Call for Papers: Internationale Konferenz „Les mises en guerre de l’État, 1914-1918 en perspective / The state goes to war. Bringing the Great War into perspective”. Paris, Laon, Craonne (Aisne), 1. Oktober 30. November 2014

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Anlässlich zum 100. Jahrestag des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges, veranstaltet das „Centre de Recherche et d’Information pour le Developpement (CRID)“ eine internationale Tagung zum Thema: „Mises en guerre de l’État / The invention of the War State“ in Paris, Laon und Craonne (Aisne). Die Konferenz befasst sich mit der Transformation des Staates hin zum „Kriegsstaat“ und nimmt dafür wesentliche Faktoren wie relevante Ereignisse, Organisationsmuster, politische und kulturelle Wandlungsprozesse und die Rolle der Öffentlichkeit in den Blick. Dabei werden auch internationale und interdisziplinäre Ansätze und Zugänge, wie beispielsweise aus der Geschichtswissenschaft, der Politikwissenschaft und der Soziologie, berücksichtigt werden. Durch Fallstudien und empirische Forschungen soll die Betrachtung des „Kriegsstaats“ zur Diskussion und wissenschaftlicher Reflexion anregen. Ziel der Tagung ist es folglich, eine Bandbreite an unterschiedlichen Blickwinkeln und Zusammenhängen aufzuzeigen und somit eine interdisziplinäre Betrachtung zu erleichtern.

Bewerbungsschluss ist der 15. Mai 2013.

Weitere Informationen finden sie hier.

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Foto: step up to the mic von Tom Woodward, Lizenz CC BY-NC.

Quelle: http://grandeguerre.hypotheses.org/990

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Neuer Call4Papers des Soziologiemagazin zum Thema “Kriminalität und soziale Normen. Wer weicht wovon ab?”

Kriminalität setzt soziale Normierung voraus, denn ohne eine gesetzte Norm gibt es keine Möglichkeit, von ihr abzuweichen und in der Folge als „kriminell“ zu gelten. Unser Call fragt also nach mehreren Aspekten: Wir wollen wissen, was abweichendes Verhalten eigentlich ist, … Weiterlesen

Quelle: http://soziologieblog.hypotheses.org/4555

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durchsichten: Melanie Hühn u.a. (Hg.): Transkulturalität, Transnationalität, Transstaatlichkeit, Translokalität, rezensiert v. Anika Bethan

http://geschichte-transnational.clio-online.net/rezensionen/id=15632 Trans-Begriffe sind in! Wegen der zunehmenden Komplexität und Diversität grenzüberschreitender Phänomene, aber auch des Perspektivenwechsels in den Sozial-, Kultur- und Geisteswissenschaften erfreuen sich die Begriffe Transnationalität, Translokalität, Transstaatlichkeit und Transkulturalität einer wachsenden Beliebtheit. Gleichzeitig nehmen damit die Unschärfen in der Verwendung dieser Begriffe zu. Die Beiträge dieses Bandes haben es sich zum Ziel gesetzt, […]

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2013/04/4036/

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Soziologischer Wochenrückblick im Zeitraum 16.-31. März 2013

In den letzten zwei Wochen ging es in der Soziologie besonders um die Finanzwelt und Wirtschaftslage: Von der Agenda 2010, über den Homo oeconomicus bis zur Rolle des Geldes und einer interessanten Langzeitstudie über das Leben auf dem Land. Darüber … Weiterlesen

Quelle: http://soziologieblog.hypotheses.org/4560

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Rubrik »Virtuelle Fachbibliothek Geschichte« erweitert Fokus auf »Digitale Geschichtswissenschaft«

Mit der Umbenennung der Rubrik »Virtuelle Fachbibliothek Geschichte« in »Digitale Geschichtswissenschaft« erweitert “einsichten” seinen Fokus von den geschichtswissenschaftlichen Portalen von “historicum.net” und “Clio-Online” auf allgemeine und geschichtswissenschaftliche Angebote der Digital Humanities.

