Argumentationshilfe zum Unwissenschaftlichkeits-Vorwurf an die Gender Studies

Wer mit dem Begriff „Gender“ arbeitet, wird nicht selten mit dem Vorwurf einer prinzipiellen Unwissenschaftlichkeit konfrontiert. Die Broschüre, die als PDF frei erhältlich ist, geht diesem Vorwurf nach und gibt Argumente für entsprechende Auseinandersetzungen an die Hand.
Es werden mediale Entstehungsmythen des Begriffs Gender nachgezeichnet und Verzerrungen in der Darstellung des Genderdiskurses beleuchtet. Auch wird dargestellt, wie im Schlagwort „Genderismus“ unterschiedlichste Sachverhalte aus Geschlechterforschung und Gleichstellungspolitik vermischt werden.
Der Begriff „Gender-Ideologie“ wird unter die Lupe genommen: Er soll delegitimieren, wirft dabei aber Fragen auf, zu deren Beantwortung gerade die Gender Studies viel beitragen können. Auch wird erläutert, welchem spezifischen Wissenschaftsverständnis der Vorwurf der Unwissenschaftlichkeit entspringt, das wiederum einen nicht begründbaren Alleinvertretungsanspruch erhebt.
An Beispielen wird schließlich greifbar, wie sehr der Vorwurf der Unwissenschaftlichkeit auf einem Doppelstandard basiert, und sich – ganz entgegen dem eigenen Anspruch auf Neutralität und Objektivität – als politisch motiviert erweist.
Frey, Regina/Gärtner, Marc/Köhnen, Manfred/Scheele, Sebastian (2013): Gender, Wissenschaftlichkeit und Ideologie – Argumente im Streit um Geschlechterverhältnisse, Berlin: Heinrich-Böll-Stiftung, 72 Seiten.


Einsortiert unter:Erfahrungen, Interna, Linke Debatte, Literatur, Medien, Meinung, Methodik

Quelle: http://kritischegeschichte.wordpress.com/2013/07/04/argumentationshilfe-zum-unwissenschaftlichkeits-vorwurf-an-die-gender-studies/

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Petition: Kein Redeverbot für akademische ‘Whistleblower’

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ein Gastbeitrag von Stefan Heßbrüggen

Am 14. 5. 2013 hat die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) Empfehlungen zur ‘guten wissenschaftlichen Praxis’ veröffentlicht. Darin heißt es unter anderem:

“Zum Schutz der Hinweisgeber (Whistle Blower) und der Betroffenen unterliegt die Arbeit der Ombudspersonen höchster Vertraulichkeit. Die Vertraulichkeit ist nicht gegeben, wenn sich der Hinweisgeber mit seinem Verdacht an die Öffentlichkeit wendet. In diesem Fall verstößt er regelmäßig selbst gegen die Regeln der guten wissenschaftlichen Praxis. […] (vgl. geplante Ergänzung zu DFG, Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis, Empfehlung 17, […]).”

Diese Vorschrift beruht also auf einer ‘geplanten’ Ergänzung der Empfehlungen der DFG zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis, über die auf der heute (3.7.2013) zu Ende gehenden Mitgliederversammlung der DFG beraten worden ist. Das Ergebnis dieser Beratungen wird die DFG der Öffentlichkeit auf ihrer morgen (4.7.2013) stattfindenden Jahrespressekonferenz mitteilen.

Gegen diese neuen Regularien habe ich am 1.7.2013 eine Petition in Gang gesetzt, die aktuell bereits von über 150 Personen gezeichnet worden ist. Die Redaktion von de.hypotheses.org hat mir freundlicherweise die Gelegenheit gegeben, meine Motivation zu diesem Schritt in einem Gastbeitrag zu erläutern.

Ein intransparentes Verfahren

Das Verfahren zur Festlegung neuer Standards guter wissenschaftlicher Praxis war intransparent und selbst nicht den Werten der Wissenschaft verpflichtet. Dem entspricht das Ergebnis: Ich halte den Beschluss der HRK für normativ falsch und seine Folgen für schädlich. Sollte die DFG diesen Beschluss übernommen haben, sind seine Konsequenzen für das deutsche Wissenschaftssystem insgesamt kaum abzuschätzen, da die Vorgaben der DFG regelmäßig in universitätsinterne Satzungen und Ordnungen umgesetzt werden und somit Bindungswirkung nicht nur für jene entfalten, die Drittmittel von der DFG empfangen, Anträge begutachten usw. Vielmehr setzt die DFG den De-facto-Standard für gute wissenschaftliche Praxis in Deutschland insgesamt.

