Furche zu „Archive des Wissens“

Die aktuelle Ausgabe der Wochenzeitung Furche hat das Schwerpunktthema "Archive des Wissens", neben einem Artikel von Markus Krajewski zum Wandel der Wissensdiener ist darin auch ein Beitrag von mir über Digitalisierungsprojekte in Österreich zu finden; ich versuche darin, einem eher traditionellen bildungsbürgerlichen Publikum ein paar Online-Ressourcen schmackhaft zu machen. Die Papierversion liegt mir noch nicht vor, in der Online-Version des Beitrags sind die vier in den Text integrierten Links rausgefallen, die ich hier nachliefere:

Österreichportal von Wikisource:
http://de.wikisource.org/wiki/Österreich

Kirchenbücher:
http://matricula-online.eu

Google Art Project:
http://googleartproject.com

Sammlung Moll der Moravská Zemská Knihovna:
http://mapy.mzk.cz/mollova-sbirka

Und, als Zusatz noch das Digitalisat der Wien-Vogelschauansicht von Josef Daniel von Huber:
http://teca.bncf.firenze.sbn.it/TecaViewer/index.jsp?RisIdr=BNCF0003495768

Kommentar und Ergänzungen von Klaus Graf auf Archivalia:

http://archiv.twoday.net/stories/598967565/
http://archiv.twoday.net/stories/598967602/

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/598967692/

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Save the Date: International Science 2.0 Conference

Zum ersten Mal findet vom 26. bis 27. März 2014 die International Science 2.0 Conference in Hamburg statt. Die vom Leibniz-Forschungsverbund science 2.0 und vom Leibniz-Bibliotheksverbund Forschungsinformation - Goportis veranstaltete Konferenz geht unter anderem der Frage nach, wie der Arbeitsalltag von WissenschaftlerInnen durch das Internet verändert wird. Außerdem wird versucht zu klären, welche Folgen das veränderte Forschungs- und Publikationsverhalten für wissenschaftliche Infrastrukturen hat. Forschende aus verschiedenen Disziplinen (Sozial-, Geistes-, Bio-, Medien- und Kommunikationswissenschaften) sollen mit wissenschaftlichen BibliothekarInnen ins Gespräch kommen. Neben Vorträgen von international Forschenden werden interaktiv Forschungsergebnisse präsentiert. Das Programm ist hier einsehbar. Die Anmeldung ist demnächst online möglich.

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Quelle: http://dhd-blog.org/?p=2791

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Von der Doktorarbeit zum Buch in 11 Schritten – Teil 2

Ist man noch dabei, eine Entscheidung zwischen einer Open Access Publikation über die Universitätsbibliothek und einer „klassischen“ Veröffentlichung in einem Verlag zu treffen – oder hat man sich bereits für letzteres entschieden, kann man 11 Schritten folgen, um den geeigneten Verlag zu finden und zunächst Verlagsangebote einzuholen: 1) Gutachten anfragen Viele der größeren wissenschaftlichen Verlage benötigen für die Prüfung einer Publikationsanfrage die Dissertationsgutachten. Diese von seiner Universität in Kopie oder in elektronischer Form zur Verfügung gestellt zu bekommen, kann mitunter einige Zeit in Anspruch […]

Quelle: http://musermeku.hypotheses.org/919

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Brasiliens Moderne 1940–1964

Thomaz Farkas Menschen auf dem Dach des Nationalkongresses, am Tag der Einweihung Brasílias, 21. April 1960 © Instituto Moreira Salles

 

Seit dem 27. September 2013 ist im Berliner Museum für Fotografie die Ausstellung Brasiliens Moderne 1940–1964 mit Arbeiten der Fotografen José Medeiros, Thomaz Farkas, Marcel Gautherot und Hans Gunter Flieg zu sehen.

Thomaz Farkas, Pacaembu Stadion, São Paulo, 1942 © Instituto Moreira Salles

Thomaz Farkas, Pacaembu Stadion, São Paulo, 1942

Nun ist, etwas verspätet, auch der von Ludger Derenthal und Samuel Titan Jr. herausgegebene Katalog zur Ausstellung im Bielefelder Kerber-Verlag erschienen. Der Band dokumentiert einen Teil der in der Ausstellung gezeigten Fotografien, ergänzt durch einen einleitenden Beitrag, vier werkbiografische Texte über die vorgestellten Fotografen und einen Katalogteil.

