ganz-oder-gar-nicht bezüglich der schriftlichen Quellen wäre vielleicht besser gewesen.
Replik des Jellinge-Steins in der Wikingerausstellung
Flickr, CC-BY-NC-SA Gertrud K.
Was haben wir hier also? Eine eher traditionell aufgemachte und nicht immer gut beschilderte Ausstellung mit nicht unbedingt gleichmäßigem geographischen Fokus (sehr viel Dänisches, sehr wenig Isländisches), mit teils beeindruckenden berühmten archäologischen Fundstücken von ganz klein bis ganz groß im Original (vom Jellingbecher über den Hiddensee-Goldschatz bis zur Roskilde 6) oder als Replik (der Jellingstein), die einen guten Rundumeindruck vom archäologischen Stand der Forschung zu Skandinaviern zu Hause und in der Ferne c.800–c.1200 gibt, ohne bahnbrechendes Neues zu bieten. Und ja, eine Ausstellung, die uns dezidiert Skandinavier präsentiert, aber – aus Marketinggründen? – “Wikinger” titelt. Hineingehen hat sich trotzdem gelohnt.
Ian Beuermann hat seine Spezialisierung als Mediävist mit Schwerpunkt Nordeuropa vor allem in Norwegen an verschiedenen Institutionen durchlaufen. Seit mehreren Jahren ist er Mitarbeiter und Lehrbeauftragter am Nordeuropa-Institut der Humboldt-Universität zu Berlin, derzeit als Vertretungsprofessor für skandinavistische Mediävistik.
Offene Fragen zur Gefangennahme von Weberknechten in Kreuznach im Januar 1422
In meinem hypotheses-Blog beschäftige ich mich mit der Ortsgeschichte von Ockenheim in Rheinhessen, unweit von Mainz. Es sind verschiedene, meist kleine Quellen, kurze Erwähnungen, die bislang in der Ortsgeschichte wenig oder gar keine Beachtung fanden, denen ich in meinen „Werkstattberichten“ nachgehe.
In den Regestenbänden von Johannes Mötsch zu Urkunden der Grafen von Sponheim stieß ich zuletzt auf einen Eintrag mit der Erwähnung des Weberknechts Johann von Ockenheim, der mein Interesse gewann. Doch sind mir bislang die Hintergründe für die im Regest beschriebene Handlung nicht klar geworden. Kenner der Sponheimer Geschichte um 1420 mögen mir vielleicht helfen können...
1422 Januar 21
Die Weberknechte Konrad (Contze) von Gelnhausen (Geylenhusen), Rorich von Hachenburg (-berg), Heinrich von Alsenz (Alsentze), Johann (Henne) Seydenknauff von [Kaisers-]Lautern (Lutern), Johann (Henne) von Friedberg (Friede-), Heinrich (Hentze) von Meisenheim, Konrad (Contze) von Dieburg (Diepberg), Erhard von Nürnberg (Nuren-), Peter von Zell (Celle) im Hamm, Markus (Merkel) Leybche von Nürnberg, Johann (Henne) von Wallertheim (Waldertheim), Johann (Henchin) von Ockenheim, Johann (Henne) von Odernheim an der Glan (Glane), Jakob von Driedorf (Drijdorff), Peter von Trier, Konrad (Contze) von Lettweiler (Litwilre), Heinrich (Hentze) von Manrago, Johann (Henne) von Montabaur (Monthabur), und Johann (Henne) von Sobernheim bekunden: sie waren zu Kreuznach (Crutzenach) aufgehalten und ins Gefängnis gelegt worden wegen der gegen die dortige Herrschaft begangenen Frevel. Aus Gnade hat man sie jetzt freigelassen. Sie geloben, sich deswegen nicht an Ludwig Pfalzgraf bei Rhein, Herzog von Bayern (Beyern), Johann Grafen zu Sp. und den Ihren zu rächen, und bitten Schultheiß und Schöffen zu Kreuznach um Besiegelung mit dem Gerichtssiegel. Diese kündigen das Siegel an. [...]1
Warum kam es zu der temporären Festsetzung der Weberknechte? Steht sie in Verbindung mit der Auseinandersetzung um den Kreuznacher Burgfrieden?