Umso bemerkenswerter ist es, dass ich bislang keinen Beleg dafür finden konnte, dass die DFG Fachgesellschaften oder die wissenschaftliche Öffentlichkeit insgesamt in ihre Überlegungen einbezogen hätte. An die Stelle eines solchen Diskurses traten wohl populärpsychologische Überlegungen zur Motivation von ‘Whistleblowern’. Als Beleg für den in der DFG anscheinend vorherrschenden Geist kann ein Gastbeitrag der DFG-Justitiarin Kirsten Hüttemann aus dem Jahr 2011 dienen:

“Die Motivationslage der anzeigenden Wissenschaftler (“whistleblower”) reicht vom ernsthaften Interesse an ehrlicher Wissenschaft, dem Bemühen um zielführende Konfliktlösungen, der verzweifelten Suche nach Klärung einer “verfahrenen” Situation auch bei zwischenmenschlichen Unstimmigkeiten bis hin zu “Konkurrenzdenken” und Querulanz.”

Frau Hüttemann hat eins nicht verstanden: Die ‘Motivationslage der anzeigenden Wissenschaftler’ ist für die Validität geäußerter Vorwürfe vollkommen unerheblich. Wenn wissenschaftliches Fehlverhalten aufgedeckt wird, ist es der Wissenschaft (also uns Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern) völlig gleichgültig, ob dies aus Konkurrenzdenken oder Querulanz geschieht. Entscheidend ist einzig, ob der Vorwurf triftig ist. Das aber entscheiden Wissenschaftler/innen im fachwissenschaftlichen Diskurs.

Die Norm: falsch und schädlich

Damit sind wir bei der Frage, ob diese Regelungen normativ richtig sind. Die Antwort fällt leicht, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die heute geltenden Verfahren und Normen wissenschaftlichen Arbeitens sich in letzter Instanz der Aufklärung verdanken. Wesentliche Norm ist hier die der Publizität: Vorgänge, die mit dieser Vorgabe unverträglich sind, sind damit zugleich gegen die Werte der Aufklärung gerichtet. Ob dies im politischen Bereich uneingeschränkt zutrifft, muss hier nicht entschieden werden. Die Wissenschaft jedenfalls bedarf keiner Geheimverfahren, um ihrem Hauptzweck, der Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnis, zu genügen. Das hinter diesem Hauptzweck Rechte Einzelner etwa auf Vertraulichkeit oder Ehrschutz zurückzutreten haben, versteht sich von selbst: Niemand wird gezwungen mitzumachen. Jede und jeder weiß idealerweise spätestens am Ende des Studiums, dass dieser Preis zu zahlen ist.

Die von der HRK beschlossenen und von der DFG erwogenen Änderungen sind aber nicht nur falsch, sondern schädlich. Durch die unklare Definition des Begriffs ‘whistle blowing’ wird legitimes wissenschaftliches Handeln potentiell ‘kriminalisiert’, also als möglicher Verstoß gegen die Richtlinien guter wissenschaftlicher Praxis gebrandmarkt. Hieraus entsteht ‘Furcht, Unsicherheit und Zweifel’, also ein Klima, in dem gerade Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler sich gründlich überlegen müssen, mit Vorwürfen an die Adresse anderer vorzutreten.

Schließlich, und dies ist wohl der größte Schaden, steht die deutsche Wissenschaft gerade im Begriff, sich im internationalen Maßstab lächerlich zu machen. Kaum ein Kollege im Ausland wird noch gerne die Zusammenarbeit mit einem Wissenschaftssystem suchen, das seine eigenen Maßstäbe in einem derart intransparenten Verfahren und mit derart fragwürdigem Ausgang festgelegt hat.

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Bisherige Veröffentlichungen zum Thema in chronologischer Reihenfolge, Stand 3.7.2013, 17h30 (bitte in den Kommentaren ergänzen!):

• Roland Preuß, Plagiatsskandale. Unis sehnen sich nach dem stillen Kämmerlein, in: Süddeutsche Zeitung, 10.6.2013, http://www.sueddeutsche.de/bildung/plagiatsskandale-unis-sehnen-sich-nach-dem-stillen-kaemmerlein-1.1692489.

