Jarmila Kašpárková: Gedächtnis und Observanz – die Chroniken des Bernard Sannig für das Klarissenkloster in Znaim (Abstract)

Jarmila Kašpárková (Univerzita Palackého v Olomouci): Gedächtnis und Observanz – die Chroniken des Bernard Sannig für das Klarissenkloster in Znaim 

Abstract des Vortrags bei der Tagung “MONASTICA HISTORIA II: Ordenshistoriographie in Mitteleuropa – Gestaltung und Wandlung des institutionalen und persönlichen Gedächtnisses in der Frühen Neuzeit”, die am 22. und 23. September 2014 im Bildungshaus St. Hippolyt in St. Pölten stattfand.

 
Im Jahre 1687 verließ Bernard Sannig seine Funktion in der böhmischen Franziskanerprovinz und wurde ins Znaimer Franziskanerkloster geschickt. Er war insgesamt zweimal Provinzial (1675–1678, 1685–1687) und übte auch andere Ämter aus. Außerdem schrieb er wichtige theologische Bücher, als Provinzial regte er zu strikter Observanz an und – da er auch das Gedenken wichtig fand – führte eine seiner Entscheidungen zur Entstehung von Chroniken in allen Häusern seiner Provinz.

Im Znaimer Kloster der Minderbrüder, welches mit dem Klarissenkloster verbunden war, lebte Sannig bis zu seinem Tod im Jahre 1704. Während dieser Zeit widmete er den Klarissen viel Zeit. Als Provinzial bearbeitete er für die Schwestern normative Schriften (Auslegung der Regel, Statuten), damit die Klarissen alle tridentinischen Vorschriften befolgen konnten; er schrieb auch liturgische Instruktionen. Jetzt, nach dem Jahr 1687, ordnete Sannig das Archiv des Klosters und begann die Chronik zu schreiben.

In meinem Beitrag konzentriere ich mich auf diese Quelle. Die Chronik von Bernard Sannig gilt als unikale Schrift; die Znaimer Klarissen haben das historische Werk nach dem Jahr 1700 weitergeführt. Das Buch wurde bis zur Aufhebung des Klosters geschrieben. Welche Form nutzte Sannig für seine Einträge und welche Form wählten die Klarissen? Welchen Themen widmete sich Sannig und was wurde von den Schwestern betont? In welchem Sinn und in welcher Weise wurde die Geschichte von Sannig und den Klarissen gebildet?

 
 
Jarmila Kašpárková, Doktorandin am Lehrstuhl für Geschichte an der Palacký Universität in Olomouc. Thema der Dissertation: Klöster Klarissen und Franziskaner-Tertiarinnen in den frühneuzeitlichen böhmischen Ländern. Während des Studiums absolvierte sie Stipendienaufenthalte in der Herzog August-Bibliothek in Wolfenbüttel und in der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien.

Publikationstätigkeit: Klöster der Klarissen und Franziskaner-Tertiarinnen in den Böhmischen Ländern zwischen den Konventualen und Observanten im Laufe der Nachtridentinischen Reformen. In: Frühneuzeitforschung in der Habsburgermonarchie. Adel und Wiener Hof – Konfessionalisiserung – Siebenbürgen. István Fazekas, Martin Scheutz, Csaba Szabó u. Thomas Winkelbauer (Wien 2013) 201-221; mit Martin Elbel, Continuity and Reform: The Znojmo Poor Clares and the Bohemian Franciscan Province in the Early Modern Period. In: Archivum Franciscanum Historicum 105 (2012) 165-196.

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/8164

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Abstracts zur Tagung “Schule und Bildung am Oberrhein in Mittelalter und Neuzeit”

Am 10. und 11. Oktober findet in Neuenburg am Rhein eine von der Abteilung Landesgeschichte in Kooperation mit Dr. Ursula Huggle und der Stadt Neuenburg organisierte Tagung zum Thema “Schule und Bildung am Oberrhein in Mittelalter und Neuzeit” statt. Konzept und Programm wurden bereits hier im Blog veröffentlicht.

Im Vorfeld der Tagung werden nun hier die Abstracts zu den einzelnen Vorträgen veröffentlicht. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie die interessierte Öffentlichkeit können so schon vor der Tagung einen Einblick in einzelne Vorträge erhalten.

Wer nun kurzentschlossen Interesse an der Tagung hat: Eine unangemeldete Teilnahme an der ganzen Tagung oder einzelnen Vorträgen möglich!

Freitag, 10. Oktober 2014

Prof. Dr. Martina Backes (Freiburg i. Br.): „Nuwer sang?“ Die Liebeslieder des Brunwart von Auggen und die Tradition des höfischen Minnesangs am Oberrhein

Alle schuol sint gar ein wint / wan diu schuole al eine, dâ der Minne junger sint…
Alle Schulen taugen nichts außer der Schule, in der die Anhänger der Liebe sind. Die vermittelt solche Künste, dass man ihr den höchsten Rang zugestehen muss.
Es war der Sangspruchdichter Reinmar von Zweter, der in der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts in einem seiner Gedichte die Auffassung vertrat, Minnesang sei nicht nur adliger Zeitvertreib und kultivierte Unterhaltung, sondern die Beschäftigung mit Liebesdichtung könne als zivilisatorische Schule dienen, wie es besser keine gäbe. Der Vortrag wird diesen didaktischen Anspruch der klassischen mittelalterlichen Liebeslyrik, der in einer Zeit, in der es Schulen als Institution nur im Bereich der lateinisch geprägten klerikalen Kultur gab, durchaus provokativ formuliert war, erläutern und vor diesem Hintergrund untersuchen, wie sich die erhaltenen Lieder des Neuenburger Schultheißen Johannes Brunwart von Auggen in die Tradition der höfischen Lyrik und der adligen Konversations- und Redekultur am Oberrhein einordnen lassen, wie ihr Publikum aussah und welche Gebrauchsinteressen Produktion und Rezeption von Minneliedern in der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts in diesem Raum bestimmten.

Prof. Dr. Jörg W. Busch (Frankfurt am Main): Die Schulmeister im „Neuenburger Urkundenbuch“ oder: Wer brachte Mathias von Neuenburg das Lesen und Schreiben bei?

Der Beitrag zeigt zunächst auf, welche Aufschlüsse das Regestenwerk zur Geschichte der Stadt Neuenburg am Rhein über die Rechtskultur in einer Breisgaukleinstadt ermöglicht. Doch vermag es für eine Pfarrschule in der Stadt nur elf Belege zu liefern, die im Hinblick auf den Laienstand der Schulmeister um 1300 und auf die Elementarbildung des berühmtesten Sohnes der Stadt erörtert werden. Wenn Matthias denn einer von ihnen war, erhielt er wie andere Schüler der Neuenburger Pfarrschule im 14. Jahrhundert dort Grund-lagen für den weiteren Bildungsweg vermittelt, kehrte aber nicht in die Stadt Neuenburg am Rhein zurück, was auch andere spätmittelalterliche Schüler in nur seltenen Fällen taten.

Dr. Heinz Krieg (Freiburg i. Br.): Matthias von Neuenburg und seine Chronik

Auf einer Tagung zur Bildungsgeschichte, die in Neuenburg stattfindet, darf ein Beitrag zu Matthias von Neuenburg nicht fehlen. Ähnlich wie auch bei anderen mittelalterlichen Menschen wissen wir über diesen bedeutenden Sohn der Stadt, der vor 1300 geboren wurde und vor 1370 verstorben ist, aber nur vergleichsweise wenig Gesichertes. Dennoch erlangte er Berühmtheit als Geschichtsschreiber, dessen Chronik als eine der wichtigsten erzählenden Quellen zur Reichsgeschichte und zur südwestdeutschen Landesgeschichte des 14. Jahrhunderts gilt. Demgemäß steht im Vortrag neben der Person des Autors vor allem sein Werk im Mittelpunkt, dessen Eigenart vor dem Hintergrund der typischen Merkmale mittelalterlicher Geschichtsschreibung näher beleuchtet werden soll.