Die vier in der Ausstellung vorgestellten Fotografen zeichnen sich auf den ersten Blick eher durch Unterschiede als durch Gemeinsamkeiten aus: Der gebürtige Brasilianer José Medeiros arbeitete überwiegend journalistisch, häufig für das führende brasilianische Magazin O Cruzeiro. Thomaz Farkas, Sohn ungarisch-jüdischer Einwanderer, die 1930 in Sao Paulo ein Fotogeschäft eröffneten, entwickelte sich zum Meister der Form und war ein starker Impulsgeber der fotografisch-ästhetischen Moderne in Brasilien. Marcel Gautherot fand seinen Zugang zur Fotografie in seinem Geburtsland Frankreich über die Architektur und die Ethnologie, bevor das Fernweh ihn nach Brasilien verschlug. Hans Gunter Flieg war ein deutscher Jude, der 1939 als 16-Jähriger – gleich nach einer Grundausbildung in Labortechnik bei Grete Karplus – seine Heimatstadt Berlin verließ und in Sao Paulo ein kommerzielles Fotostudio eröffnete.

All diesen Unterschieden zum Trotz verfolgten alle vier das Ziel, die Fotografie als genuin modernes Medium konzeptionell und ästhetisch weiterzuentwickeln. Sie distanzierten sich vom Piktorialismus des frühen 20. Jahrhunderts und entwickelten eine klare Formsprache, mit der sie die brasilianische Moderne zwischen 1940 und dem Beginn der Militärdiktatur 1964 auf eindrückliche Weise beschrieben. Einige Themen kehrten dabei immer wieder – vor allem Phänomene des Alltags wie Arbeit, Freizeit und Sport, aber auch der Aufbau der neuen Hauptstadt Brasília in den Jahren bis 1960. Manche Arbeiten wirken zeit- und ortlos, zeigen sie doch Elemente des Lebens, die die brasilianische Gesellschaft weder von anderen Gesellschaften noch von früheren oder späteren Dekaden unterscheidet. Dazu gehören zum Beispiel eine aus einem Hochhaus aufgenommene Fotografie des Strands von Copacabana (Medeiros, Abb. 07), ein Panorama des Fußballstadions von Brasília (Gautherot, Abb. 34) und Aufnahmen von Arbeitern in verschiedenen Industriebetrieben (Flieg, Abb. 96 und 101). Viele andere Bilder aber zeigen unverkennbar Brasilien und ebenso unverkennbar eine Zeit, in der Aushandlungsprozesse zwischen Tradition und Fortschritt, zwischen der Bewahrung der Kultur der Ureinwohner und der Modernisierung durch Industrialisierung und technischen Fortschritt in vollem Gang waren. Die einzigartige Aufnahme einer Gruppe von Yalawapiti-Indianern, die ein Propellerflugzeug an der Tragfläche anschiebt, zeigt das Zusammentreffen der Regenwaldbewohner und einer von Mobilität und Technik faszinierten Moderne, die den Betrachter zwar über den historischen Moment informiert, ihn aber auch irritiert zurücklässt (Medeiros, Tafel 1). Welche Art von Begegnung mag diesem auf das Jahr 1949 datierten Moment vorangegangen sein?

 

Hans Gunter Flieg, Electroradiobras, São Paulo, um 1956 © Instituto Moreira Salles