• Klaus Graf, Plagiatsskandal. Unis wollen vertuschen, in: Archivalia, 10.6.2013, http://archiv.twoday.net/stories/434204837/.

• Erbloggtes, Es gibt kein Problem mit Wissenschaftsbetrug – solange niemand drüber redet, in: Erbloggtes, 23. 6. 2013, http://erbloggtes.wordpress.com/2013/06/23/es-gibt-kein-problem-mit-wissenschaftsbetrug-solange-niemand-druber-redet/.

• Erlebt, Bedenkliche Empfehlung der DFG, in: erlebt, 26. 6. 2013, https://www2.pms.ifi.lmu.de/erlebt/?p=9398.

• Raphael Wimmer, Warum die neue DFG Empfehlung Nr 17 der Wissenschaft schadet, in: Reflected Total Internal Frustration, 26. 6. 2013, http://raphaelwimmer.wordpress.com/2013/06/26/warum-die-neue-dfg-empfehlung-nr-17-der-wissenschaft-schadet/.

• Benjamin Lahusen, Gute wissenschaftliche Praxis, in: mops-block. Notizen aus der Rechtswelt, 28. 6. 2013, http://www.mops-block.de/bl-tagebuch/225-gute-wissenschaftliche-praxis.html.

• Erbloggtes, DFG berät über Ende des Rezensionswesens, in: Erbloggtes, 1. 7. 2013, http://erbloggtes.wordpress.com/2013/07/01/dfg-berat-uber-ende-des-rezensionswesens/.

• Stefan Heßbrüggen, Whistle blowing in the German University: A Regulatory Scandal in the Making, in: NewAPPS, 1.7.2013, http://www.newappsblog.com/2013/07/whistle-blowing-in-the-german-university-a-regulatory-scandal-in-the-making.html.


Veröffentlichungen zur Petition:

‣ Wissenschaftsallianz fordert Festungshaft für Rezensenten, in: Causa Schavan, 2.7.2013, http://causaschavan.wordpress.com/2013/07/02/wissenschaftsallianz-fordert-festungshaft-fur-rezensenten/.

‣ Don’t ban academic whistleblowing, in: Texttheater, 2.7.2013, http://texttheater.net/dont-ban-academic-whisteblowing.

‣ Erbloggtes, Offener Brief an Präsidenten von DFG und HRK, in: Erbloggtes, 2.7.2013, http://erbloggtes.wordpress.com/2013/07/02/offener-brief-an-prasidenten-von-dfg-und-hrk/.

‣ Klaus Graf, Werden Plagiate-Wikis par ordre de Mufti zum wissenschaftlichen Fehlverhalten erklärt?,  in: Netbib Weblog, 2.7.2013, http://log.netbib.de/archives/2013/07/02/werden-plagiate-wikis-par-ordre-de-mufti-zum-wissenschaftlichen-fehlverhalten-erklart/.

Tilmann Warnecke, “Guttenberg, Schavan und die Folgen: Maulkorb bei Plagiatsverdacht”, 3 7. 2013, http://www.tagesspiegel.de/wissen/guttenberg-schavan-und-die-folgen-maulkorb-bei-plagiatsverdacht/8443616.html

__________

Abbildung: Marine Sgt. at New Orleans, La., Library of Congress, http://www.loc.gov/pictures/resource/fsac.1a34989/.

Quelle: http://redaktionsblog.hypotheses.org/1431

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Projektvorstellung (Exposé)

ARBEITSTITEL:
Wissenschaftskommunikation und Kommunikationsformengeschichte: 
ein kommunikationshistorischer Vergleich zwischen Zeitschriften und Weblogs der wissenschaftlichen Öffentlichkeit