Prof. Dr. Thomas Zotz (Freiburg i. Br.): Lateinschulen am südlichen Oberrhein in Spätmittelalter und früher Neuzeit

Die Schullandschaft am südlichen Oberrhein weist im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit eine Vielzahl von Lateinschulen auf, in den großen Bischofsstädten Basel und Straßburg, in Städten mittlerer Größe wie Colmar, Schlettstadt oder Freiburg bis hin zu kleineren Städten vom Schlage Breisachs oder Kenzingens. Die Trägerschaft einer Lateinschule war anfangs ein Stift, Kloster oder die Pfarrkirche, später ging sie in die Hand der Stadtgemeinde über. Der Vortrag will nach einem Gesamtüberblick am Beispiel von Freiburg und vor allem Schlettstadt die Entwicklung und Merkmale oberrheinischer Lateinschulen nachzeichnen; für die außerdem interessierenden Aspekte von Unterricht und Alltag wird es erforderlich sein, Beispiele aus anderen Gegenden ergänzend heranzuziehen.

Dr. Lorenz Heiligensetzer (Basel): Erasmus, Amerbach und die Basler Studentenschaft

Wer in der noch mehrheitlich analphabeten Vormoderne ein Studium ergriff, verfolgte einen besonderen Lebensweg. Als Studierender hatte er Anteil an den akademischen Freiheiten, beherrschte die Fachsprache Latein und konnte ausländische Universitäten besuchen; dagegen plagten die damaligen Studenten oft Geldnöte und eine insgesamt unsichere Existenz. Um letzterem abzuhelfen, bestand in Basel schon früh der von Erasmus von Rotterdam (?–1536) hinterlassene Stipendienfonds, aus dem dessen Verwalter Bonifacius (1495–1562) und Basilius Amerbach (1533–1591) zahllosen einheimischen wie auswärtigen Studenten Unterstützung gewährte. Das Referat widmet sich den Umständen, die zur Gründung der Stiftung führten, und zeigt dank der erhaltenen Protokolle der Stiftung auf, wie sie organisiert war und welche Gruppen daraus bedacht wurden. Letzteres erfolgt anhand einiger Fallbeispiele.

Abendvortrag: Prof. Dr. Felix Heinzer (Freiburg i. Br.): Wissen und Weisheit im Frauenkloster. Der Hortus Deliciarum Herrads von Hohenburg als Zeugnis hochmittelalterlicher Bildungsgeschichte

Die im ausgehenden 12. Jahrhundert auf dem Odilienberg unter Herrad von Hohenburg entstandene, 1870 bei der Beschießung Straßburgs vernichtete Handschrift des Hortus Deliciarum gehört zu den faszinierendsten Zeugnissen oberrheinischer Buchkultur des Hochmittelalters. Vor allem die über 300 Miniaturen und ihre komplexen Bezüge zu den textlichen Elementen der Handschrift stehen seit jeher im Zentrum der Beschäftigung mit Herrads Werk, das über Zeichnungen und Reproduktionen des frühen 19. Jahrhunderts zumindest indirekt zugänglich geblieben ist.
Mein Vortrag beschäftigt sich insbesondere mit den zahlreichen diagrammatischen „Text-Bilder“ im Hortus und fragt nach deren Funktion. Offenbar reduziert sich diese nicht nur auf eine verstehende Wahrnehmung der durch das Medium des Diagramms vermittelten Inhalte. Eigentliches „Lern-Ziel“ ist vielmehr deren Interiorisierung durch den Leser und Betrachter, d.h. pointiert formuliert: die „Ein-Bildung“ des Abgebildeten im Sinne seiner existentiellen Aneignung. So gesehen lässt sich der Hortus in der Tat als ein bedeutendes Zeugnis der Geschichte von Bildung unseres Raums lesen und deuten – einer Bildung freilich, die gegenüber modernen Konzepten von Lernen und Verstehen dezidiert anderen Spielregeln folgt.

Samstag, 11. Oktober 2014

Prof. Dr. Dieter Speck (Freiburg i. Br.): Schulen als politische Instrumente? Frühneuzeitliche Bildungsinitiativen am Oberrhein

Schulen bezeichnete Maria Theresia 1774 im Zusammenhang mit neuen Lehrplänen und ihrer Schulreform als Politikum. Schule wurde vom absolutistischen Staat als seine Aufgabe verstanden, in der frühen Neuzeit war es noch etwas anders. Damals sahen die Humanisten den Oberrhein als einen kulturell führenden Raum, in dem der Buchdruck erfunden worden war, wo es zahlreiche Schulen und Universitäten gab und der nach ihrer Meinung eine „pädagogische Landschaft“ war. Das Schulwesen war heterogen, sehr vielfältig und wurde im Verlaufe des 16. Jahrhunderts noch weitaus facettenreicher. Es bildeten sich jedoch kein Schulsystem, keine Schulpflicht, keine verpflichtenden Lehrpläne, keine verbindliche Verweildauer, keine Abschlussprüfungen oder Zugangsberechtigungen für Universitäten aus, Schulbildung und Universitäten waren ungenügend aufeinander abgestimmt. Reformation und Konfessionalisierung hatten auf das Schulwesen – und auch umgekehrt – beträchtliche Auswirkungen und so waren Schulen auch im politischen Fokus. Dazu sollen aus dem Oberrheinraum vier Beispiele unterschiedlichster Art aus Freiburg, Krozingen, Ensisheim und Rappoltsweiler vorgestellt werden. Die politische Tragweite aller dieser individuell, konfessionell und konzeptionell unterschiedlichen Schul- und Bildungsinitiativen im Zeitalter von Reformation, katholischer Reform und Konfessionalisierung ist offensichtlich. Wie Visitationen und Kirchenzucht waren sie alle typische Instrumente bei der Umsetzung der Konfessionalisierung. Die vorgestellten Beispiele am Oberrhein sind exemplarische Zeugnisse des Interesses an der Kindheit und eines nicht immer gradlinig verlaufenden Entwicklungsstranges, der längerfristig in einem staatlichen Schulwesen mündete und modellhaft für die Erziehungs- und Bildungsgeschichte des 16. Jahrhunderts steht.

Eric Ettwiller (Straßburg/Strasbourg): Die Germanisierung des elsässischen Bürgertums durch das höhere Mädchenschulwesen 1871–1918