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2013/04/4033/

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DoktorandInnen gesucht!

 

Im Forschungsprojekt „Urbane Gewalträume/Violences Urbaines“ am Centre Marc Bloch in Berlin sind zum 1. Oktober 2013 für einen Zeitraum von drei Jahren zwei Promotionsstellen (50%) zu besetzen. Die Vergütung erfolgt in Anlehnung an die Entgeltgruppe 13 TV-L.

Die Forschungsgruppe „Urbane Gewalt/Violences Urbaines“ ist Teil des deutsch-französischen Verbundprojektes „Saisir l’Europe/Europa als Herausforderung“. Vor dem Hintergrund anhaltender ökonomischer und politischer Krisen hat es sich dieses Projekt zur Aufgabe gemacht, in einer disziplinäre und nationale Grenzen überschreitenden Zusammenarbeit Europa neu und anders zu denken: nicht als etwas Gegebenes, sondern als Herausforderung für Politik, Gesellschaft, aber au ch die Sozial- und Geisteswissenschaften (weitere Informationen siehe www.saisirleurope.eu).

Im Zentrum des Projekts „Urbane Gewalt/Violences Urbaines“ steht die Frage nach der Bedeutung von Gewaltphänomenen in der Produktion und Reproduktion sozialer Räume seit dem Beginn der Urbanisierung. Schwerpunkte sind dabei (1.) urbane Räume, die dauerhaft durch Gewalt bestimmt zu sein scheinen wie sogenannte „Problemviertel“, „no go areas“ oder andere gewaltgeprägte urbane, periurbane oder „rurbane“ Räume und (2.) urbane Gewaltphänomene temporärer Natur mit dauerhaften Auswirkungen auf (städtische) Raumstrukturen wie Attentate, Straßenunruhen oder eskalierende Protestdemonstrationen. Im Sinne des Gesamtverbunds ist die Ausrichtung der Forschungsgruppe interdisziplinär, teamorientiert und europäisch-international. Der kontinuierliche Austausch mit den Kolleg/innen des französischen Partnerprojekts, sowie mit den Kolleg/innen der beiden anderen Teilprojekte, „Sozialstaat“ und „Nachhaltigkeit“, sind fester Bestandteil der Arbeit. Eine kontinuierliche Präsenz in Berlin ist unerlässlich.

Bewerbungsvoraussetzungen:

  • ein abgeschlossenes Studium in den Geistes- und Sozialwissenschaften (beispielsweise Soziologie, Ethnologie, Politikwissenschaft, Geschichte, Sozialgeographie), das in der Regel nicht länger als zwei Jahre zurückliegt
  • die Vorlage eines Promotionsprojekts im skizzierten Themenfeld „Urbane Gewalt“
  • sehr gute Sprachkenntnisse in Deutsch, Französisch und Englisch (mindestens zwei dieser Sprachen aktiv)
  • Bereitschaft zur Arbeit in einem interdisziplinären und multinationalen Team in Berlin
  • Bereitschaft zur Übernahme organisatorischer Aufgaben in der Forschungsgruppe
  • EDV-Kenntnisse und Bereitschaft zur webbasierten Kommunikation
  • Bereitschaft zur internationalen Mobilität

Bewerbungsunterlagen:

  • Anschreiben
  • tabellarischer Lebenslauf
  • Skizze des Promotionsprojektes (5-10 Seiten, in Deutsch, Französisch oder Englisch)
  • Gutachten von einer/m Hochschullehrer/in oder ggf. des Betreuers der Promotion
  • Zeugnisse

Bitte schicken Sie Ihre vollständige Bewerbung in einem einzigen PDF-Dokument bis zum 15. Mai 2013 an saisirleurope@cmb.hu-berlin.de.