Hintergrund: Graf Ludwig V. von Sponheim-Starkenburg erhielt 1417 als Erbe der Gräfin Elisabeth von Sponheim-Kreuznach die „Vordere Grafschaft“ von Sponheim – vier Fünftel des Besitzes der verstorbenen Gräfin. Dazu gehörten die Städte und Ämter Kirchberg, Koppenstein, Kreuznach und Naumburg und vier Fünftel der Burg in Kreuznach. Das andere Fünftel erhielt der Pfalzgraf: die „hintere Grafschaft“ und ein Fünftel der Kreuznacher Burg. Um dieses Fünftel der Burg kam es 1417 zum Streit, denn der Sponheimer Graf wollte es dem Pfalzgrafen nicht gewähren. Der Mainzer Erzbischof schlichtete 1419.2
Diese Auseinandersetzung mag auf eine andere Urkunde rekurrieren, in der ein Ockenheimer Burgherr als Kontrahent von Johann V. genannt wird3 ...
1419 August 23
Johann (Hans) von (Gau-)Algesheim (Algis-) wird lediger Mann des Johann Grafen zu Sp. und gelobt, gegen den Grafen, seine Erben, Land und Leute sowie die, die es vor ihm verantworten wollen, nichts zu tun oder zu veranlassen und des Grafen Schaden zu warnen. Besonders soll er diesen gegen Emmerich von Ockenheim und seine Helfer, bis der Krieg zu Ende ist. Er bittet: (1) Johann von Sötern (Soetern) und (2) Jakob von Lachen um Besiegelung. Diese kündigen ihre Siegel an. [...]4
... aber die obengenannte Urkunde entstand drei Jahre später. Es ist nur eine vage Vermutung, dass sie Johanns V. Launen anheimfielen, die er 1422 mehrmals zeigte.5
Wer kennt sich mit der Sponheimer Geschichte näher aus und kann die Gefangennahme und gnadenreiche Freilassung der Weberknechte 1422 erklären?
Ich danke für Hinweise in der Kommentarfunktion.
- Mötsch, Johannes: Regesten des Archivs der Grafen von Sponheim 1065-1437. Band 3: 1400-1425. (= Veröffentlichungen der Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz 43). Koblenz 1989. Seite 469, #4055.
- Als weiterführende Literatur sei Dotzauer, Winfried: Geschichte des Nahe-Hunsrück-Raumes von den Anfängen bis zur Französischen Revolution. Stuttgart 2001. S. 282-287 genannt.
- Emmerich von Ockenheim ist mehrfach urkundlich erwähnt: 1340/1350, 1353-03-19, 1360-03-23, 1380, 1401, 1419-08-23 (=obige Urkunde), 1429-09/10-xx, 1438, 1454. Da an keiner Stelle etwas zu familiären Beziehungen oder Alter beschrieben werden, ist es müßig, herauszufinden, ob der 1419 genannte Emmerich schon 1340 lebte oder noch 1454. Zwischen dem 12. und 15. Jahrhundert verwalteten Mainzer Ministeriale die Burg in Ockenheim, danach wurde sie vermutlich nur noch als Steinbruch benutzt.
- Mötsch, Johannes: Regesten des Archivs der Grafen von Sponheim 1065-1437. Band 3: 1400-1425. (= Veröffentlichungen der Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz 43). Koblenz 1989. Seite 401, #3914.
- Vgl. Dotzauer, Winfried: Geschichte des Nahe-Hunsrück-Raumes von den Anfängen bis zur Französischen Revolution. Stuttgart 2001. S. 287.
Gottesstaat und Prußens Beitrag
1. Einleitung [1]
Nach der Plünderung Roms durch Alarichs Heer im Jahr 410 wurde das Werk De civitate dei durch Augustinus verfasst. Er konzipierte die Schrift als positiven Gegenentwurf des Vorwurfs, dass an dieser Katastrophe die Vernachlässigung der herkömmlichen Götterverehrung schuld sei. [2] In diesem Werk findet sich eine geteilte Konzeption von Gesellschaft. Zum einen die Civitas Dei, zum anderen die Civitas Diaboli. Christoph Horn interpretiert diese Konzeption als moralische Klassifizierung. Die Civitas Dei ist dem Ideal des Staates des Himmels, das den Staat Gottes oder eben den Gottesstaat darstellt, näher, als die Civitas Diaboli, der der Himmel aufgrund ihrer moralischen Verworfenheit verwehrt ist. [3] Der Staat Gottes ist also nicht auf Erden zu realisieren, es ist Aufgabe der Civitas Dei, an diesem Ideal zu partizipieren und sich ihm anzunähern.