Einleitend

Wie jüngst anhand der „Groebner-Kontroverse“ (Hodel 2013) oder, wie sie auch genannt wurde: der „Masturbations-Debatte“[1] (Graf 2013a, 1) deutlich wurde, ist die Rolle des Internets im Allgemeinen und die Rolle von Weblogs im Besonderen für die Wissenschaft in ihrer erkenntnisstiftenden und Erkenntnisse kommunizierenden Funktion noch nicht erkennbar verfestigt. Die Auseinandersetzung von wissenschaftlichen Bloggern mit dem „Buch-Fetischisten“ (Graf 2013b, 12) Valentin Groebner nahm ihren Anfang in einem Vortrag auf der Münchener Konferenz „Rezensieren – Kommentieren – Bloggen: Wie kommunizieren Geisteswissenschaftler in der digitalen Zukunft“[2] und wurde durch seinen FAZ-Artikel vom 06.02.2013 „Muss ich das lesen? Ja, das hier schon. Wissenschaftliches Publizieren im Netz und in der Überproduktionskrise“ wesentlich befeuert. Was in diesem Diskurs deutlich wurde, ist etwas Typisches: Das sind die Vorbehalte einerseits gegen die Qualität und Haltbarkeit von Online-Publikationen und es sind die Hoffnungen andererseits auf einen Wandel des wissenschaftlichen Publikationssystems, dessen Heil im Open-Access-Bereich gesehen wird (vgl. z.B. Graf 2003).[3] Es sind die typischen Kennzeichen eines Interims sich etablierender Kommunikationstechnologien und der Frage nach ihrer Nutzbarkeit für domänenspezifische Zwecke.

Die erwähnten Konferenzen und Workshops, aber auch die bloggenden Wissenschaftler selbst sind Ausdruck dieses Interims und der mehr oder weniger reflektierten und tastenden Suche danach, was Weblogs für die (Kultur-)Wissenschaft zu versprechen und einzulösen vermögen, nachdem sie vor allem in der englischsprachigen (Natur-)Wissenschaft scheinbar zu einem festen Bestandteil der Wissenschaftskommunikation geworden sind (vgl. Fischer 2012).

Trotz des Interimszustands gibt es aber genügend verfestigte Vorstellungen und Ratgeber darüber, was Weblogs für die Wissenschaft zu leisten vermögen und wie gutes wissenschaftliches Bloggen auszusehen habe. Der Impetus der Ratgeber liegt dabei häufig auf der nötigen Blogspezifik wissenschaftlicher Weblogs und nicht auf ihrer möglichen Wissenschaftsspezifik (vgl. z.B. Scheloske 2012a). Damit einher gehen untersuchungsleitende Erwartungen in Bezug auf die Möglichkeiten der Popularisierung wissenschaftlichen Wissens durch Weblogs: Sie seien heute das geeignete Mittel der externen Wissenschaftskommunikation (vgl. Mahrt/Puschmann 2012, Scheloske 2012b). Nicht oder nur selten gerät in den Blick, welche Rolle Weblogs in einer veränderten, da zunehmend digitalisierten internen Wissenschaftskommunikation spielen können (vgl. Fritz 2011) und das, obwohl genau diese Kommunikationen in ebenso starkem Maße (auch) in den (deutschsprachigen) Weblogs und der Blogosphäre zu beobachten sind.

Diese Engführungen sind einerseits Ausdruck der blogosphäreninternen Selbstbeschreibung, aber andererseits Ausdruck einer Weblogforschung, die – vor allem in genretheoretischer Tradition (vgl. Puschmann 2013) – einzelne Ausprägungen von Webloggattungen hypostasiert (vgl. Schmidt 2006, 172), damit aber übersieht, dass Weblogs als Gattung(en) nicht widerspruchsfrei zu beschreiben sind (vgl. Miller/Shepherd 2009). Die in der Forschung oft beklagte Heterogenität von Weblogs ergibt sich aus ihrer „Multifunktionalität“ (Brinker 1985/62005, 148). Damit sind Weblogs selbst nicht als funktional bestimmte Gattungen zu begreifen, sondern als „Kommunikationsformen“ (Holly 2011), die als kulturelle Praktiken die Bedingungen der Möglichkeit für Kommunikation immer simultan zum Vollzug der Kommunikation (i.d.R. im Gepräge diverser Gattungsmuster) herstellen (vgl. Meiler i.V.).

Die Frage nach der Rolle von Weblogs im Wissenschaftsbetrieb ist also sekundär eine gattungsbezogene Frage und primär die Frage nach der Kommunikationssituation, die mit Weblogs  hergestellt wird und wie sich diese von anderen Kommunikationssituationen der wissenschaftlichen Öffentlichkeit unterscheidet. Diese Fragerichtung erlaubt eine Einschätzung des Bloggens als Teil der Wissenschaftskommunikation, indem sie die Gattungsspektren aufzeigt, die Weblogs im wissenschaftlichen Zweckgefüge verorten. Dies wurde im Rahmen einer Pilotstudie an vier Weblogs unternommen (s.u.). Diese Studie bereitet damit das Fundament für die spezifischere komparative Fragestellung nach den kommunikationsformenabhängigen Charakteristika der Darstellung von wissenschaftlichen Erkenntnissen und der interaktiven Auseinandersetzung mit diesem strittigen Wissen, also einem Kernbereich der Wissenschaft: der Eristik (Ehlich 1993).