Eine weitere Doktorandenstelle im Projekt „Urbane Gewalt“ wird auf französischer Seite vom CIERA, Paris, ausgeschrieben (siehe www.ciera.fr). Darüber hinaus werden Doktorandenstellen in den beiden anderen Teilprojekten von „Saisir l’Europe/Europa als Herausforderung“, „Sozialstaat“ und „Nachhaltigkeit“, ausgeschrieben (siehe www.saisirleurope.eu).

Quelle: http://violence.hypotheses.org/101

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1871 komplett digitalisierte Handschriften aus Frankreich neu online

BVMM – Bibliothèque Virtuelle des Manuscrits Médiévaux ist ein phantastisch reichhaltiges neues Angebot mit digitalisierten (überwiegend mittelalterlichen) Handschriften und Einzelseiten. Unter den 67 komplett einsehbaren Colmarer Handschriften ist etwa das lateinische Schwesternbuch der Dominikanerinnen von Unterlinden (mehr dazu in Wikisource). Die Stadtbibliothek Straßburg hat Zeichnungen aus dem zerstörten Hortus deliciarum zugänglich gemacht. Das sind nur zwei willkürlich herausgegriffene Beispiele. Leider gibt es auch Kritikwürdiges: Man kann beispielsweise nicht nach den Metadaten der Handschriften suchen, sondern nur nach den Angaben zur Signatur.

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/3534

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Wohin mit den Gefangenen?

Im Frühsommer 1623 hatte Christian von Braunschweig, bekannt vor allem als „toller Halberstädter“, mit seinen Truppen in der Nähe Göttingens, also im Territorium seines älteren Bruders Herzog Friedrich Ulrich, Quartier genommen. In Scharmützeln mit Einheiten der Armee der Liga, die damals im Hessischen operierte, hatte er einige Gefangene gemacht. Was sollte nun mit diesen geschehen? Am 1. Juli a.St. wies er die Stadt Göttingen an, die gefangenen Kriegsknechte nicht freizulassen; vielmehr sollte die Stadt sie weiterhin „mit nottürfftigem vnterhalt“ versorgen, bis andere Anweisungen kämen. Genau das geschah wenige Tage später: Am 7. Juli a.St. erteilte Christian seinem Generalgewaltiger (d.h. der frühmodernen Militärpolizei) den Befehl, daß er „noch heutt vor der Sonnen vntergangk, viertzig dero zu Göttingen entthaltenen gefangenen Soldaten vom feinde, den Lieutenantt vnd Officiers außsgenommen, Laße auffhencken“. Um den Ernst der Anweisung zu unterstreichen, fügte er hinzu, daß dies „bei vermeidung vnser hochsten vngnad“ geschehen solle. Der Generalgewaltiger präsentierte daraufhin der Stadt Göttingen diesen Befehl; bei der dort überlieferten Abschrift findet sich auf der Rückseite die Notiz vom Folgetag: „Vff diesen Schein seindt dem Gewalthiger 20 Gefangene vff sein darneben mundtlich andeuten ausgevolgtt worden.“ Der Vollzug fand also offenbar doch nicht mehr am 7. Juli, am Tag der Ausfertigung des Befehls, statt. Aber es besteht kaum ein Zweifel, daß zwanzig Kriegsgefangene mit dem Strang hingerichtet wurden. (StA Göttingen, Altes Aktenarchiv, Nr. 5774 fol. 2 Kopie; der Befehl an die Stadt Göttingen vom 1.7.1623 a.St. ebd. fol. 32 Ausf.)