Die wohl bedeutendste Chronik des Deutschen Ordens, die Chronica terre Prussie des Peter von Dusburg, so an dieser Stelle die Behauptung, stellt genau diese Konzeption vor.
Darum wird nun zuerst die Chronica vorgestellt und anschließend der Versuch vorgenommen, zu zeigen, dass der Autor Peter von Dusburg diese Teilung der Welt bei der Verschriftlichung vor Augen hatte.
Peter von Dusburg hat im Jahr 1326 die Chronica terre Prussie fertiggestellt. Er unterteilte das Werk in vier Bücher:
1. Buch eins stellt die Gründungsgeschichte des Ordens dar.
2. Buch zwei erzählt den Einzug der Ordensbrüder ins Preußenland.
3. Das dritte Buch behandelt die Eroberung desselben und
4. das vierte Buch bildet ein Kompendium der außerpreußischen Geschichte.
Tatsächlich sind das dritte und vierte Buch in den Handschriften einander gegenübergestellt. [4]
An diese Abschnitte schließt sich das sogenannte Supplementum an, eine Erweiterung der wohl ursprünglichen Chronik, veranlaßt durch die Ermordung des Hochmeisters Werner von Orsel durch den Bruder des Ordens Johannes von Endorf.
Die Idee, dass Dusburg eine augustinische Staatsidee vertrat, kann auf der Trennung der Bücher drei und vier fußen. Wie bereits oben erwähnt, stellt das dritte Buch die Geschichte des Deutschen Ordens im Pruzzenland dar, das vierte Buch berichtet von außerpreußischen Ereignissen, die durch die Folge von Päpsten und Kaisern strukturiert wird.
Dies allein rechtfertigt jedoch noch nicht die Vermutung, dass eine augustinische Theorie zugrunde liegt.
2. Peter von Dusburg und der Deutsche Orden in der Chronicon terre Prussie [5]
Erhärtet wird die Annahme einer augustinischen Konzeption der Chronicon terre Prussie aufgrund der Selbstverortung, die Dusburg in der Epistola vornimmt. Dort heißt es:
„Mit welch sorgfältiger Umsicht und umsichtiger Sorgfalt die alten und heiligen Väter die wunderbaren Werke unseres Herrn Jesus Christus, die er selbst oder durch seine Diener zu wirken die Gnade hatte, zu seinem Lob und seiner Ehre und zur Belehrung der Gegenwärtigen und Zukünftigen aufgezeichnet haben, ist einem jeden offenbar, der seinen Blick auf sie richtet. […] Ihren Spuren bin ich gefolgt, […].“ [6]
Mit diesen wenigen Sätzen scheint sich Dusburg unmittelbar in die Folge der Evangelisten des neuen Testaments zu stellen. Man kann diese Annahme sicherlich noch schärfer fassen und behaupten, dass Dusburg sich als Evangelisten versteht. Doch zeichnet er sehr bewusst nicht die Taten Jesu auf, sondern die Taten des Deutschen Ordens. Doch diese werden hier als gleichwertig und gleichwürdig der Taten Jesu verstanden. Zugleich wird der Deutsche Orden damit als Nachfolger in Jesus verstanden. Weiter heißt es dann auch:
„So habe ich die Kriege, die wir und unsere Vorgänger, die Brüder unseres Ordens, siegreich geführt haben, aufgezeichnet und in diesem Buche niedergelegt.“ [7]
Der nun sich anschließende Prolog erhärtet noch die oben gefasste Annahme, indem Dusburg zunächst Daniel 3,99 zitiert [8] :
„Zeichen und Wunder hat der erhabende Herr an mir getan. Daher gefiel es mir, kund zu tun seine Zeichen, denn sie sind groß und seine Wunder, denn sie sind mächtig.“ [9]
Es heißt darauffolgend:
„Diese Worte darf auch der Verfasser dieses Buches gebrauchen, der für die heilige Gemeinschaft der Brüder des Hospitals Sankt Marien vom Hause der Deutschen zu Jerusalem sagen konnte: […].“ [10]