Hans Gunter Flieg, Electroradiobras, São Paulo, um 1956

Ähnlich verhält es sich mit einem Bild, das Thomaz Farkas am 21. April 1960, dem Tag der Einweihung der Hauptstadt Brasília, vor einem eben fertiggestellten Regierungsgebäude aufnahm. Im Vordergrund steht ein Lastwagen, rechts daneben unterhält sich eine Gruppe von schick im Stil der 1950er-Jahre gekleideten Frauen, die mit ihren sauberen Schuhen mitten im Dreck stehen; links daneben sind einige herumlaufende Männer zu sehen, die dem Gebäude keinerlei Beachtung schenken. An dem Lastwagen ist eine Art Vorzelt angebracht, unter dem sich leere Kisten stapeln. Das Bild fängt einen Moment ein, in dem die Schwierigkeiten des Aufbaus einer Kunststadt unübersehbar werden: Es gibt hier keine gewachsene, lokal verwurzelte Gesellschaft; hier gibt es ‚nur’ Individuen, die zwischen Autos herumlaufen. Die Stadt scheint so unfertig, dass der Betrachter sich kaum vorstellen kann, wie ein Land von der Größe Brasiliens von hier aus regiert werden soll. Konterkariert werden Aufnahmen dieser Art indes durch eine Fotografie, die Oscar Niemeyer mit drei Freunden in entspannter Atmosphäre in einer Bar oder einem Hinterzimmer zeigt und die den geistigen Vater der neuen Hauptstadt so greifbar macht, dass mittelbar auch die neue Hauptstadt ein vertrautes Gesicht bekommt.

Kritisch anzumerken ist, dass der Band nicht annähernd so viele Fotografien zeigt, wie in der Ausstellung zu sehen sind – was das Buch allerdings auch handhabbar und erschwinglich macht. Etwas umständlich wird das Betrachten der Bilder dadurch, dass die Bildunterschriften nicht neben den Tafeln, sondern nur im angehängten Katalogteil zu finden sind; dort sind immerhin auch Miniaturen der Bilder zu finden, die nur in der Ausstellung zu sehen waren – hier in der Reihenfolge der dortigen Hängung. Der Textteil eignet sich gut als Einführung in die jeweiligen Gesamtwerke der vier Fotografen, lässt aber Fragen zu den Arbeitsbedingungen, wirtschaftlichen Verhältnissen und auch zu den politischen Haltungen der Fotografen weitgehend außer Acht.

In ihrer Gesamtheit zeichnen die in diesem Band versammelten Fotografien ein sehr eindrückliches Bild der brasilianischen Gesellschaft der 1940er- und 1950er-Jahre, und sie zeichnen dies auf ästhetisch höchstem Niveau. Der Band (wie auch die nun bis zum 27. April 2014 verlängerte Ausstellung im Museum für Fotografie in Berlin) ist ein Genuss für das Auge und macht neugierig auf die Geschichte eines Landes, das sich von Europa aus betrachtet auch dann noch an der Peripherie befindet, wenn es gerade die Ausrichtung einer Fußballweltmeisterschaft vorbereitet. Allen, die mit dem Gedanken spielen, zu diesem Anlass dorthin zu reisen – und sei es nur mental –, sei dieser Band wärmstens empfohlen.

Katalog

Ludger Derenthal und Samuel Titan Jr. (Hrsg.), Brasiliens Moderne 1940–1964. Fotografien aus dem Instituto Moreira Salles, Bielefeld/Berlin: Kerber-Verlag 2013, 176 Seiten, zahlreiche s/w-Abbildung im Textteil und 111 schwarz-weiße Bildtafeln im Katalog, 40,00 Euro.

Ausstellung

Brasiliens Moderne 1940–1964. Fotografien von José Medeiros, Thomaz Farkas, Marcel Gautherot und Hans Gunter Flieg aus dem Instituto Moreira Salles, Museum für Fotografie, Jebensstr. 2, 10623 Berlin, 27. September 2013 bis 27. April 2014 (nach Verlängerung), Di-So 10-18 Uhr, Do 10-20 Uhr, Eintritt 10 Euro, ermäßigt 5 Euro

 

 

Quelle: http://www.visual-history.de/?p=1266

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Hay mas futuro que pasado – oder: wie weiter mit hist.net?

Seit dem viel zu frühen Tod meines Freundes Peter Haber stellt sich mir die Frage, wie es mit unserem gemeinsam vor 15 Jahren begonnenen Projekt “hist.net” weitergehen soll. Bald ist mir klar geworden: Die Plattform in der bisherigen Form weiter zu führen, ist (aus verschiedenen Gründen) nicht möglich – und auch nicht sinnvoll. Sie zu […]

Quelle: http://weblog.hist.net/archives/6729

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das-perth-projekt – Tagebucheinträge aus dem Wien des Jahrs 1814