Auf den ersten Blick mag diese Episode wie ein weiterer Beleg für die als zeittypisch angenommene Grausamkeit, vielleicht auch als Indiz für die damalige Rechtlosigkeit gelten. Allerdings gab es keine verbindlichen Regularien im Umgang mit Kriegsgefangenen; deren Tötung war durchaus möglich. Üblich war eine solche Maßnahme aber keineswegs, vielmehr widersprach sie den gängigen Handlungsmustern. Verwunderlich ist in diesem Fall, daß Christian von Braunschweig offenbar gar nicht erwogen hat, die gefangenen Kriegsknechte einfach „unterzustecken“, d.h. in die eigenen Truppen einzureihen. Diese Praxis war eigentlich in allen Armeen des Krieges verbreitet. Sie funktionierte auch deswegen so gut, weil sie beiden Seiten zugute kam: Die gefangenen Söldner fanden einen neuen Arbeitsplatz, und die eigene Armee erhielt Verstärkung. Die Alternative, nämlich die Gefangenen einfach freizulassen, auch mit der Auflage, daß diese nicht mehr in die Kämpfe eingriffen, widersprach den Gesetzen des Söldnermarktes: Solange die Möglichkeit bestand, daß eine Kriegspartei bereit war, weitere Söldner anzuwerben, war ein solches Verbot kaum durchsetzbar. Der Militärdienst war Broterwerb, und Faktoren wie Loyalität zu einem Herrscherhaus, dem Reich oder die Zugehörigkeit zu einer Konfession sollten nicht überschätzt werden.

Eine Erklärung für das Verhalten Christians läßt sich aus dem historischen Kontext ableiten. Der Söldnerführer befand sich damals in einer geradezu aussichtslosen Lage: Die Armee der Katholischen Liga unter Tilly stand bereit, um gegen ihn vorzurücken, während die Stände des Niedersächsischen Reichskreises massiv unter den Druck des Kaisers gerieten, jede weitere Unterstützung für Christian einzustellen oder gleich direkt gemeinsam mit Tilly gegen ihn zu kämpfen. Aus dieser Situation resultierte für die Armee des „Halberstädters“ eine nur geringe Attraktivität: Welcher Soldat würde bei einem Söldnerführer Kriegsdienste annehmen, dessen Sache nicht mehr viel Erfolg versprach? Die Kriegsknechte hatten ein ausgeprägtes Sensorium, um den Stellenwert eines Arbeitsplatzes einschätzen zu können – diese Form von Marktbeobachtung gehörte für jemanden, der im Krieg sein Glück machen wollte, dazu. Und Christian war sich offenbar darüber im Klaren, wie kritisch seine eigenen Erfolgsaussichten eingeschätzt wurden. Entsprechend harsch, aber auch konsequent war sein Handeln: Da die Gefangenen kaum in seiner eigenen Armee willig Dienst tun würden, sondern vielmehr bei nächster Gelegenheit „ausreißen“, also desertieren würden, kam ein Unterstecken nicht in Frage. Eine Freilassung auch nicht, da sie dann zum Heer des Gegners zurückgehen würden, der sich eindeutig im Aufwind befand.

Der Befehl, einige Gefangene hinrichten zu lassen, zeugt von Christians Verbitterung. Es mochte auch ein Signal an die eigenen Soldaten sein, mit dem er ihnen klar machen wollte, daß es nun keine armeenübergreifende Solidarität unter Kriegsknechten mehr gab. Christian zerstörte mit dem Tötungsbefehl die prinzipielle Annahme, daß auf beiden Seiten „ehrliche Kriegsleute“ standen, die in den Soldaten auf der anderen Seite nicht unbedingt einen Feind erkannten, sondern einen Standesgenossen auf derselben soziale Ebene. Genaueres können wir nicht sagen, da die Zeugnisse keine Auskunft über die Motivation und das Kalkül Christians geben. Aber vielleicht wollte der Söldnerführer auf diese Weise auch die Kohärenz der eigenen Armee stärken.