Erst auf den Prolog folgend beschreibt Dusburg selbst die Struktur seines Textes. In der Tat bestimmt Dusburg hier selbst sein Werk als in vier Teile geteilt. Diese Passage gibt die gedachte Struktur des Textes klar und deutlich wieder:
„Dies Buch ist in der folgenden Weise gegliedert: Zuerst werde ich beschreiben, zu welcher Zeit, durch wen und wie der Orden des Deutschen Hauses seinen Anfang nahm, sodann, wann und wie die Brüder in das Preußenland kamen, drittens von den Kriegen und anderem, das sich in diesem Lande zutrug; […]. Zum vierten werde ich auf dem Rande die Päpste und Kaiser vermerken, die seit der Stiftung dieses Ordens regiert haben und einige beachtenswerte Geschehnisse, die sich zu ihren Zeiten zutrugen.“ [11]
Von nicht unerheblichem Interesse ist indes doch die Formulierung „auf dem Rande“. Im lateinischen-sprachigen Originaltext steht dafür „Quarto ponam in margine[...]“. Diese Formulierung, dafür möchten die Ausführungen plädieren, sind wörtlich zu verstehen. Das jedoch hieße, dass es eine Rangordnung der dargelegten Vorkommen gibt. Und innerhalb dieser Rangordnung stehen die „Taten und Wunder“ des Deutschen Ordens bei der „Eroberung“ der preußischen Lande vor und über den „in margino“ gesetzten Ereignissen, die auch die Päpste und Kaiser umfassen.
2.1 Die Prußen in der Chronicon terre Prussie
Nachdem die Selbstbeschreibung des Deutschen Ordens in der Chronicon terre Prussie aufgezeigt wurde, soll nun die Darstellung der Prußen folgen. Wie der Titel andeutet sind die Prußen die „großen Gegenspieler“ des Ordens. Doch auch in diesem Teil gibt es „Rangstufen“. Das größte Übel, dem der Deutsche Orden im Prußenland begegnet, ist Herzog Swantopolk aus Pomerellen [12] . Dieser wird wiederholt als „ein Sohn der Missetat und Verderbnis“ [13] oder auch als „der Sohn des Teufels“ [14] bezeichnet. Die Prußen hingegen werden von ihm zum Widerstand verführt. [15] Verführt werden können sie, da die Prußen „keine Kenntnis von Gott“ [16] hatten. Weiter heißt es an entsprechender Stelle: „Weil sie einfältig waren, konnten sie ihn mit dem Verstand nicht begreifen, und da sie die Buchstaben nicht kannten, konnten sie ihn auch durch die Schrift nicht erkennen.“ [17] Doch erschöpft sich damit die Andersartigkeit der Prußen nicht, neben der Schilderung ihrer nicht christlichen Glaubensinhalte wird auch folgendes erzählt:
„Ferner lag mitten im Gebiet dieses ungläubigen Volks, nämlich in Nadrauen, ein Ort namens Romow, der seinen Namen von Rom herleitete; hier wohnte einer, der Criwe hieß und den sie als Papst verehrten; wie nämlich der Herr Papst die gesamte Kirche der Gläubigen regiert, so lenkte jener mit Wink oder Befehl nicht nur die Prußen, sondern auch die Litauer und die anderen Völker Livlands.“ [18]
Damit wird eine Parallelwelt der Prußen gestaltet, die ein Zerrbild der christianitas darstellt. Das die Prußen jedoch auf den wahren Weg des Glaubens gelenkt werden können, zeigt eine anschließende Wundergeschichte, in der ein Pruße namens Dorge von einer Furcht vor weißen Pferden geheilt werden kann und zu einem großem „Eiferer für den Glauben und die Gläubigen und ein glühender Verehrer Gottes und der Heiligen“ [19] wurde.