Für das Verständnis der Situation vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs ist es nötig, ein Bild der europäischen Gesellschaft vor dem Krieg zu zeichnen, besonders im Hinblick auf Minderheiten. Die Historiker befassen sich damit, auch in Bezug auf Elsass-Lothringen. Eine besondere Gruppe stellen die Elsässer dar, eine deutschsprachige Bevölkerung, die von 1871–1918 im deutschen Kaiserreich lebte. Die zweisprachige gehobene Gesellschaftsschicht entwickelte durch ihre Zugehörigkeit zur französischen Nation vor der Annektierung eine fremdartige Einstellung. Ich interessiere mich daher für den Teil des elsässischen Bürgertums, der am schwierigsten vom Staat zu erreichen war: die Frauen, die in der Privatsphäre lebten und die großenteils in privaten Mädchenschulen erzogen wurden.
Neben dem einheimischen Bürgertum entstand nach 1871 aber auch ein neues gehobenes Bürgertum, Beamte und Offiziere aus dem sogenannten Altdeutschland. Die Töchter derselben befanden sich im ersten Jahr nach der Annektierung in einer schwierigen Lage. Ihnen standen keine städtischen höheren Töchterschulen zur Verfügung, sondern nur französisch gesinnte Privatinstitute. Um ihnen ebenfalls eine Schulbildung zu ermöglichen, beabsichtigte die deutsche Regierung 1872, private elsässische Pensionate in halböffentliche, später in städtische deutsche höhere Töchterschulen umzubilden. Darüber wurde nun in politischen Gremien verhandelt; im Landesausschuss debattierte man über Subventionierung und in den Rathäusern über Gründungs- oder Kommunalisierungsprojekte. Zuständig war nun die Schulverwaltung, das heißt der Oberschulrat für Elsass-Lothringen. Die öffentlichen höheren Mädchenschulen mussten sich gegen den mächtigen katholischen Klerus zur Wehr setzen, bevor sich die Verhältnisse besserten. Eine Studie über die Herkunft des Lehrpersonals soll uns einen Hinweis über die Stärke der vaterländischen Stimmung in jeder einzelnen Anstalt vermitteln. 1914 war die Germanisierung teilweise erreicht.

Prof. Dr. Eckhard Wirbelauer (Straßburg/Strasbourg): Eine Reichsuniversität in Straßburg? Konzepte für die Universitätsgründung nach dem Deutsch-Französischen Krieg (1870/71)

Noch während der kriegerischen Auseinandersetzungen 1870/71, die unter anderem die Zerstörung der Straßburger Bibliothek und ihrer reichen Bestände zur Folge hatten, begannen Überlegungen, wie die lange akademische Tradition in Straßburg fortgeführt werden sollte. Dabei trafen nationalistische und regionalistische, ja sogar transnationale Konzeptionen aufeinander.
Der Beitrag will diese Diskussionen nachzeichnen und offenlegen, welche Leitlinien bei der von Bismarck initiierten Neugründung der Universität Straßburg verfolgt wurden. Insbesondere soll dabei herausgearbeitet werden, ob und inwieweit die neue Einrichtung als „Reichsuniversität“ qualifiziert werden kann.

Prof. Dr. Wolfgang Hug (Freiburg i. Br.): Reformstufen der Lehrerbildung in Baden

Die professionelle Lehrerbildung entstammt (wie die allgemeine Schulpflicht) dem Geist und dem politischen Willen der Aufklärung. Am Anfang stand hier die 1774 in Freiburg gegründete Normalschule in Freiburg. Wie und wofür die Lehrer qualifiziert wurden, war eng mit dem Wandel von Staat und Gesellschaft verbunden. Im Zuge der Säkularisation wurde die Lehrerbildung verstaatlicht, im Großherzogtum Baden mit den Lehrerseminaren Rastatt (1835 Ettlingen) und Karlsruhe, die im Geiste Pestalozzis geführt wurden. Eine Demokratisierung in der 1848er Revolution wurde in der Reaktionszeit gebremst. Eine Neustrukturierung der badischen Lehrerbildung modernisierte 1904 die (schul-)fachliche und pädagogische Qualifikation und bewirkte eine zunehmende Verbürgerlichung des Lehrerstandes. In der Weimarer Republik schuf Baden 1926 fortschrittliche, halb-akademische, konfessionell getrennte Lehrerbildungsanstalten. Nach ihrer Schließung in der Weltwirtschafts- und Staatskrise von 1932 errichtete die NS-Regierung 1936 eine badische „Hochschule für Lehrerbildung“ in Karlsruhe, deren NS-Pädagogik maßgeblich von Ernst Krieck (geb. in Müllheim) bestimmt war. 1946 ordnete die französische Militärregierung die Lehrerbildung zur Re-Education neu: Pädagogien führten Volksschulabsolventen in vier Jahren ohne Abitur zum Studium an der in Lörrach eingerichteten Pädagogischen Akademie. 1949 erreichte die CDU-dominierte Regierung von (Süd)-Baden ihre Trennung in konfessionelle Akademien in Lörrach und Freiburg. 1962 errichtete Baden-Württemberg die Pädagogischen Hochschulen mit Abitur als Studienbedingung und Hochschulstatus des Lehrkörpers.

Dr. Torsten Gass-Bolm (Freiburg i. Br.): Das Ende der Penne. Bildungsreform und gesellschaftlicher Wandel in der Bundesrepublik am Beispiel (süd-) west-deutscher Gymnasien 1945–1980

1968 sei ein entscheidender Einschnitt in der Geschichte der Bundesrepublik – diese Überzeugung teilen die Anhänger der Studentenbewegung, die in diesem Jahr den notwendigen Aufbruch aus starren, autoritären Strukturen sehen, mit ihren Gegnern, die in 1968 einen Einbruch in die heile Nachkriegswelt und den Beginn eines bis heute wirkenden Kulturverfalls erblicken. Im Vortrag soll am Beispiel des Gymnasiums – insbesondere Gymnasien am Oberrhein – gezeigt werden, dass am Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre zwar unbestritten ein Kulminationspunkt gesellschaftlichen Wandels war, dass die Wandlungsprozesse aber deutlich früher und oftmals wenig beachtet begannen und sich auch erst in kontroversen Aushandlungsprozessen der 70er und frühen 80er Jahre festigten.
Das Gymnasium der 50er Jahre verstand sich als elitärer Hort konservativer Werte. Bildung, Abendland, Christentum, traditionelle Konzepte von Erziehung, Gesellschaft und Geschlechterrollen sollten Bollwerke gegen die als feindlich wahrgenommene Moderne sein. Hier knüpfte das Gymnasium an Konzepte des 19. und frühen 20. Jahrhunderts an. Die durchaus schon in der direkten Nachkriegszeit vorhandenen Reformkonzepte waren zunächst kaum durchzusetzen. Am Ende der 50er, insbesondere seit Beginn der 60er Jahre setzte ein Wandel ein – und dies auf vielen Gebieten. Statt die höhere Schule klein und elitär zu halten, wurde die Bildungsexpansion zunehmend gefördert. Erziehungskonzepte liberalisierten sich bereits vor 1968, die Geschlechtertrennung wurde zumeist aufgehoben. Der konservative Bildungsbegriff veränderte sich zu einem aufgeklärten. Statt Rezeption „ewig gültiger Werte“ wurde sukzessive der kritischen Auseinandersetzung Raum gegeben, im Deutschunterricht zog Bertolt Brecht ein.
Im Zuge der Studentenbewegung, die auch eine Schülerbewegung war, erreichten die Veränderungen ein atemberaubendes Tempo, eine Dynamik, der sich keine Schule entziehen konnte. Die bisherige Bereitschaft zur Reform mündete nicht selten in die generelle Infragestellung aller bisherigen Formen, von der Abiturfeier über die Goethe-Lektüre bis hin zur Existenz des Gymnasiums selbst. Hier endete auch die überraschend hohe Übereinstimmung, die die politischen Lager trotz aller Aufgeregtheit und Kontroversität in der Bereitschaft zur Veränderung miteinander verbunden hatte. Anfang der 70er Jahre kam es zur Spaltung zwischen denjenigen, die die Reformen weiter treiben wollten, und denjenigen, die sie anhalten oder zurückdrehen wollten. In diesen Auseinandersetzungen, die Züge eines Kulturkampfes annahmen, kam das Rad der Reform einerseits zum Stehen, andererseits wurden die in den Jahren zuvor erworbenen Veränderungen gefestigt, sei es in der Oberstufenreform 1972, der Ausweitung der Mitbestimmung der Schüler oder in der Ausbildung eines neuen Schüler-Lehrer-Verhältnisses. Bis ans Ende des Jahrzehnts hatte sich das Gymnasium neu definiert; es hat überlebt, ist aber nicht mehr die „Penne“ früherer Tage. Dieser Liberalisierungsprozess soll an Beispielen skizziert werden.