Mit dem neuen Jahr startet der Theaterwissenschafter, Judaist, Radio-Journalist und nicht zuletzt Gabelsberger-Experte Andreas Kloner eine schöne Website namens das-perth-projekt; darin werden nach Vorbild der Pepys-Tagebücher täglich die persönlichen Erlebnisse eines jungen Wiener Beamten veröffentlicht, die dieser vor genau 200 Jahren erlebt und aufgezeichnet hat. Seine Beobachtungen geben Einblick in das Wiener Alltagsleben des frühen 19. Jahrhunderts und dessen sozialen, kulturellen, politischen, religiösen, topographischen und wirtschaftlichen Zusammenhänge, Einblick in eine Welt, in der es möglich war, Ludwig van Beethoven und Anton Diabelli live musizieren zu hören, fahrende Kutschen ohne Pferdegespann von der Hofburg in den Prater zu begleiten und hautnah den mehr tanzenden, als tagenden Wiener Kongress und dessen illustren Gäste zu erleben. Und nicht zuletzt offenbart sich das Bild eines jungen Mannes zu Beginn des Wiener Biedermeiers, der mit seinen schriftlich festgehaltenen persönlichen Empfindungen und Empfindlichkeiten sich kaum von einem Menschen des 21. Jahrhunderts unterscheidet. Fehlt zum Leseglück nur mehr ein RSS-Feed!

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/598967084/

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Über das geozentrische Weltbild des Mittelalters II – die sublunare Welt

Bevor ich heute ein paar Worte zum Aufbau der sublunaren Welt verliere, vorneweg ein kurzer Disclaimer: Mir geht es hier vor allem darum, einen möglichst simplen Einstieg in das mittelalterliche Weltbild zu geben. Viele wichtige Autoren, Theorien und Forschungskontroversen des Mittelalters muss ich daher leider unter den Tisch fallen lassen. Wenn möglich, versuche ich, mittelalterliche Autoren zu Wort kommen zu lassen, auch wenn diese nicht die Urheber der vorgestellten Theorien sein sollten.

Der mittelalterliche Kosmos erinnert ein Stück weit an eine Zwiebeln, die aus verschiedenen, umeinander angeordneten „Schichten“ besteht. Im Zentrum dieser Zwiebel findet sich die Erde, begrenzt wird sie, quasi als Schale, durch die Ebene der Fixsterne. Dazwischen sind die Planeten inklusive Sonne und Mond.

Sphärenmodell am Freiburger Münster – Foto: privat

 

 Diese Schichten, oder richtiger Sphären, lassen sich untereinander Qualitativ unterscheiden: in einen sublunaren (also unterhalb der Sphäre des Mondes) und einen himmlischen Bereich. Während die himmlische Welt durch den Menschen nicht beeinflusst werden kann, stellt die sublunare Welt, also die Sphären unterhalb des Mondes im weitesten Sinne dessen Lebensbereich dar – und um diesen dreht sich der heutige Beitrag.

Die sublunare Welt besteht aus vier Elementen oder verschiedenen Mischtypen. Ideengeschichtlich lässt sich diese Vorstellung (wie auch die Einteilung in sublunar und himmlisch) auf Aristoteles zurückführen[1], ich möchte aber mit Wilhelm von Conches, den ich schon des Öfteren zu Wort kommen lassen habe, beginnen. Im Dragmaticon (nach der englischen Übersetzung von Italo Ronca[2]) schreibt dieser: „In his [hier ist Aristoteles gemeint] opinion, the four elements exist from the moon downward […]; all things below the moon are either elements or consist of them.“ (Buch III, cap. 5)

Die vier Elemente sind natürlich die Erde, das Wasser, die Luft und das Feuer. Sie haben verschiedene Eigenschaften und nehmen einen jeweils eigenen Ort im Weltgefüge ein: Über der Erde findet sich Wasser. Über dieser Schicht Luft, und als letztes Element vor den himmlischen Sphären, das Feuer.

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Die sublunaren Sphären nach Hartmann Schedel aus seiner Weltchronik (Druck Nürnberg 1943, Digitalisat UB Heidelberg: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/is00309000 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/)

Diese Anordnung ist nicht willkürlich, sondern lässt sich durch Logik und Beobachtung durch die Schwerkraft herleiten: Zum einen hat jedes Element sein ihm eigenes Gewicht (Am schwersten ist die Erde, am leichtesten das Feuer): „[T]here is no part of earth or water that, if raised for some cause, would not descent once that cause was removed; and the heavier earth is than water, the faster it is in this motion toward the center.“ (Buch II, cap. 6, 5) Umgekehrt sei es bei den Elementen Luft und Feuer: sie würden natürlicherweise nach oben streben.