3. Fazit
Die obigen Ausführungen sprachen sich dafür aus, in der Chronicon terre Prussie eine Konzeption aufzufassen, die in der Tradition des augustinischen De civitate Dei steht. Dabei konnte der Deutsche Orden als irdische Institution erfasst werden, die zum einen einem göttlichen Auftrag folgt, aber auch fast schon Jesu gleichgestellt ist. Erhärtet wird diese Annahme durch die Selbstverortung des Autors Peter von Dusburg, der sich als Evangelist zu erfassen scheint. Doch kann deswegen der Ordensstaat wohl noch nicht als Gottesstaat bezeichnet werden. Zumindest ist der Deutsche Orden aber auf der moralisch besseren Seite, was der Interpretation der De civitate Dei durch Horn folgt.
Die Prußen, so konnte gezeigt werden, bilden ein Spiegelbild dieser Konzeption. Doch nicht nur des Ordens allein, sondern der gesamten Christenheit. Man kann aber auch erkennen, dass sie, aufgrund ihrer Beschreibung, grundsätzlich erkenntnisfähig wären. Da sie dies jedoch nicht machen, so könnte man behaupten, sind sie moralisch verworfen und bilden darum die civitas diaboli.
Doch ist dies eine sehr spezifische Lesart der Chronicon terre Prussie, die sicherlich noch genauer überprüft werden müsste.
- Angeregt wurden die folgenden Ausführungen durch eine kurze Anmerkung in: Neecke, Michael (2008): Literarische Strategien narrativer Identitätsbildung. Eine Untersuchung der frühen Chroniken des Deutschen Ordens. Regensburg. S. 32.
- Röd, Wolfgang (2000): Der Weg der Philosophie. Von den Anfängen bis ins 20. Jahrhundert. Bnd. 1. Altertum, Mittelalter, Renaissance. München S. 306.
- Horn, Christoph (1995): Augustinus. München. Hier S. 111-127.
- Siehe dazu Wenta, Jarosław (2004): 'Peter von Dusburg' S. 1187-1192. Erschienen in: Wachinger, Burghart u.a. (Hrsgb.): Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. Begr. v. Stammler, Wolfgang. Fortgeführt von Langosch, Karl. Bnd. 11; Nachträge und Korrekturen. 5. Lieferung. 2. Aufl. Berlin, New York.
- Um eine einfachere Lesbarkeit zu gewährleisten, werden im Folgenden die entsprechenden Textstellen direkt in Übersetzung wiedergegeben. Das heißt der Text folgt folgender Ausgabe: Dusburg, Peter von: Chronik des Preussenlandes. Übers. u. erl. v. Scholz, Klaus; Wojtecki, Dieter. Erschienen in der Reihe: Buchner, Rudolf; Schmale, Franz-Josef (Hrsgb.): Ausgewählte Quellen zur Deutschen Geschichte des Mittelalters. Bnd. 25. Darmstadt 1984. Der lateinischsprachige Text folgt der Edition: Dusburg, Petri de: Chronicon terre Prussiae. Ediert von Töppen, Max. Erschienen in: Hirsch, Theodor; Töppen, Max; Strehlke, Ernst (Hrsgb.): Scriptores rerum Prussicarum. Die Geschichtsquellen der preussischen Vorzeit bis zum Untergange der Ordensherrschaft. Bnd. I Leipzig 1861. Unveränderter Nachdruck Frankfurt a.M. 1965.
- Dusburg, Peter von (1984): S. 27.
- Ebd.
- Die Zitierung weiterführender Quellen folgt hier den Angaben, die die Übersetzer machen. Siehe dazu Anmerkung 1.
- Dusburg, Peter von (1984): S. 27.
- Ders.: S. 29
- Ders.: S. 35.
- Dusburg, Peter von (1984): S. 135.
- Ebd.
- Ders. S. 139
- Ders.: S. 139.
- Ders.: S. 135.
- Ders.: S. 103.
- Ebd.