Quelle: http://oberrhein.hypotheses.org/699

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Wie Elisabeth heilig wurde. (Teil 2)

Fortsetzung von Wie Elisabeth heilig wurde. (Teil 1)

Im Laufe der Kirchengeschichte ist es eigentlich immer schwieriger geworden, jemanden offiziell von Rom aus als heilig anerkennen zu lassen. In den ersten drei Jahrhunderten wurde praktisch jeder automatisch heilig, der im Namen des Christentums gefoltert und ermordet worden ist. Dieser Automatismus löste aber durchaus das Bedürfnis nach Regulierung von Seiten der Kirchenoberen aus. Man überprüfte bereit im 5. Jahrhundert, soweit möglich, die Identitäten der verehrten Märtyrer und ob es sich bei Ihnen auch wirklich um wegen ihres Glaubens ermordete handelte.[1]

Der Kult um Heilige im einfachen gläubigen Volk wurde auch Thema im 2. Konzil von Nicäa im Jahr 787. Dort legte man fest, dass Anbetung allein Gott zustünde (adoratio) und Heilige ausschließlich verehrt werden dürften (veneratio). Der Heilige nimmt so eine Art Mittlerrolle zwischen den Menschen und Gott ein und Gott wirkt dann die Wunder. Nun hatte dieses Dogma aber auf die Volksfrömmigkeit damals keinen Einfluss. Für die Leute ist der Heilige in seinem Grab bzw. in seinen Reliquien real präsent und es ist der Heilige der hilft, heilt oder straft.[2]

Ab dem 8. Jahrhundert wurde es allgemein üblich, dass man Heilige aus ihren Gräbern „erhob“ und diese entweder im Altar oder darauf in kostbaren Schreinen zur Verehrung ausstellte. Bei Heiligen, die keine Märtyrer der Christenverfolgung waren, bildete diese `Elevatio´, die `Erhebung´ eine Art Heiligsprechung  `per viam cultus´. Das Verfahren bildete eine eigene Liturgie, die von den örtlichen Bischöfen und immer auch im Beisein des Adels durchgeführt worden ist.[3]

Im Hohen Mittelalter wurden die Hürden, heilig zu werden, noch einmal verschärft. Es waren von nun an allein die Päpste, die jemanden nach eingehender Prüfung heilig sprechen konnten. Das ist auch heute noch so. Als erster Heiliger wurde Ulrich von Augsburg 993 durch Johannes XV heilig gesprochen.[4]

Bereits in diesen frühen Heiligsprechungsverfahren waren die wesentlichen Beweise für die Heiligkeit die Wunder, die auf den oder die Heilige zurückgehen sollen. Diese Wunder mussten auch glaubwürdig bezeugt werden.[5] Nun ist das so eine Sache mit den Wundern. In unserer Zeit mit weit entwickelten Naturwissenschaften ist die Wundergläubigkeit des Mittelalters schwer verständlich. Aber wenn man keine Erklärung für ein Phänomen oder eine spontane Genesung eines blinden Kindes etc. hat, führten es die Menschen auf ein Wunder zurück. Das war nun einmal so. Und diese Wunder waren dann Beweise für eine eventuelle Heiligkeit, vorausgesetzt, diese sind auch möglichst von mehreren Zeugen bestätigt worden.

Zurück zu Elisabeth von Thüringen. Kurz nach Elisabeths Tod schrieb Konrad von Marburg an Gregor IX einen Brief, dem er eine kurze Lebensbeschreibung Elisabeths, heute unter dem Namen `Summa vitae´ bekannt, und eine Zusammenstellung von Wundern beilegte. Papst Gregor beauftragte daraufhin eine Art Kommission, die die Zeugen der Wunder, aber auch des heiligmäßigen Lebens Elisabeths untersuchen sollten. Diese Kommission bestand aus dem Erzbischof Siegfried von Mainz, Abt Raimund von Eberbach und Konrad von Marburg, Elisabeths spirituellen Mentor.[6]

Dieses Verfahren kam allerdings in Stocken, weil Konrad 1233 in Beltershausen, unweit von Marburg, umgebracht worden ist. Historiker gehen davon aus, dass er es mit seiner Ketzerverfolgung womöglich etwas übertrieben hat. Aber das ist eine andere Geschichte.

Es wurde also eine neue Kommission eingesetzt, bestehend aus Konrad von Hildesheim, Abt Hermann von Georgenthal und Abt Ludwig von Hersfeld, welche nun die Zeugenberichte zusammenstellen sollten und auch taten.[7]

Bereits 1235 wurde die Kanonisationsurkunde von Papst Gregor IX ausgestellt und ein Jahr später fand die feierliche Elevatio, die Erhebung der Reliquien Elisabeths unter Anwesenheit Kaiser Friedrich II aus ihrem Grab statt.

Das Verfahren wurde von Seiten Papst Gregors IX auffällig schnell abgewickelt. Gregor IX hatte nämlich ein politisches Interesse daran, die wichtigsten Persönlichkeiten der neuen Bettelordensbewegung heilig zu sprechen, denn diese war außerordentlich erfolgreich in ihrer Ausbreitung nördlich und südlich der Alpen. Für den Papst stand Elisabeth von Thüringen nämlich in einer Reihe mit Franziskus von Assisi, Antonius von Padua und Dominikus.[8]

Neben der Kurie in Rom hatten auch die Landgrafen von Thüringen ein Interesse, dass eine Angehörige ihrer Familie als Heilige verehrt wird, denn das konnte auch politisch nützlich sein. Das Hospitalgelände in Marburg war kurz vor der Heiligsprechung dem damals in seiner Blüte befindlichen Deutschen Orden übergeben worden. Dieser begann 1235 damit, eine gotische Kirche über dem Grab Elisabeths zu errichten, einem der frühesten rein gotischen Bauten auf deutschsprachigem Gebiet, der Elisabethkirche zu Marburg. Auch der Deutsche Orden hatte ein Interesse an einer Heiligsprechung Elisabeths, mehr aber noch an einer anhaltenden Elisabethverehrung durch die Gläubigen. Denn das schönste und prunkvollste Mausoleum, der prächtigste Reliquienschrein sind überflüssig, wenn die Gläubigen sich nicht dafür interessieren und sie die Kirche nicht besuchen.Und nebenbei bemerkt war, wie heute der Tourismus, damals das Pilgerwesen ein ein einträglicher Wirtschaftsfaktor.[9]

Und damit kommen wir zum Kernpunkt von Heiligkeit, es ist in erster Linie Volksfrömmigkeit. Es ist der Glaube der Menschen an die Wunder und an die Hilfe der heilige Elisabeth.[10] Die Verehrung der heiligen Elisabeth ist bis heute ungebrochen, auch wenn sich diese im Laufe der Zeit wandelte und inzwischen über die Konfessionsgrenzen hinweg reicht.