For since every place except earth is higher than water, and it is contrary to the nature of water to ascend, and since the lowest place is occupied by a more solid element [nämlich die Erde], water cannot move by any kind of transfer.” (Buch II, cap. 6, 11) Gleiches gilt für Luft, die nicht aufsteigen kann, weil sie durch das leichtere Element des Feuers begrenzt wird. „In conclusion, the fabric of the world remains unshaken because of the great bodies, which are called elements by some, have no place to which to move by transfer.” (Buch II, cap. 6, 12)

In der Mitte dieser sublunaren Welt befindet sich also die Erde. Sie ist unbeweglich. „If you want a rational argument: from ist bulkiness, coldness, and dryness“, das sind Qualitäten dieses Elements, die Wilhelm an anderer Stelle ausführt, „the earth is insensible, heavy, and immovable.“ (Buch II, cap. 6, 7).

Sie hat aufgrund der Schwerkraft darüber hinaus die Form einer Kugel, weil “the stars that appear at one latitude do not appear at another: the star of Canopus, which is visible in Egypt, is not visible at our latitude. This would never happen if the earth were flat. Therefore, the earth is round and spherical.” (Buch VI, cap. 2, 6, einen anderen Beweis habe ich hier schon vorgestellt). Besonders schön ist dieser Aufbau der sublunaren Welt in Bruxelles, Bibliothèque Royale de Belgique, MS. 9231, fol. 281v zu finden.

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Bruxelles, Bibliothèque Royale de Belgique, MS. 9231, fol. 281v

Die Welt verstanden als geographischer Raum wurde im Mittelalter vor allem auf zwei Arten dargestellt[3],

  1. als TO-Karte
  2. als Zonenkarte

Eine TO-Karte ist oben abgebildet. Im Grunde zeigen diese Karten lediglich einen kleinen Ausschnitt der bekannten und als bewohnbar erachteten Welt: Mittelmeer, Nil und Don teilen diese bekannte Welt in drei Teile, von denen im Osten Asien 2/4, Europa und Afrika jeweils ¼ der Landmasse einnehmen. Aus kosmologischer Sicht viel interessanter sind aber die sogenannten Zonenkarten.

Martianus Capella, einer der fürs Mittelalter ganz wichtigen spätantiken Autoren, die entscheidend zum kosmologischen Wissen des Mittelalters beigetragen haben, schreibt hierzu (in der etwas manirierten Übersetzung von Hans Günter Zekl[4]):

Der Erdkreis wird geschieden in fünf Zonen […]. Drei davon haben die Unbilden des Wetters durch vieles Allzuviel von Gegensätzen für menschliche Besiedlung verbannt: Die zweie, die auf beiden Seiten an die Achse [das wären die Pole um die Erdachse] grenzen, die liegen unter ungeheurem Frost und Kälte und geben angesichts des Falls von Schnee und Eis den Anlaß, sie zu meiden; der mittlere dagegen [der Äquator], von heißem hauch der Flammen ausgedörrt, brennt allem, was da lebt, den Zugang fort, wenn es da nähertreten will. Die andern zwei (die jetzt noch dasind) haben mit Einzug wohlgemischten Lebensatems dem, was da atmet, die Besiedlung erlaubt.“ (Buch VI, 602)

Auf der gesamten Rundungskrümmung der Erde haben sie sich um die obere sowohl wie um die untere Halbkugel herumgelegt. Denn beiderseits trennt Erde die zwei an ihr in Halbkreisform gegebenen Teile mit allerlei Verschiedenheit ab, d.h., sie hat eine obere Hälfte – die bewohnen wir, und es umgibt uns der Okeanus; und eine andere, die untre eben.“ (ebd.)

Auf dieser Hälfte leben unsere Antipoden, also nach heutigem Verständnis etwa die Australier, die man sich im Mittelalter zum Beispiel so vorstellte:

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Antipoden. Aus einer Abschrift von De civitate Dei; Nantes, Bibliotheque Municipale, Ms. fr. 8, fol. 163.