- Ders. S. 107
Neue Perspektiven einer Kulturgeschichte der Heraldik: Der Blog Heraldica Nova erweitert sein Angebot
Die Jesus Christus zugeschriebenen Wappen in der Hyghalmen Wappenrolle, heute im College of Arms, aus dem 15. Jahrhundert. Quelle: Wikimedia Commons
Von der Geschichtswissenschaft ist die Heraldik lange kaum beachtet worden. Zu sehr, so empfanden Historikerinnen und Historiker, beschränkte sich die Disziplin auf das Systematisieren und Kategorisieren der Quellen, zu wenig bediente die klassische Heraldik die neuen, kulturwissenschaftlichen Interessen der historischen Forschung an den Interpretationen und Konstruktionen vormoderner Gesellschaften. Dabei waren heraldische Zeichen in der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Gesellschaft allgegenwärtig und können deshalb gerade dort vollkommen neue Perspektiven eröffnen, wo die Geschichtswissenschaft historische Diskurse, symbolische und visuelle Kommunikation und Repräsentation zum Ansatz hat und Themen wie Identität und Mentalität, Verwandt- und Gefolgschaft, das Imaginäre oder Gender in den Mittelpunkt stellt.[1]
Chancen und Potenziale einer neuen Heraldik
Die Potenziale heraldischer Quellen für die kulturwissenschaftliche Forschung sind Kern des von der VolkswagenStiftung geförderten Projektes “Die Performanz der Wappen” an der Universität Münster. Dort werden in einem interdisziplinären Vorgehen historische, kunsthistorische und philologische Ansätze zusammengeführt, um der Transmedialität heraldischer Zeichen gerecht zu werden. Physische Abbildungen, Artefakte und Architektur werden dabei ebenso zur Quelle wie die schriftliche Überlieferung zu Wappen. Zum einen soll erforscht werden, wie und inwiefern heraldische Zeichen ein solch omnipräsentes und potentes Mittel visueller Kommunikation der vormodernen Gesellschaft werden konnten. Zum anderen soll herausgestellt werden, wie dieses Kommunikationsmedium im gesellschaftlichen Alltag funktionierte und wie es von den Zeitgenossen – quer durch alle Schichten – verstanden und genutzt wurde. Eine transmediale und interdisziplinäre neue Heraldik soll damit ein omnipräsentes Phänomen mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Kultur und Mentalität erschließen und einen geschichtswissenschaftlichen Beitrag zum fächerübergreifenden Forschungsdiskurs zur visuellen Kultur leisten.
Aktuelle Forschung im Netz
Der Blog Heraldica Nova wurde im Jahr 2013 von Torsten Hiltmann als Präsentations- und Kommunikationsplattform dieser “neuen Heraldik” gegründet. Im Mittelpunkt stand seitdem vor allem der Auf- und Ausbau des Blogs zu einem internationalen Online-Netzwerk für Forscherinnen und Forscher, die sich mit Geschichte und Heraldik befassen und auf dem Blog ihre Forschungsideen und -ergebnisse in eigenen Posts zur Diskussion stellen. Indem aktuelle Arbeiten und laufende Projekte an einem zentralen Ort im Internet zusammengeführt werden, sollen die einzelnen Forschungsvorhaben sichtbar gemacht und miteinander in Kontakt gebracht werden, die sich allmählich zu einer neuen Forschungsrichtung formieren. Mit kompakten und exemplarischen Einzelbeiträgen möchte der Blog dabei zugleich auch mit der breiteren, außeruniversitären Öffentlichkeit über diese neuen Perspektiven auf heraldische Quellen in Dialog treten und Einblick in aktuelle Tendenzen der akademischen Forschung geben.
Seit der Veröffentlichung im vergangenen Jahr blickt der Blog bereits auf eine erfolgreiche Entwicklung zurück: Mehr als 100 Beiträgen gewähren Einsicht in die laufende kulturwissenschaftlich-heraldische Forschung, die von rund 3.000 Besuchern pro Monat gelesen und kommentiert werden. Diese erfolgreiche Entwicklung hat jetzt man zum Anlass genommen, Heraldica Nova weiterzuentwickeln.
Stand anfangs noch die mittelalterliche Heraldik allein im Mittelpunkt, so hat sich gezeigt, dass das Phänomen der Wappen in seiner gesamtgesellschaftlichen Bedeutung keineswegs auf das Mittelalter beschränkt ist.[2] Künstliche Epochengrenzen verstellen den Blick dafür, dass sich die mittelalterliche Heraldik bis weit in das 16. und 17. Jahrhundert kontinuierlich weiterentwickelt hat. Aus diesem Grund lädt der Blog nun auch explizit Forscherinnen und Forscher zur Veröffentlichung ein, die sich mit Heraldik in der Frühen Neuzeit beschäftigen. Auch epochenübergreifende Fragestellungen und Diskussionen sollen so angestoßen werden.