Nötig wäre es gewesen, denn am 11./21. Juli 1623 brach Christian mit seinen Truppen auf und strebte nach Westen, um das Reichsgebiet zu verlassen und sich auf das Territorium der Generalstaaten zu retten. Eine Entscheidung im Feld hat er wohlweislich vermeiden wollen. Allerdings stellte ihn das nachrückende Heer der Katholischen Liga unter Tilly knapp vor der Grenze bei Stadtlohn zur Schlacht, die am 6. August 1623 zu einem Debakel für den „Halberstädter“ geriet. Was aus den Gefangenen wurde, die in Göttingen verblieben waren, geht aus diesem Quellenbestand nicht hervor. Wir können plausibel annehmen, daß die Stadt sie spätestens nach der Schlachtentscheidung freigelassen hat. Gut möglich, daß viele von ihnen dann versucht haben, sich der siegreichen Armee der Liga wieder anzuschließen. Denn der Krieg und das Leben gingen weiter.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/108

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Die USA um 1900, Teil 1/3

Von Stefan Sasse

"American Progress": Colombia führt die Siedler, Buch unterm Arm
Um 1900 waren die Vereinigten Staaten ein ungemein widersprüchliches Land, noch viel widersprüchlicher als sie es sonst sind. Ein nie dagewesener technischer Fortschritt erreicht die breite Masse der Bevölkerung und sorgte für eine dramatische Verbesserung der Lebensbedingungen. Die Wirtschaft boomte, und jeden Tag kamen hunderte von Migranten ins Land. Die Vorstellung, dass Amerika eine weltweit einzigartige Nation war, deren Bestimmung es sein musste, die Ideale von Freiheit und Demokratie in die Welt hinauszutragen - der so genannte American Exceptionalism - mischte sich mit einer großen Welle der Religiosität, deren Triumph 1919 das Alkoholverbot der Prohibition werden sollte. Gleichzeitig aber waren die Abgründe zwischen arm und reich im Land gigantisch, lebten viele Minderheiten diskriminiert und von den Segnungen des Fortschritts ausgeschlossen und wurden die letzten großen Verbrechen an der amerikanischen Urbevölkerung, den Indianern, begangen. Im Folgenden sollen schlaglichtartig Aspekte dieser Widersprüchlichkeit der USA, die so viel mit einer ähnlichen Widersprüchlichkeit im Deutschland derselben Epoche gemeinsam hat und doch völlig andere Wege daraus findet, genauer beleuchtet werden.

Die Epoche zwischen 1890 und 1920 sah die Vervollständigung des amerikanischen Territoriums durch die Zulassung neuer Staaten zum Gebiet der USA. Die Ära des Wilden Westens, die in den scheinbar rechtlosen territories geblüht hatte, kam mit der formalen Aufnahme der Bundesstaaten Montana, South Dakota, North Dakota, Washington (alle 1889), Idaho, Wyoming (beide 1890), Utah (1896), Oklahoma (1907), Arizona und New Mexico (beide 1912) zu ihrem Ende. Das bedeutete auch das vollständige Ende der amerikanischen Urbevölkerung als frei umherziehender Stammesgesellschaft, die bereits zuvor durch die Errichtung der Reservate empfindlich eingeschränkt worden war. Mit der Aufnahme der neuen Staaten jedoch kamen das Recht der USA (für US-Bürger, was die Indianer nicht waren), ihre Polizei, die Marshalls und das Militär in jeden Winkel der USA. Da die wertvollen Gebiete der neuen Bundesstaaten das Interesse von Siedlern und Geschäftsmännern gleichermaßen weckten, wurden die Indianer ein weiteres Mal deportiert. Häufig waren ihre Zielreservate über tausend Kilometer entfernt und weder klimatisch noch kulturell in irgendeiner Weise mit ihrem bisherigen Lebensraum identisch. 