Kartographisch lässt sich das etwa so darstellen, wie in der Arnsteinbibel (Achtung, die Karte ist geostet!): Umgeben von zwei sich schneidenden Ozeanen (der eine ist als Kreis um die Welt dargestellt, der andere als mittlerer Streifen) befindet sich die Welt, die man in fünf verschiedene Zonen teilen kann.

Zonenkarte aus British Library, Harley 2799, fol. 242v

Zonenkarte aus British Library, Harley 2799, fol. 242v

Von diesen Zonen sind jeweils zwei bewohnt, drei aber unbewohnt: die Zonen an den Polen starren vor Kälte, während die mittlere Zone, die sich auf der Karte mit dem mittleren Ozean deckt, völlig verbrannt und ausgedörrt ist (perusta). Tatsächlich ist diese Zone so heiß, dass man sie gar nicht überqueren kann. Von den bewohnbaren Zonen kennen wir daher nur eine, die nördliche, die unserer bekannten Welt entspricht, und die man ihrerseits als TO-Karte darstellen kann.

So viel zur sublunaren Welt, zu den himmlischen Regionen dann das nächste Mal.

[2] Italo Ronca, A dialogue on natural philosophy : translation of the new Latin critical text with a short introduction and explanatory noteses. Notre Dame 1997.

Quelle: http://quadrivium.hypotheses.org/150

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Graphisch aufbereitete Blog-Statistik für 2013 (seit Mai)

http://jetpack.me/annual-report/30731069/2013 Crunchy numbers. A New York City subway train holds 1,200 people. This blog was viewed about 3,900 times in 2013. If it were a NYC subway train, it would take about 3 trips to carry that many people. In 2013, there were 148 new posts, growing the total archive of this blog to 254 […]

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2013/12/4852/

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Und sie steht doch? Über das geozentrische Weltbild des Mittelalters I

“a circle of blackness shifts slightly […] and becomes a world under darkness, its stars the lights of what will charitably be called civilization. For, as the world tumbles lazily, it is revealed as the Discworld – flat, circular, and carried through space on the back of four elephants who stand on the back of Great A’tuin, […] a turtle ten thousand miles long, dusted with the frost of dead comets, meteor-pocked, albedo-eyed.”[1]

Das Leben ist ungerecht! Während Autoren unserer Zeit dafür gefeiert werden, bizarre Welten zu entwerfen, so rümpfen wir bei den Welterklärungen der Vergangenheit schon bei der kleinsten Ungenauigkeit die Nase. Gerade gegenüber dem Mittelalter fahren wir dabei zur Verurteilung als intellektuell dunkles Zeitalter schwere Geschütze auf, z.B.: das geozentrische Weltbild.

Der Kosmos nach Hartmann Schedel aus seiner Weltchronik (Druck Nürnberg 1943, Digitalisat UB Heidelberg: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/is00309000 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/)

Der Kosmos nach Hartmann Schedel aus seiner Weltchronik (Druck Nürnberg 1943, Digitalisat UB Heidelberg: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/is00309000 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/)

Diese Vorstellung, die anstatt der Sonne die Erde als Zentrum des Alls erachtet, gilt wohl als Prototyp mittelalterlicher Rückständigkeit und Vernunftfeindlichkeit. Während es heliozentristische Vorstellungen schon in der Antike gegeben hätte, hätte das dogmatische Christentum mit Feuer und Kreuz immer und immer wieder die Vernunft unterdrückt, so eine – nicht nur in den Untiefen des Internets – weit verbreitete Vorstellung.

Dabei ist diese Vorstellung nicht nur unfair[2], sie lässt auch drei entscheidende Punkte außer Acht:

  1. Das Mittelalter hat das geozentrische Weltbild gar nicht selbst „verbrochen“, das war die griechische Antike
  2. In eben dieser Antike gab es noch viel „absurdere“ Weltbilder
  3. Das geozentrische Weltbild ist mitnichten absurd, im Gegenteil es ist im höchsten Maße vernünftig

Ich glaube diese Vorurteile rühren vor allem daher, dass Vielen gar nicht bewusst, wie komplex und clever das geozentrische Weltbild aus Sicht der Zeit eigentlich ist. In der folgenden Artikelreihe will ich dieses Weltbild, das immerhin mehrere Jahrtausende das Bild der Menschen von der Welt bestimmte, daher etwas näher erläutern. Beginnen möchte ich mit ein paar grundsätzlichen Bemerkungen über den Umgang mit überkommenen Wissenschaftsvorstellungen.