Es gehört zudem zu den institutionellen Tatsachen der Wissenschaft, dass Universitäten einer „Ökonomisierung“ und damit einer „Quantifizierung von Forschungsleistungen“ unterworfen wird (Kieser 2010, 347), die den (früheren) „Wettbewerb um Reputation“ partiell transformieren (ebd., 356). Die diversen Rankings haben dabei steigenden Einfluss auf das Publikationsverhalten. Folgt man Kieser (ebd., 358), so verdrängt eine „extrinsische Motivation“, „Punkte für Ranglisten“ zu sammeln, die  „intrinsische“ Motivation zu forschen. Auch in diesem Lichte müssen (die Potenziale von) Weblogs betrachtet werden gerade, weil sie außerhalb dieses ver-rank-ten Publikationsbetriebs stehen.[4]

Es ergeben sich damit für das Projekt die folgenden, zu bearbeitenden Fragen:

  • Welche Möglichkeiten wissenschaftlichen Streitens bringen Weblogs hervor und in welcher Weise werden diese Möglichkeiten im Rahmen sich verändernder institutionalisierter Wissenschaft genutzt?
  • Wie gestaltet sich das prinzipiell dialogische, wissenschaftliche Streiten, wenn es sich von unidirektionalen in potenziell bidirektionalen aber ebenso verdauernden Kommunikationsformen bewegt?
  • Erweitert das medientechnisch und damit semiologisch veränderte Dispositiv der Weblogs (im Vergleich zu wissenschaftlichen Zeitschriften) auch die Mittel wissenschaftlichen Streitens?
  • In welcher Art werden Weblogs zur wissenschaftlichen Gemeinschafts(ab)bildung genutzt?

Forschungsstand: Wissenschaftssprache und Wissenschaftskommunikation

Das kooperative Unterfangen, Wissen d.h. Erkenntnisse über die „als befragbar“ gesetzten „Instanzen der Wirklichkeit“ hervorzubringen (vgl. Thielmann 1999, 371), ist nur eine Seite des Kerngeschäftes der Wissenschaft (vgl. Graefen 1997, 85ff.). Das zweite, fast wesentlichere Kerngeschäft ist das des Streitens um die adäquatere Erkenntnis, die richtigere Erklärung, den geeigneteren Ansatz, letztendlich des Streitens um die Wahrheit (im Sinne Foucaults z.B. 1977). Diesen Zweckbereich der Wissenschaft wurde Anfang der 1990er Jahre unter dem Begriff Eristik[5] zusammengefasst (vgl. Ehlich 1993), benannt nach der griechischen Göttin der Zwietracht und des Streites: Eris. Diese Erkenntnis, dass Wissenschaftssprache wesentlich nicht durch das Assertieren von Erkenntnissen, sondern von illokutionsmodifizierenden, eristischen Streitstrukturen bestimmt ist (vgl. da Silva 2010, 125f.), emanzipierte die Linguistik der Wissenschaftssprachen wegweisend von der hauptsächlich terminologieorientierten Fachsprachenforschung (vgl. Ehlich 1994, 339f.).

Neben den allgemeineren gemeinschaftsstiftenden Aspekten der wissenschaftlichen Communitys wie einer gemeinsamen Zweckorientierung auf Wissen bzw. Erkenntnis hin und spezifischen allgemeineren kommunikativen Prämissen (vgl. Graefen 1997, 82f.) ist es gerade die Eristik (in einem weit gefassten Sinne) wissenschaftlicher Auseinandersetzung, die die wissenschaftlichen Gemeinschaften, Lager, Schulen stiftet und sichtbar macht. Dazu ein Beispiel:

Assertive Struktur: Aussagen
Eristische Struktur: Streiten
(1) „Durch eine Explikation des mit dem Verb gegebenen elementaren Charakteristikums wird eine komplexe Prädikation aufgebaut, es entsteht in der Form eine Verbalphrase.“
(Hoffmann 2003, 34)

(2) „Syntax gilt als Kern der Grammatik, als Zentrum formorientierter Sprachanalyse. Sinn und Gegenstandsbereich werden allerdings kaum diskutiert.“
(ebd., 18)