Häuptling Bigfoot tot am Wounded Knee
Der Niedergang ihrer Gesellschaft und Kultur und die Aussichtslosigkeit eines bewaffneten Kampfs gegen die Weißen führte bei den Indianern zu einer Welle von Spiritualität, der so genannten Geistertanzbewegung, die in bemerkenswerter Weise mit Wellen amerikanischer (christlicher) Spiritualität zusammenfiel. Sie hatte bereits zwischen 1860 und 1872 eine erste Blüte erlebt. Zentraler Inhalt war die Vorstellung, dass die Ahnen zurückkehren und eine Wiederbelebung der indianischen Lebensweise einleiten würden. Entgegen populärer Vorstellungen nahmen bei weitem nicht alle indianischen Gesellschaften daran teil; der Geistertanz war eine Sache vorrangig der Minneconjou-, Sioux- und Lakota-Stämme, die die großen Ebenen bewohnt hatten. Die Idee war, dass durch an die alten Jagdtänze gemahnende Geistertänze die Verbindung zwischen Diesseits und Jenseits geöffnet werden und damit den Ahnen und den Büffeln die Rückkehr ermöglicht werden könnte. Die Weißen würden dann verschwinden. Diese Protestbewegung gewann 1890 massiv an Zulauf und stellte eine insgesamt friedliche Protestbewegung dar, die die US-Regierung aber alarmierte. Sie reagierte mit Einschränkungen der ohnehin unzureichenden Lebensmittellieferungen an die Reservate und verschärften Kontrolle. Im Winter 1890 eskalierte die Situation in South Dakota am Wounded Knee, wo Soldaten der 7. Kavalleriedivision ein Massaker unter den Indianern verübten und die Geistertanzbewegung zu einem abrupten Ende brachten. Der Widerstand der Indianer war nach dem Massaker endgültig gebrochen. Ohne Bürgerrechte vegetierten sie für 80 Jahre in den Reservaten dahin, ehe in den 1970er Jahren die Sache der Indianer in der Protestkultur der Epoche einen wichtigen Stellenwert einzunehmen begann und mit der Besetzung von Wounded Knee 1973 populären Ausdruck fand. 

Diese Art der Kolonialisierungspolitik nach innen fand eine Entsprechung nach außen. Die USA, die unter Präsident Monroe bereits 1823 den Anspruch erklärt hatten, den gesamten amerikanischen Doppelkontinent zu beherrschen und von europäischen Einflüssen zu befreien, drängten aggressiv den Einfluss der letzten europäischen Kolonialmacht zurück (Kanada wurde bereits 1919 als eigenständiger Staat im Völkerbund zugelassen, obwohl es seine formale Unabhängigkeit erst 1931 erhielt), Spanien. In der Karibik sowie im Pazifik hielt Spanien noch diverse militärisch wichtige Stützpunkte auf verschiedenen Inseln, die die USA als unabdingbar für die die Durchsetzung ihres Manifest Destiny – wörtlich: unabwendbares Schicksal, die Vorstellung, dass man amerikanische Werte auf dem ganzen Kontinent ausbreiten müsse – ansahen. Im amerikanisch-spanischen Krieg von 1898 besiegten die USA spielend das veraltete Militär der auseinanderbrechenden und von inneren Zwistigkeiten gelähmten einstigen Großmacht Spanien und errichteten einen Satellitenstaat im vormals spanischen Kuba, annektierten Puerto Rico und Guam und kauften Spanien die Philippinen für 20 Millionen Dollar ab. Da die lateinamerikanischen Kolonien ohnehin bereits (zumindest de facto) von ihren einstigen iberischen Kolonialherren unabhängig waren, dominierten die USA damit den Doppelkontinent und schickten sich an, ein eigenes Kolonialreich im Pazifik zu gründen. Im Gegensatz zu Europa nannte man es allerdings nicht „Kolonien“ und plante keine so großflächigen Besitznahmen wie die Europäer das taten, sondern dachte eher in Handels- und Militärstützpunkten.

Amerikanische Truppen erklimmen die Mauern von Peking
Es überrascht nicht, dass die USA 1901 ganz selbstverständlich an der Seite der europäischen Kolonialmächte an der Niederschlagung des Boxer-Aufstands teilnahmen. Die Boxer, eine chinesische Protestbewegung gegen die westlichen Einflüsse auf ihr halb kolonisiertes und zur Bedeutungslosigkeit reduziertes Land, hatten durch Angriffe auf Botschafter Europas eine de-facto-Kriegserklärung abgegeben. In einer entfernt an die Geistertanz-Bewegung erinnernden Welle der Spiritualität (obwohl es natürlich keine Verbindung zwischen den Boxern und den Indianern gab) brachten sich die Boxer in einen Zustand spiritueller Ektase, von der sie sich Unverwundbarkeit gegenüber den Kugeln der Kolonialherrn versprachen. Das Resultat war ein Gemetzel an den Boxern und die Unterwerfung Chinas unter die Handelsinteressen Europas und, erstmals, der USA. 