Als „wissenschaftlich“ erscheint uns heute oft, was sich im Laufe der Zeit als richtig herausgestellt hat. Das geozentrische Weltbild ist daher eine irrige Annahme, ergo unwissenschaftlich. Die Geschichte der Naturwissenschaft, also auch die Geschichte der Kosmologie verstehen wir auch heute noch oftmals als eine Aufklärungsgeschichte, an deren Ende natürlich der aufgeklärte Mensch der Neuzeit steht.

Aus Camille Flammarion, L'Atmosphere: Météorologie Populaire. Paris 1888, S. 163. (Digitalisat aus den Wiki Commons)

Aus Camille Flammarion, L’Atmosphere: Météorologie Populaire. Paris 1888, S. 163. (Digitalisat aus den Wiki Commons)

 Eine solche Geschichte vom wissenschaftlichen Fortschritt kann man durchaus erzählen, aber – um mit Rodney Thomson zu sprechen – “The least that one might say of this is that it is a variant of history written from the victor’s viewpoint, with the attendant limitations of balance and perspective.[3] Genauso wenig, wie man einer mittelalterlichen Kathedrale nicht in erster Linie durch das Betonen ihrer Defizite gegenüber moderner Architektur begegnet, sollte man auch das mittelalterliche Weltbild nicht vor dem Hintergrund des aktuellen physikalischen Wissensstandes bewerten: Zum einen, weil dadurch der Sinn für die faszinierenden Eigenheiten der jeweiligen Kultur verloren geht; zum anderen aber auch, weil nicht alles, was sich als falsch herausgestellt hat, zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht vernünftig gewesen sein kann.

Im Grunde gibt es drei Möglichkeiten, wie Mensch sich ein Bild von der Welt machen kann:

  1. Mythisch
  2. Spekulativ
  3. Empirisch

Der moderne Mensch würde sein eigenes Weltbild eindeutig unter der dritten Kategorie einordnen und sich klar von mythischen und spekulativen Weltbildern, unter die er wohl das geozentrische Weltbild einreihen würde, abgrenzen wollen. So einfach ist es aber nicht!

Zunächst muss man festhalten, dass das geozentrische Weltbild keineswegs eine dogmatische Erfindung des christlichen Mittelalters war. Im Gegenteil, wie auch das heliozentrische Weltbild, musste es sich im Laufe der griechischen Antike erst gegen einer Reihe durchaus bizarrer Weltentwürfe durchsetzen[4]: Hierunter archaische Welterklärungen, wie sie zuweilen bei Homer durchscheinen; aber auch heute durchaus geschätzte Philosophen wie die Pythagoräer erdachten Kosmosmodelle, die uns gelinde gesagt befremdlich vorkommen müssen: Hier sein die Wikipedia zitiert, vor allem des letzten Satzes wegen:

Das älteste Modell, das wir kennen, ist dasjenige des Philolaos aus der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts. Es nimmt ein Zentralfeuer an, das den Mittelpunkt des Universums bildet und um das die Himmelskörper einschließlich der Erde kreisen. Für uns ist es unsichtbar, da die bewohnten Gegenden der Erde auf der ihm stets abgewandten Seite liegen. Um das Zentralfeuer kreist auf der innersten Bahn die Gegenerde, die für uns ebenfalls unsichtbar ist, da sie vom Zentralfeuer verdeckt wird. Darauf folgen (von innen nach außen) die Erdbahn und die Bahnen von Mond, Sonne und fünf Planeten (Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn). Umschlossen ist das Ganze von einer kugelförmigen Schale, auf der sich die Fixsterne befinden. Aristoteles kritisierte dieses System, da es nicht von den Erscheinungen, sondern von vorgefassten Ansichten ausgehe; die Gegenerde sei nur eingeführt worden, um die Zahl der bewegten Körper am Himmel auf zehn zu bringen, da diese Zahl als vollkommene galt.