Während in (1) eine komplexe, aber allgemein beschreibende Aussage über Verbalphrasen getätigt wird, verbergen sich in (2) hinter dem unscheinbaren „gilt als“ und dem „allerdings kaum“ massive Vorwürfe gegen eine strukturalistische Syntaxforschung, die weder genau wisse, was sie untersucht, noch warum. Hoffmann (2003) markiert damit eine Position im wissenschaftlichen Diskurs, die es im Verlauf seines Artikels gegen zu antizipierende Einwände vor allem aus einer bestimmten Community zu verteidigen gilt. Es zeigen sich hier also in der monologischen Form des wissenschaftlichen Artikels verdauerte sprachliche Handlungen eines prinzipiell dialogischen Streitens.

Als Forschungsbereich ist die Linguistik der Wissenschaftssprache und allgemeiner die Analyse von Wissenschaftskommunikation ein noch recht junger Teilbereich der – grob zusammengefasst – kommunikationsbezogenen Wissenschaften. Und gerade vor dem Hintergrund der zunehmenden internationalen Mobilität, der zunehmenden Angloamerikanisierung und der zunehmenden Digitalisierung können u.a. die Fragen der Erforschung und Didaktisierung der deutschen Wissenschaftssprache für (nicht-muttersprachliche) Studierende, Fragen der Wissenschaftssprachenkomparatistik und Fragen die digitale Wissenschaftskommunikation betreffend nicht ungestellt und unbeantwortet bleiben.

Den ersten beiden Bereichen widmet sich vor allem die Linguistik der Wissenschaftssprachen, wie sie seit den 1990er Jahren federführend unter Anregung von Konrad Ehlich betrieben wird. Die Emanzipierung von der Fachsprachenlinguistik, eine konsequent handlungstheoretische Konzeptualisierung von grammatischen bis hin zu institutionellen Zusammenhängen (Ehlich 1986/1991; Rehbein 2001), die Entdeckung der wissenschaftlichen Alltagssprache (Ehlich 1994) und eine große Bandbreite (auch kontrastiver) Untersuchungen traditioneller wissenschaftlicher Offline-Gattungen (z.B. Thielmann 2009) sowie ihr Fruchtbarmachen für die (Fremd-)Sprachen-lehre (Graefen/Moll 2011) können als das Verdienst dieser Forschungsrichtung angesehen werden.[6]

Mit den Möglichkeiten der Wissenschaftskommunikation im Internet befasst sich aktuell u.a. der von der Volkswagenstiftung geförderte Forschungsverbund „Interactive Science“, der zwar die Forschungsergebnisse der deutschen Wissenschaftssprachenforschung nicht zur Kenntnis nimmt, aber mit medienwissenschaftlich m.E. ausreichend adäquaten Unterscheidungen arbeitet, um Anknüpfungspunkte bereitzustellen (vgl. Gloning/Fritz Hg. 2011). Die vorwiegend explorativen, inventarisierenden und oft quantitativen Ergebnisse geben einen guten Überblick über die aktuelle, wenn auch schwerpunktmäßig englischsprachige Situation. „Kontroversen“ scheinen aber im Gegensatz zur „Kooperation“ (Dascal 2006, 19) im 2011er Sammelband des Forschungsverbundes nicht als alltägliches Geschäft der Wissenschaft begriffen zu sein, sondern als ein Sonderfall wissenschaftsinterner Auseinandersetzung (vgl. Fritz 2011, 195): So lassen einige Untersuchungen dieses Sammelbandes die Wissenschaftsspezifik ein wenig vermissen.

Daneben gibt es Untersuchungen aus den Bereichen der Kommunikationswissenschaft (z.B. Tokar et al. 2012; Robertson-von Trotha/Morcillo 2012; Voigt 2012; Donk 2012), der Bibliotheks- und  Informationswissenschaft (z.B. Stempfhuber 2006; Ball 2007; Kjellberg 2009, 2010; Bukvova et al. 2010; Ockenfeld et al. 2012), der Informatik (z.B. Seidenfaden 2007) und der Technikfolgenabschätzung (z.B. Nentwich 2009; Nentwich/König 2011). Das jüngst erschienene Handbuch Wissenschaftssoziologie (Maasen et al. 2012) wiederum geht auf das Internet gar nicht ein. Die anderen Disziplinen sind an qualitativen Analysen von Kommunikationshandeln i.d.R. nicht interessiert und untersuchen größere Zusammenhänge mit Befragungen zu und Nutzungsstatistiken und Inhaltsanalysen von u.a. Twitter, Weblogs und Social Network Sites, den Zusammenhang von Open Access und traditionellem Verlagswesen (vgl. auch Hedlund/Tonta 2010) und zu einem großen Teil externe Wissenschaftskommunikation (vgl. auch Dernbach et al. 2012). Dies aufgreifend verspricht ein kommunikationslinguistischer Blick auf interne Wissenschaftskommunikation eine präzise Positionierung und Qualifizierung von Weblogs im Gefüge institutionalisierter Wissenschaft.