Wegweiser: Forschung, Diskurse, Hilfsmittel
Gerade der Einstieg in die Heraldik – wie der Umgang mit den Hilfswissenschaften überhaupt – hält oft erhebliche Hürden für Interessierte bereit. Hier will der Blog durch Materialien und Ressourcen helfen, die bei den ersten Schritten und grundlegenden Fragestellungen der Heraldik begleiten und in die Erforschung heraldischer Zeichen einführen sollen. So gibt es nun erste Übersichten zu den wichtigsten Zeitschriften und Bibliografien sowie Datenbanken und Werkzeugen, die bei der hilfswissenschaftlichen Bestimmung von Wappen und dem Umgang mit heraldischen Begrifflichkeiten helfen können. Eine stetig wachsende Sammlung digitalisierter Wappenbücher bietet einen direkten Einstieg in eine wichtige Quellengattung der heraldischen Forschung. Den Fortgeschrittenen dienen Überblicke und Rezensionen als Wegweiser im laufenden Forschungsdiskurs.
Vernetzung als Forschungs- und Öffentlichkeitsarbeit
Der Blog Heraldica Nova versteht sich als Plattform, die sowohl Forscherinnen und Forschern als auch Interessierten außerhalb der Wissenschaft einen zentralen Informations- und Kommunikationsort zur heraldisch interessierten Kulturgeschichte bietet. Wer seine eigene Forschung auf dem Blog veröffentlichen und zur Diskussion stellen möchte, dem steht eine redaktionelle Betreuung im Rahmen des Trägerprojektes "Die Performanz der Wappen" an der Universität Münster zur Verfügung. Schließlich sind Leserinnen und Leser ausdrücklich dazu eingeladen, die Beiträge zu kommentieren und zu diskutieren. Im freien Austausch der Leserinnen und Leser mit den Verfasserinnen und Verfassern entwickeln sich so oft fruchtbare Gespräche und wertvolle Impulse für die eigene Forschung, besonders dann, wenn die mitlesende Expertencommunity unmittelbar angesprochen wird und mittels der Kommentarfunktion sofort antworten kann.[3]
Das Medium des Blogs bietet auf diese Weise nicht nur die Möglichkeit zur Vernetzung innerhalb der Fachwelt, er bietet auch die Möglichkeit, die eigene Forschung in der breiteren Öffentlichkeit sichtbar zu machen. Hierfür ist der Blog nahtlos mit anderen Online-Medien vernetzt. Über RSS-Feed und Newsletter können Interessierte ebenso “am Ball bleiben” wie über Twitter, Facebook und Google+.
Adresse des Heraldica Nova-Blogs: http://heraldica.hypotheses.org/
[1] Für eine Einschätzung der bestehenden Historiografie sowie den Potenzialen heraldischer Zeichen für die Forschung, vgl. Torsten Hiltmann, “Heraldry and History – why is there so much and at the same time so little heraldry in historical research?”, in: Heraldica Nova (blog on hypotheses.org), 23. Juli 2013, URL: http://heraldica.hypotheses.org/364 (abgerufen am 19.11.2014).
[2] Vgl. Torsten Hiltmann, Legends in doubt – the end of medieval heraldry in the 17th century: On the continuity of medieval imaginary in early modern thought, Vortrag gehalten im Rahmen der Konferenz "Kontinuitäten | Umbrüche | Zäsuren: Die Konstruktion von Epochen in Mittelalter und früher Neuzeit in interdisziplinärer Sichtung", Krems an der Donau, 14.- 17. Mai 2014.
[3] Vgl. die vielfältigen Reaktionen von Heraldikern und Historikern zu Jörg Schlarb, “Wer kennt mittelalterliche Wappensagen?”, in: Heraldica Nova (blog on hypotheses.org), 11. September 2014, URL: http://heraldica.hypotheses.org/1436 (abgerufen am 19.11.2014).