[1] J. Leinweber, Das kirchliche Heiligsprechungsverfahren bis zum Jahre 1234. Der Kanonisationsprozeß der hl. Elisabeth von Thüringen, in: Philips-Universität Marburg in Verbindung mit dem Hessischen Landesamt für geschichtliche Landeskunde (Hrsg.), Sankt Elisabeth. Fürstin Dienerin Heilige (Sigmaringen 1981) 128

[2] S. Komm, Heiligengrabmäler des 11. und 12. Jahrhunderts in Frankreich. Untersuchungen zu Typologie und Grabverehrung (Worms 1990) 126

[3] A. Angenendt, Heilige und Reliquien. Die Geschichte ihres Kultes vom frühen Christentum bis zur Gegenwart (München 1994) 173-174

S. Beissel, Die Verehrung der Heiligen und ihrer Reliquien in Deutschland im Mittelalter (Nachdruck  Darmstadt 1983) 106-111

[4] J. Leinweber, Das kirchliche Heiligsprechungsverfahren bis zum Jahre 1234. Der Kanonisationsprozeß der hl. Elisabeth von Thüringen, in: Philips-Universität Marburg in Verbindung mit dem Hessischen Landesamt für geschichtliche Landeskunde (Hrsg.), Sankt Elisabeth. Fürstin Dienerin Heilige (Sigmaringen 1981) 128-129

[5] M. Wehrli-Johnes, Armenfürsorge, Spitaldienst und neues Büßertum in den frühen Berichten über das Leben der heiligen Elisabeth, in: D. Blume- M. Werner, Elisabeth von Thüringen. Eine europäische Heilige (Petersberg 2007) 153

[6] P. G. Schmidt, Die zeitgenössische Überlieferung zum Leben und zur Heiligsprechung der heiligen Elisabeth, In: Philips-Universität Marburg in Verbindung mit dem Hessischen Landesamt für geschichtliche Landeskunde (Hrsg.), Sankt Elisabeth. Fürstin Dienerin Heilige (Sigmaringen 1981) 1-6

[7] J. Leinweber, Das kirchliche Heiligsprechungsverfahren bis zum Jahre 1234. Der Kanonisationsprozeß der hl. Elisabeth von Thüringen, in: Philips-Universität Marburg in Verbindung mit dem Hessischen Landesamt für geschichtliche Landeskunde (Hrsg.), Sankt Elisabeth. Fürstin Dienerin Heilige (Sigmaringen 1981) 131

[8] O. Krafft, Papsturkunde und Heiligsprechung. Die päpstlichen Kanonisationen vom Mittelalter bis zu Reformation. Ein Handbuch. Archiv für Diplomatik. Schriftgeschichte Siegel und Wappenkunde Beiheft 9 (Köln 2005) 416-419/ M. Werner, Mater Hassiae B Flos Ungariae B Gloria Teutoniae, in: J. Petersohn (Hrsg.) Politik und Heiligenverehrung im Hochmittelalter (Marburg 1994) 450-452

[9] B. Demel, Die heilige Elisabeth von Thüringen Patronin des Ordens, in: Archiv Kirchengesch. Böhmen-Mähren-Schlesien 12, 1993, 80

[10] W. Brückner, Zu Heiligenkult und Wahlfahrtswesen im 13. Jahrhundert. Einordnungsversuch der volksfrommen Elisabeth-Verehrung in Marburg, in: Philips-Universität Marburg in Verbindung mit dem Hessischen Landesamt für geschichtliche Landeskunde (Hrsg.), Sankt Elisabeth. Fürstin Dienerin Heilige (Sigmaringen 1981) 119-124

Quelle: http://minuseinsebene.hypotheses.org/1069

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Kulturgeschichte Chinas im Netz (VII): The Chinese Experience

The Chinese Experience – angesiedelt auf den Seiten der University of Maine at Farmington und betrieben von Marilyn Shea (Department of Psychology) – bietet schon durch eine reichhaltigen Bibliographien (China Bibliography. Collections of Resources) weiterführende Informationen zur Kulturgeschichte Chinas: Die Themen Buddhismus, Kunst, Kunst und Gesellschaft, Kalligraphie  werden ebenso berücksichtigt, wie der Bereich Stadt und Urbanisierung.

Ein weiterer – reich bebilderter – Bereich der Seite orientiert sich an den geographischen Gegebenheiten Chinas. Vor allem die Große Mauer (Great Wall, Great Wall Pictures), Beijing (Historic Beijing, Beijing History through Pictures, Modern Beijing Culture), Xi’an (vgl. auch Xi’an in Pictures) und Shanghai (Modern Shanghai and the Bund, Historic Shanghai Region) werden dabei hervorgehoben.

Weitere Informationen zur Kunst- und Kulturgeschichte Chinas folgen einer thematischen Ordnung:

Neben einem Beispiel für das Werk des Dichters Bei Dao (The Poetry of Bei Dao) und für das Werk des Kalligraphen Deng Jing Ren (Calligraphy by Deng Ling Ren), wird eine Auswahl von Exponaten chinesischer Bronzekunst präsentiert, die 2004 im National Museum of China (Beijing) gezeigt wurden (Chinese Bronzes). Eindrücke von der Geschichte und Entwicklung chinesischer Malerei vom 7. bis ins späte 19. Jahrhundert werden mit einer Auswahl von Werken aus den Beständen des Shanghai Museum vermittelt (Painting: Tang-Qing). Die Bestände des Shanghai Museum bilden auch die Grundlage für die Veranschaulichung der Entwicklung der chinesischen Kalligraphie von den Anfängen bis zum Ende der Kaiserzeit (Calligraphy: Shang-Qing) sowie für ausgewählte Beispiele zu Möbelkunst und Wohnkultur zur Zeit der Ming-Dynastie (1368-1644; vgl. Ming Dynasty Furniture). Die im Nationalen Kunstmuseum in Beijing bis Februar 2008 gezeigte Ausstellung liegt dem Abschnitt über chinesische Drachen zugrunde (99 Chinese Kites). Jade-Objekte (Chinese Jade) aus dem Capital Museum (Beijing) sowie ein historischer Längsschnitt durch die Bestände des Historischen Museums der Provinz Shaanxi (Shaanxi History Museum) runden die sehr informative Seite ab.

Die ersten sechs Teile dieser Serie:

Kulturgeschichte Chinas im Netz (I)
Kulturgeschichte Chinas im Netz (II)
Kulturgeschichte Chinas im Netz (III)
Kulturgeschichte Chinas im Netz (IV): Vier Jahre “Bibliotheca Sinica 2.0.”
Kulturgeschichte Chinas im Netz (V): Die “Stanford Encyclopaedia of Philosophy”
Kulturgeschichte Chinas im Netz (VI): Das China Online Museum

 

 

Quelle: http://wenhua.hypotheses.org/1423

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Vortrag: Sarah Pichlkastner, Spital mit Wirtschaftsbetrieb oder Wirtschaftsbetrieb mit Spital? (15. 10. 2014)

Im Rahmen der Vortragsreihe „Geschichte am Mittwoch“ des Instituts für Geschichte der Universität Wien und zugleich des Jour fixe des Instituts für die Erforschung der Frühen Neuzeit wird Sarah Pichlkastner, wissenschaftliche Mitarbeiterin des FWF-Forschungsprojekts „Personal, Insassen und Organisationsform des Wiener Bürgerspitals in der Frühen Neuzeit“ am Institut für Österreichische Geschichtsforschung, am 15. Oktober 2014 vortragen zum Thema:

„Spital mit Wirtschaftsbetrieb oder Wirtschaftsbetrieb mit Spital? Einblicke in die Strukturgeschichte des Wiener Bürgerspitals in der Frühen Neuzeit“

Wiener Bürgerspital ca. 1770

Das Areal des Wiener Bürgerspitals kurz vor dem Umbau in ein Zinshaus auf dem zwischen 1769 und 1773 vom Obristwachtmeister Joseph Daniel Huber angelegten Vogelschauplan im Maßstab 1:1440 (Kupferstich von Jakob Wagner, J. Eberspach, C. G. Kurtz und Jacob Adam, 1778; Quelle: Privatarchiv Martin Scheutz)

Das auch im Veranstaltungskalender des IEFN publizierte Abstract zum Vortrag lautet:

Das Mitte des 13. Jahrhunderts gegründete Wiener Bürgerspital bildete in der Frühen Neuzeit die zentrale Armen- und Krankenversorgungseinrichtung der Stadt. Der im 19. Jahrhundert abgerissene riesige Gebäudekomplex erstreckte sich zwischen Kärntner Straße, Neuem Markt, Lobkowitzplatz, Albertina und dem heutigen Hotel Sacher. Die überlieferten Archivalien und dabei vor allem die erhaltenen Rechnungsbücher des frühneuzeitlichen Wiener Bürgerspitals vermitteln den Eindruck, dass es sich dabei um einen umfangreichen Wirtschaftsbetrieb handelte, der sozusagen als soziale Verpflichtung nebenbei noch ein Spital führte. Mittelalterliche und frühneuzeitliche Spitäler wurden jedoch anders als heute nicht aus der öffentlichen Hand beziehungsweise über Versicherungen unterstützt, sondern finanzierten sich selbst: Von den Gründern und späteren WohltäterInnen mit umfangreichem Besitz und Einnahmequellen ausgestattet, war das Wiener Bürgerspital Wein- und Bierproduzent, Ackerbauer, Grundherr, Kreditgeber und vieles mehr. Der Vortrag soll erste Ergebnisse der derzeit laufenden strukturgeschichtlichen Untersuchung zum Wiener Bürgerspital vorstellen und gleichzeitig einen Ausblick auf die im Anschluss geplante tiefgehende Untersuchung zu InsassInnen, Personal und innerer Organisation geben.

Die Veranstaltung wird von Anton Tantner moderiert. Sie beginnt um 18.30 Uhr im Hörsaal 45 im Hauptgebäude der Universität Wien.

Quelle: http://bioeg.hypotheses.org/173

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Kultureinrichtung oder selbstverwaltetes Arbeiterjugendzentrum? Der Streit um die „Fabrik“ in Hamburg-Ottensen 1973

David Templin Am 17. Februar 1973 eskalierte eine bereits mehrere Wochen andauernde Auseinandersetzung um die Zukunft des alternativen Kultur- und Kommunikationszentrums „Fabrik“ im Hamburger Stadtteil Ottensen (Bezirk Altona). Rund 200 Jugendliche, Fabrik-Mitarbeiter und Mitglieder kommunistischer Gruppen versuchten die Einrichtung zu … Weiterlesen

Quelle: http://netzwerk.hypotheses.org/2093

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Serge Schmid: Die Erinnerung der Gegenwart. Identitätskonstruktionen in den Chroniken des Deutschen Ordens (Abstract)

Serge Schmid (Universität Trier): Die Erinnerung der Gegenwart. Identitätskonstruktionen in den Chroniken des Deutschen Ordens 

Abstract des Vortrags bei der Tagung “MONASTICA HISTORIA II: Ordenshistoriographie in Mitteleuropa – Gestaltung und Wandlung des institutionalen und persönlichen Gedächtnisses in der Frühen Neuzeit”, die am 22. und 23. September 2014 im Bildungshaus St. Hippolyt in St. Pölten stattfand.

 
1525 wandelte der Hochmeister des Deutschen Ordens, Albrecht I. von Brandenburg-Ansbach, das preußische Deutschordensgebiet in ein weltliches Herzogtum unter der Führung des polnischen Königs Sigismund I. um. Aufsehenerregend war dieser Akt zum einen, weil die preußischen Lande ein geschlossenes Ordensgebiet des Deutschherrenordens bildeten und damit auch Kerngebiet seines Handelns darstellten, zum anderen, da Albrecht I. zugleich die Konfession wechselte. Damit endete das fast 300jährige Engagement des Ordens in den betreffenden Gebieten, das sowohl vom Papsttum als auch vom Kaiserreich unterstützt wurde. Dieses Engagement zeigt sich nicht nur in den baulichen Hinterlassenschaften und dem Aufbau einer kirchlichen Verwaltung in den Ländereien, sondern auch in der Chronistik des Ordens.

Der Vortrag geht von den Ergebnissen der bisherigen Identitätsforschung zu den Chroniken des Deutschherrenordens aus. Dabei bindet er auch die Ergebnisse bereits erfolgter eigener Forschung zu diesen Fragen mit ein. Im Kern sind damit die Statuten und die frühesten Chroniken des Ordens angesprochen. Der Vortrag verwendet als theoretischen Hintergrund das Konzept der organizational identity in der Gestalt S. Alberts und D. Alldreds. Dabei wird herausgearbeitet, dass in den Statuten eine Entindividualisierung des Ordensmitgliedes vorgenommen wird, während in den Chroniken, ausgehend von der Livländischen Reimchronik (Ende 13. Jh.) über die Chronica terre Prussie des Peter von Dusburg (beendet ca. 1326) hin zu ihrer Übertragung durch Nikolaus von Jeroschin (ca. 1336), eine zunehmende Individualisierung zu erfassen ist. Dadurch wird das Individuum zunehmend in den Orden als Träger desselben eingebunden. Zugleich wird die Leistungsfähigkeit des Individuums gegenüber dem Orden angesprochen und nicht etwa der Orden als Begründung des Individuums angesehen.

Der Vortrag baut auf diesen Ergebnissen auf und untersucht die Identitätskonstruktionen zweier späterer Chroniken, der sogenannten Chronik der vier Orden  von Jerusalem (nach 1489) und der sogenannten Jüngeren Hochmeisterchronik (beendet 1495).

Der Vortrag arbeitet die Entwicklungslinien heraus, die, trotz der großen zeitlichen Spanne, zu erkennen geben, dass das anzusprechende Individuum nicht mehr in den Orden geführt werden kann und eine geistige Krise des Ordens in Bezug auf eine gemeinsame Identität verortet werden muss.

 

Serge Schmid, geb. 22.11.1983 in Hildesheim, 2004 Abitur in Koblenz, 2006-2014 Studium der Germanistik und Philosophie an der Universität Trier (1. Staatsexamen). Abschlussthema: Identitätsstiftung in der Deutschordensdichtung.

Seit 2014 Dissertation.

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/8143

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Wie Elisabeth heilig wurde. (Teil 1)

Im heutigen Bistum Görlitz, zu dem meine Heimatstadt Cottbus gehört, ist es üblich, dass sich die jungen Katholiken zu ihrer Firmung, im Alter von 14 oder 15 Jahren, auch intensiv mit Heiligen auseinandersetzen. Jede und jeder Jugendliche sollte sich in seiner Vorbereitung eine Heilige bzw. einen Heiligen aussuchen, die oder der dann als eine Art spirituelle Inspiration und für manche sogar zum Vorbild wird. Den Namen dieses Heiligen nimmt man als Firmnamen an. Ich entschied mich dann für Johanna von Orleons, obwohl ich weder Stimmen hörte, noch in einen patriotischen Krieg ziehen oder gar am Ende auf dem Scheiterhaufen landen wollte. Aber im Mittelalter war das eine gute Möglichkeit, heilig zu werden. Bei meinen Freundinnen standen Theresa von Avila, Hedwig von Schlesien und natürlich Elisabeth von Thüringen hoch im Kurs.