Das geozentrische Weltbild ist also mitnichten mythisch, es ist auch nur in geringem Maße spekulativ, es ist eigentlich äußerst empirisch, wie Arianna Borrelli richtig betont hat:

„This image of the world appears today hopelessly outdated, and might be seen as the product of abstract philosophical speculations, having little or nothing to do with reality. As a matter of fact, though, the homocentric-spheres-model offers a faithful representation and clever explanation of the way heavenly bodies are seen to move in the sky when time passes or when humans travel.[5]

Das ist ein ganz zentraler Punkt: Das geozentrische Weltbild entspricht ziemlich genau dem All, wie man es von der Erde aus betrachtet erfährt und vermessen kann, etwa als Himmelsglobus:

St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. Sang. 902, fol. 81, www.e-codices.unifr.ch (http://www.e-codices.unifr.ch/en/list/one/csg/0902)

Himmelsglobus mit Sternzeichen in Ms St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. Sang. 902, fol. 81, www.e-codices.unifr.ch (http://www.e-codices.unifr.ch/en/list/one/csg/0902)

Es ist als „interaction between a form of mathematical reasoning based on geometrical imagination and natural philosophy[6], also eigentlich eine Mischung zwischen der zweiten (spekulativ) und dritten (empirisch) Kategorie und unserem eigenen Ansatz damit gar nicht so unähnlich.

In das (übrigens lateinische und arabische) Mittelalter ist das geozentrische Weltbild durch spätantike Autoren tradiert worden, wo es von den Mönchen des frühen Mittelalters mit dem Segen des karolingischen Herrscherhauses gefestigt wurde[7]. Interessant ist, dass es gerade während der Spätantike durchaus auch christliche Gegenentwürfe gab, die sich aber aus naheliegenden Gründen (siehe Bild) nicht gegen das rationale geozentrische Weltbild durchsetzen konnte.

Die Welt im Tabernakel nach Cosmas Indicopleustes Topographia Christiana (6. Jahrhundert) (Digitalisat Wiki Commons)

Die Welt im Tabernakel nach Cosmas Indicopleustes Topographia Christiana (6. Jahrhundert) (Digitalisat Wiki Commons)

Das geozentrische Weltbild ist daher also mitnichten das Werk verblendeter christlicher Fundamentalisten. Es basiert nicht einfach auf mythischen oder spekulativen Gedankenmodellen, sondern bildet die scheinbaren Vorgänge am Himmel ab. Das bestimmende Weltbild der Antike, des Mittelalters und der frühen Neuzeit war daher kein intellektueller Rückschritt, sondern muss – aus der Zeit heraus bewertet – im Gegenteil als Fortschritt verstanden werden. Wie dieses Weltbild genau ausgesehen hat, das möchte ich in den nächsten Tagen und Wochen etwas näher erläutern.

 

[1] Terry Pratchett, Pyramids, London 1989, S. 7.

[2] ganz abgesehen von dem sehr wichtigen Punkt, dass das heliozentrische Weltbild mitnichten durch die Kirche unterdrückt wurde, aber das ist eine andere Geschichte, http://www.zeit.de/1980/46/galileo-galilei-war-kein-maertyrer.

[3] Rodney Thomson, Richard Southern and the twelfth-century intellectual world. In: Journal of religious history Bd. 26 (2002) S. 264-273, hier S. 271.

[4] Einführend in die griechische Astronomie: Árpád Szabó, Das geozentrische Weltbild: Astronomie, Geographie und Mathematik der Griechen. Stuttgart 1992.

[5] Arianna Borrelli, Aspects of the astrolabe. Stuttgart 2008, S. 36.

[6] Ebd.

Quelle: http://quadrivium.hypotheses.org/136

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aventinus historia Nr. 12 [30.12.2013]: Abbildungen zu Johannes Aventinus im digitalen Bildarchiv der Bayerischen Staatsbibliothek

Das Bildarchiv der Bayerischen Staatsbibliothek zeigt drei Abbildungen aus dem 16., 18. und 19. Jahrhundert in Kupfer- bzw. Holzstich des prominenten Namensgebers unserer Publikationsplattform Johannes Aventinus (1477-1534) http://bit.ly/1d2RCD8

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2013/12/4849/

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