Die USA begriffen sich erstmals auch in der breiteren Öffentlichkeit als eine Großmacht mit „natürlichen“ Interessen jenseits ihrer eigenen Grenzen. In den Tagen vor Beginn des Ersten Weltkriegs war die Nation äußerlich konsolidiert und hatte sich in eine aktive Macht verwandelt, mit der auf internationaler Ebene gerechnet werden musste und von der niemand klar sagen konnte, wie sie sich verhalten würde, am allerwenigsten die Amerikaner selbst. Man war sich einig darin, dass man keine „typisch europäische“ Kolonialmacht sein wollte – das Manifest Destiny sah schließlich die Verbreitung amerikanischer Werte vor – aber gleichzeitig war man überzeugt, besser als die Nationen ohne Großmachtstatus zu sein und daher das Recht auf ein Eingreifen in deren Souveränität zu besitzen und ihre Bevölkerung als minderwertig zu betrachten. 


Anti-katholische Karikatur
Genau dieser Überlegenheitsdünkel führte zu einer Bewegung namens Nativism, die bereits Mitte des 19. Jahrhunderts aggressiv Stimmung gegen Einwanderer gemacht hatte, um 1900 herum aber eine erneute Blüte erlebte. Der Nativism ging davon aus, dass einige Nationen über „besseres Blut“ verfügten als andere – besonders England, Schweden und Norwegen wurden mit positiven Eigenschaften bedacht, während Osteuropäer, Südeuropäer, Iren und Asiaten (Latinos spielten damals noch keine Rolle) negative Eigenschaften zugeschrieben wurden, die eine Vereinbarkeit mit amerikanischen Werten wenn nicht ausschlossen, so doch zumindest in Frage stellten. In einer unheimlichen Parallele zu heutigen Migrations- und Integrationsdiskursen unterstellte man den Einwanderern, dass ihre Religion – der Katholizismus – unvereinbar mit amerikanischen Werten sei und sie im Geheimen das Ziel anstrebten, die USA in einen Vasallenstaat des Vatikans zu verwandeln. Man echauffierte sich über die hohen Geburtenzahlen der Migranten und fürchtete eine Überfremdung des eigenen „Volkes“. Die Migranten seien, entweder vom Blut (Genetik war noch nicht bekannt) oder von kulturellen Werten her außerdem faul und kriminell veranlagt. Die überdurchschnittliche Repräsentation besonders der Italiener (etwa in Chicago) und Iren (etwa in Atlantic City) in der organisierten Kriminalität schien diese Annahmen zu unterstützen.

Einwanderer, die in New York die großen Auswanderungsschiffe verließen, sahen sich daher häufig bei der Arbeitssuche Schildern ausgesetzt, die in klaren Worten ihre Unerwünschtheit deutlich machten: "Irish Need Not Apply" (Iren brauchen sich erst gar nicht zu bewerben) "No Wops Allowed" (Kein Zugang für Spaghettifresser) und "The Chinese Must Go" (Die Chinesen müssen verschwinden) zeigten, dass das Versprechen, das man auf die Freiheitsstatue graviert hatte – Give me your tired, your poor, Your huddled masses (Gebt mir eure Müden, eure Armen, eure zusammengedrängten Massen) – für die Amerikaner eine Drohung geworden war. Die Migranten wurden so künstlich in eine Unterschicht gepresst, in der viele als einzigen Ausweg aus billiger, schwerer Arbeit die Kriminalität sahen, was die Vorurteile nur zu bestätigen schien. Der Aufstieg des Nativism zeigt sich auch deutlich in politischen Maßnahmen jener Zeit, wurden doch Quoten für Einwanderer festgelegt: Während es für die „erwünschten“ Ethnien wie Engländer oder Skandinavier praktisch keine Begrenzungen gab, wurden Süd- und Osteuropäer kaum mehr ins Land gelassen. 