Um Elisabeth von Thüringen dreht es sich ja immer wieder in diesem Blog und nun schauen wir mal, wie sie eigentlich heilig wurde. Die Frage ist, was die junge ungarische Königtochter eigentlich genau angetrieben hat, sich religiös so sehr zu engagieren. Wirklich seriös kann man diese Frage nicht beantworten, denn wir wissen nicht, was sich genau in ihrem Kopf abgespielt hat. Es bereitet Psychologen heute schon Schwierigkeiten, die Gedanken- und Gefühlswelt mancher Zeitgenossen richtig zu analysieren, bei einer historischen Persönlichkeit ist das abschließend nicht möglich und bleibt im Nebel der Geschichte. Sicher ist aber, dass sie sich mit der damals noch jungen Armutsbewegung des Franziskus von Assisi verbunden fühlte und diesen radikalen Weg der Nachfolge Christi auch gehen wollte.[1] Sie war allerdings eingebunden in das Leben als Landgräfin von Thüringen auf der Wartburg mit allen Pflichten und Privilegien. Als ihr Mann Ludwig im Kreuzzug blieb, verweigerte sie eine weitere Heirat und baute sich ein religiöses Leben nach ihren Vorstellungen in Marburg auf.  Elisabeth war ein Kind ihrer Zeit und so dachte sie auch.

Ihr damaliger Beichtvater und spiritueller Mentor war Konrad von Marburg, der zur damaligen Elite des deutschen intellektuellen Klerus gehörte. Er hatte an einer der „Elite-Universitäten“ wie Paris oder Bologna studiert und war einer der wohl radikalsten Ketzerprediger der Zeit. Er war es, dem Elisabeth gegenüber ein Gehorsamsgelübde ablegte. Solche Gelübde hatten auch Klara von Assisi Franziskus gegenüber und Maria von Oignies gegenüber Guido von Nivelles abgelegt.[2] Gehorsam war Teil der franziskanischen Spiritualität, der sich Elisabeth verbunden fühlte, genauso wie Askese, Ablehnung von Sexualität, jeglichem Genuss oder Luxus, ja eine regelrechte Feindlichkeit des eigenen Körpers gegenüber. Elisabeth wollte in Armut leben und entsagte ihrem hochadeligen Leben mit all seinen Privilegien. Freilich konnte sie es sich, im Gegensatz zu den meisten ihrer Landsleute, aussuchen, arm zu sein. Genau diese Einstellung, die Gründung des Hospitals in Marburg und ihre Arbeit dort trafen den Nerv der Zeit.[3]

Wie das mit der Geschichte der Heiligkeit einer Persönlichkeit nun einmal ist, beginnt die eigentliche Geschichte erst, wenn diese tot ist, so auch bei Elisabeth. Als Elisabeth 1231 starb, kamen die Menschen aus der Umgebung nach Marburg und verehrten sie als Heilige, obwohl sie noch nicht mal begraben war. Die Leute wollten sie als Heilige verehren und taten dies auch.

Caesarius von Heisterbach schreibt in seiner Elisabeth-Vita, dass während der drei Tage, als Elisabeth aufgebahrt dalag, viele Menschen aus der näheren und ferneren Umgebung nach Marburg kamen, um Elisabeth die letzte Ehre zu erweisen. Zudem schreibt er:

„Als ihr hochheiliger Leib, in ein graues Gewand gehüllt, das Gesicht mit Tüchern gebunden, auf der Bahre lag, haben viele der Anwesenden, die von der Heiligkeit ihres Körpers wussten, aus Verehrung kleine Stückchen von den Tüchern abgeschnitten und abgerissen, manche schnitten von den Nägeln ihrer Hände oder Füße etwas ab.“[4]

Es wäre nicht möglich gewesen, die Leiche, wie damals bei Heiligen üblich, zu zerteilen, in kostbare Gefäße zu verpacken und zur Anbetung auszustellen. Eine öffentliche Verehrung war bis zur offiziellen Heiligsprechung, wofür es damals ein geregeltes Verfahren gab, verboten.[5] Manche Gläubige hielt es trotzdem nicht davon ab, sich im Vorfeld einer Heiligsprechung schon mal eine Reliquie, also ein Stück der Leiche, bzw. eines Kleidungsstückes o.ä., zu sichern.

Sie wurde erst einmal in einem einfachen Bodengrab in ihrem Hospital bestattet. Archäologisch sprechen wir bei einem Grab in dieser Lage innerhalb eines Kirchenschiffs oder einer Hospitals, das in der Mittelachse oder sogar in direkter Nähe zum Hauptaltar angelegt ist, von einem Stiftergrab. Solche Grabstätten sind Privilegierten, in der Regel Adligen, vorbehalten, die das jeweilige Kloster, Kirche, Hospital u.ä. gegründet bzw. mit Finanzmitteln ausgestattet haben. Die Personen bekamen nach ihrem Tod eine Öffentlichkeit, die der normalen Bevölkerung verwehrt blieb. Auch Elisabeth wurde dieses Privileg zuteil und die Menschen bekamen so auch Zugang zu ihrem Grab, was wichtig war, denn dort geschahen die Wunder, welche für ein ordentliches Heiligsprechungsverfahren nötig waren.[6]

Fortsetzung folgt…

[1] M. Werner, Elisabeth von Thüringen, Franziskus von Assisi und Konrad von Marburg, in: D. Blume- M. Werner, Elisabeth von Thüringen. Eine europäische Heilige (Petersberg 2007) 110-115

[2] M. Werner, Elisabeth von Thüringen, Franziskus von Assisi und Konrad von Marburg, in: D. Blume- M. Werner, Elisabeth von Thüringen. Eine europäische Heilige (Petersberg 2007) 115-116

[3] M. Wehrli-Johnes, Armenfürsorge, Spitaldienst und neues Büßertum in den frühen Berichten über das Leben der heiligen Elisabeth, in: D. Blume- M. Werner, Elisabeth von Thüringen. Eine europäische Heilige (Petersberg 2007) 154-155

[4] E. Könsgen (Hrsg.) Caesarius von Heisterbach. Das Leben der heiligen Elisabeth und andere Zeugnisse, Veröff. Hist. Kommission Hessen 67,2 = Kleine Texte mit Übersetzungen 2 (Marburg 2007) 89

[5] J. Straub, Die Heiligengräber der Schweiz ihre Gestalt und ihr Brauchtum – Ein Beitrag zur Geschichte der Schweizerischen Heiligenverehrung. Diss. Zürich maschinenschr. 1987, 60

[6] M. Borgolte, Stiftergrab/ Grabkirche, LexMA 177-178

Quelle: http://minuseinsebene.hypotheses.org/1067

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Meta Niederkorn: Ordens-Historiographie bei den Benediktinern: „Renovatio ex scientia historiae“ zur Zeit der zweiten Melker Reform (Abstract)

Meta Niederkorn (Universität Wien): Ordens-Historiographie bei den Benediktinern: „Renovatio ex scientia historiae“ zur Zeit der zweiten Melker Reform  

Abstract des Vortrags bei der Tagung “MONASTICA HISTORIA II: Ordenshistoriographie in Mitteleuropa – Gestaltung und Wandlung des institutionalen und persönlichen Gedächtnisses in der Frühen Neuzeit”, die am 22. und 23. September 2014 im Bildungshaus St. Hippolyt in St. Pölten stattfand.

 
Geschichtsschreibung eines Ordens ist immer mit der Identität des Ordens sowie des individuellen Klosters einerseits und dessen Verflechtung mit der Umwelt andererseits zu verstehen. Im Folgenden möchte ich auf benediktinische Geschichtsschreibung in einer Brückenzeit eingehen. Es handelt sich dabei um die Zeit, die zwischen der großen Blüte zur Zeit der ersten Melker Reform im 15. Jh. und der hochbarocken Geschichtsschreibung, in der Melker Autoren wiederum eine Spitzenposition einnehmen, liegt.

Eine Brücke ist aber nicht nur dadurch gekennzeichnet, dass sie zwei sich selbst tragende Elemente verbindet, sie ist, wenn sie schlecht gebaut ist, eben nicht imstande, Verbindungen wirklich herzustellen. Besondere Aufmerksamkeit ist hier auf das Material, aus dem die Brücke errichtet ist, zu richten:

Die Historiographie, die im Zuge des intensiven Wissenstransfers zwischen Universität und Kloster seit dem Einsetzen der Melker Reform bereits grundgelegt wurde, erreicht im beginnenden 16. Jahrhundert einen Höhepunkt. Diese Blüte hat selbst die dramatischen Veränderungen, als welche sie im Zusammenhang mit der Reformation in der monastischen Historiographie naturgemäß dargestellt werden, überdauert, wenngleich unter Aufbietung aller Kräfte. Immerhin sind die Melker Annalen – auch in dieser Hinsicht ist der Melker Kodex eine Besonderheit (Alphons Lhotsky verwendet den Begriff der Zimelie) innerhalb der Annalistik – bis in die 70er Jahre des 16. Jahrhunderts – mit großen Lücken, aber immerhin – fortgeführt worden.

Als Material gilt es hier auch das biobibliographische Schrifttum des Bibliothekars/der Bibliothekare in den Vordergrund zu stellen. Der dreibändige Katalog, den Stephanus Burkhardi aus dem Jahr 1517 bietet reiche Anhaltspunkte für seine Nachfolger, nicht nur bibliothekarisch, sondern eben auch historiographisch tätig zu sein. Anlass boten wohl nicht zuletzt die beiden landesfürstlich „verordneten“ Einsichtnahmen in die Buchbestände des Hauses 1528 und 1556/57; nachweislich werden die Katalog-Bände nicht nur nach verschiedenen Gesichtspunkten „überarbeitet“, sondern mitunter auch die ohnehin in dem biobibliographisch gearbeiteten Werk vorhandenen Angaben zu den Autoren vereinzelt modifiziert, falsifiziert oder eben auch verifiziert.

Das Geschichtsbewusstsein und damit die historiographische Tätigkeit im Kloster erfuhr im Rahmen der sog. zweiten Melker Reform, die allgemein mit Kaspar Hoffmann (1587–1623) verbunden wird, einen neuen Höhepunkt. Abt Kaspar setzte sein gesamtes organisatorisches Können und Wissen für die Reorganisation des Klosters, wie des Reformverbandes – daher der Name „Zweiten Melker Reform“ – ein. Seine Kompetenz beweist sich auch darin, dass er die richtigen Personen an die richtigen Stellen setzt: Spiritus rector wird u.A. Reiner von Landau, zunächst als Prior, ab 1623 Abt, stellt er ganz offensichtlich unter vorrangiger Benützung des „Kompendiums“, das im letzten Drittel des 15. Jahrhunderts in Melk entstand, einerseits, und unter Verwendung des Kataloges andererseits, ein Handbuch zusammen, das nicht nur dem Prior Reiner (später) als Grundlage für den Novizen-Unterricht dienen wird.

Die Datierung der Niederschrift eröffnet aber auch andere Möglichkeiten zu Reiners Gründen, sich mit der Hausgeschichte und deren Verflechtung mit der Landesgeschichte und der landesfürstlichen Dynastien auseinanderzusetzen. Sein Werk hatte Einfluss auf weitere historiographische Tätigkeit im Sinne des für den Beitrag gewählten Titels.

 

Meta Niederkorn-Bruck (geb. 1959 in Wien), Matura am Humanistischen Gymnasium in Melk, Studium der Geschichte, Germanistik und Musikwissenschaft. Habilitation 2000, Lehrbefugnis für mittelalterliche Geschichte und Historische Hilfswissenschaften. 1. Oktober 2000 Ernennung zum außerordentlichen Universitätsprofessor. Lehrtätigkeit an der Universität Wien und an der Akademie der bildenden Künste in Wien.

Aktuelle Forschungsschwerpunkte: Vergleichende Ordensgeschichte; Geschichte des Wissens und Universitätsgeschichte.

„Schreiben und Schrift“: Produktion, Rezeption, Reduktion und Reproduktion von Wissen.

Liturgie und Geschichte – Geschichte in der Liturgie.

Vergleichende Ordensgeschichte.

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/8149

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Die Mühen des Protokolls

Man kennt dies auch heute noch: Kaum versammeln sich eine Handvoll Leute, die Wichtiges beraten oder sogar beschließen wollen, muß ein Protokoll geführt werden. Ob sich die Situation an der Schule, in der Universität, im Berufsleben oder im Verein abspielt, einen erwischt es, der sich dieser Mühen zu unterziehen hat. Dies ist nicht erst heute so, auch in vormodernen Zeiten wurden Beratungen protokolliert. Besonders viele Beispiele sind im Umfeld des Westfälischen Friedenskongresses überliefert – kein Wunder, wurde hier doch jahrelang über die vielen Konfliktpunkte verhandelt, deren Regelungen dann in den beiden Instrumenta Pacis zusammengeführt wurden. Normalerweise richtet sich der Blick des Forschers auf die Ergebnisse dieses langwierigen Aushandlungsprozesses. Dabei ist es um so wichtiger, eben nicht nur den großen Verhandlungsführern über die Schulter zu schauen, sondern auch den kleinen Schreiberlingen, die einfach nur mitschrieben und gern übersehen wurden und werden.

Einfach nur mitschreiben? Genau so simpel war es eben nicht. Und unaufwendig schon gar nicht. Die Mitschriften der Verhandlungen konnten gar nicht anders als nur Bruchstücke der Debatten aufzeichnen; aus diesen Live-Aufzeichnungen mußten die Protokollanten direkt nach den Sitzungen, die teilweise stundenlang gedauert hatten, überhaupt erst lesbare und verständliche Protokolle anfertigen. Dabei ging es wahrlich nicht um Kleinkram, sondern um gewichtige Verhandlungsmaterien: Also gab es oftmals mehrere Protokollanten, die ihre Aufzeichnungen abglichen – auch das mußte geschehen. Und da es vielfach um Details und auch den Wortlaut ging, wurden diese Versionen noch einmal zur Abnahme vorgelegt. Wenn alles fertig war, wollten natürlich alle Beteiligten eine Abschrift haben; die Arbeit ging also weiter. Gedruckt wurden diese Texte meist nicht, das war zu aufwendig, zumal hier ja nur Zwischenschritte in den Verhandlungen festgehalten wurden, keine Ergebnisse.

Was ich hier selbst nur in Stichworten andeute, hat Maria-Elisabeth Brunert ausführlich in einem Beitrag behandelt: „Vom Rapular zum Dictatum“ bezeichnet genau diesen Weg von den ersten Notizen hin zur allseits bestätigten, offiziellen Protokollversion. Brunert exemplifiziert diesen Prozeß anhand reichsfürstlicher Verhandlungen auf dem Friedenskongreß. Publiziert ist diese Arbeit in einem Sammelband von Annette Gerstenberg, die sich dem Westfälischen Friedenskongreß vor allem von sprachwissenschaftlicher Seite nähert: „Verständigung und Diplomatie auf dem Westfälischen Friedenskongreß“.Annette Gerstenberger

Ist dies eigentlich eine spannende Thematik? Natürlich handelt es sich um recht spezielle Phänomene, die ein Historiker vielleicht nicht sofort für sich entdeckt. Das Faszinierende liegt aber genau in den Details, die den Verhandlungsgang erst nachvollziehbar machen. Sich darauf einzulassen, lohnt sicher. Zumindest kann man auf diese Weise den Lebensalltag der Protokollanten besser einschätzen, die stundenlang auf einfachen Stühlen sitzen mußten und bei teilweise trübem Licht das Kanzleideutsch aufschrieben – soweit der Lärm der draußen vorbeifahrenden Fuhrwerke dies zuließ. Protokollieren war eben eine mühevolle Arbeit.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/545

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