Carl C. Brigham, um 1914
Eine weitere unschöne Parallele zu heute ist die Rolle der Wissenschaft. Auch um 1900 machten sich Gegner der Migration scheinwissenschaftliche Argumente zu eigen, um ihre Forderungen zu unterstützen. Eine traurige Berühmtheit erlangte in diesem Zusammenhang vor allem der Psychologe Carl C. Brigham. Er brachte 1915 eine Studie heraus, die die Intelligenz von Einwandern untersuchte (mit genauso dubiosen Methoden, vor allem passend zusammengestellten IQ-Tests) und offiziell feststellte: "The intellectual superiority of our Nordic group over the Alpine, Mediterranean, and negro groups has been demonstrated." (Die intellektuelle Überlegenheit der nordischen Gruppe über die alpine, mediterrane und Neger-Gruppe ist bewiesen worden.) Zur Ehrenrettung Brighams muss man sagen, dass er diese Theorien in den 1920er Jahren vollständig widerrufen hatte, was aber Politiker nicht daran hinderte, sie für die Einführung schärferer Einwanderungsgesetze 1924 zu missbrauchen. Für die Einwanderer, die bereits im Land waren, plante man eine umfassende „Amerikanisierung“. Dazu gehörten vor allem Bücher und Pamphlete, in denen die Einwanderer aufgefordert wurden, ihre bisherige Kultur aufzugeben und stattdessen die amerikanische anzunehmen – ähnlich dem heutigen Integrationsdiskurs also wurde eine totale Assimilation gefordert, eine Annahme „unserer“ Werte und ein Ablegen der „fremden“ Werte. Dass diese „amerikanischen“ Werte ebenfalls von Einwanderern verschiedenster Couleur geprägt worden waren, ist damals wie heute in der hysterischen Debatte völlig untergegangen. Während dieser „Amerikanisierungsprozess“ andauerte, steckte man die Migranten vor allem dahin, wo man sie nicht oft sehen musste und wo sie „den Wert harter Arbeit“ kennenlernen konnten: Textilfabriken, Minen und häusliche Dienstleistungen für die Oberschicht.

Weiter geht's in Teil 2. 

Literaturhinweise:
Videospiel "Bioshock Infinite", das sich mit den hier besprochenen Ideen und Ereignissen auseinandersetzt und die Inspiration für diesen Artikel bot: PC, PS3, X360
Bildnachweise: 
American Progress - John Gast (gemeinfrei)  
Bigfoot - Department of Defense (gemeinfrei)
Peking - Department of the Army (gemeinfrei)
Karikatur - Alma Bridwell White (gemeinfrei)
Brigham - unbekannt (gemeinfrei)

Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2013/04/die-usa-um-1900-teil-13.html

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Natürlich, eine alte Handschrift

“IV Kloster Lorch, Hort geheimnisumwitterter Handschriften Alte Klosterbibliotheken eigneten sich vorzüglich, wenn es galt alte Manuskripte zu fingieren (und zwar schon lange vor Umberto Ecos “Name der Rose”). So wurden in der Chronik der Truchsessen von Waldburg zwei erfundene frühmittelalterliche Adelslisten auf eine alte Chronik in St. Emmeram zu Regensburg und ein altes Messbuch im Kloster Murrhardt zurückgeführt. Bei der Aufarbeitung der Staufer-Überlieferungen des Klosters Lorch bei Schwäbisch Gmünd konnte ich feststellen, dass historische Traditionsbildung und der Bewertungsprozess der Kulturgutbewahrung eng korreliert waren. Und [...]

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/3518

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