Weblogs: Kommunikationssituation – Kommunikationsform

Seitdem sich die Linguistik mit Kommunikation beschäftigt, also mit Sprache als einem wesentlichen Teil kommunikativen Handelns, arbeitet sie an einer tragfähigen Beschreibung unterschiedlicher Kommunikationssituationen (vgl. Heinemann 2000, 530f.). Die Textlinguistik und die Gesprächslinguistik sind die etablierten Subdisziplinen, die die analytische Relevanz einer Unterscheidung von Kommunikationssituationen zum Ausdruck bringen. Die 2001 gestellte Preisfrage des GAL e.V. „Brauchen wir einen neuen Textbegriff?“ (Fix et al. 2002) ist zudem ein Schlaglicht der fortdauernden Auseinandersetzung mit dieser Unterscheidung v.a. auch im Hinblick auf den medialen Wandel. Diese Auseinandersetzungen machen aber ebenso deutlich, dass eine Dichotomisierung von Text und Gespräch durch den Parameter ±Kopräsenz: also (aufgrund von materialer oder mentaler Verdauerung) zerdehnte Kommunikationssituation vs. geteilte Kommunikationssituation, wie sie einflussreich von Ehlich (z.B. 1984; 2007) rekonstruiert wurde, nicht hinreichend ist. Zur Überwindung dieser simplifizierenden Dichotomie hat sich die Kategorie der Kommunikationsform (erstmals Ermert 1979, federführend Holly 1996; 2011, aktuell Domke 2010; Meiler i.V.) als produktiv erwiesen: ist sie doch in der Lage, das ausgeblendete Kontinuum medialer Qualität zwischen Kopräsenz und Depräsenz mit ihrem flexiblen gegenstandssensitiven Beschreibungsapparat auf den Begriff zu bringen. Damit erlaubt sie es, die Praktiken[7] und Prozesse medialer Situierung[8] (sowohl im technischen wie im vortechnischen Sinne) in ihrem unterschiedlichen dispositiven Zusammenwirken zu rekonstruieren. Die „Transkriptionspotenziale“ (Holly 2011, 159) also die Potenziale intra- und intermedialer Semantisierungs-handlungen einzelner Kommunikationsformen (vgl. z.B. Jäger 2008) können damit im Hinblick auf ihre die Kommunikationen strukturierende Eigenlogik (historisch) komparativ herausgearbeitet werden, um damit eine „Kommunikationsgeschichte unter dem Aspekt der Kommunikationsformen“ schreiben zu können (Holly 2011, 160).

Wie einleitend schon bemerkt, sind Weblogs (ebenso wie Zeitschriften) erst einmal als Kommunikationsformen zu begreifen, die mit ihren je eigenen Medialitäten aufwarten, die von min. zwei Akteuren als eine spezifische, soziokulturell geprägte Kontaktqualität – als Kommunikationssituation – zwischen ihnen konstituiert wird. Erst in einem zweiten Schritt ist es dann sinnvoll, unterschiedliche Gattungen in den Blick zu nehmen, für die diese Kommunikationssituationen adäquat erscheinen. Die Kommunikationsform Weblog zeichnet sich vor allem über zweierlei strukturierende Qualitäten aus: (1) Die Akteure produzieren periodisch (oft unregelmäßig) und können demgemäß nur periodisch rezipieren. Diese Zeitgebundenheit stellt eine sowohl historisch als auch aktuell weit verbreitete Praktik der Adressenkonstitution dar. (2)  Zu dieser – man kann sagen: persistenten – Praktik tritt kommunikationshistorisch rekombinant die Inter-netmedialität hinzu (vgl. Schönberger 2005),[9] die bei Weblogs die Vernetzung mit der sog. Blogosphäre, aber auch mit anderen Kommunikationsformen des Internets oft unweigerlich zur Folge hat (vgl. Meiler i.V.). Und obwohl die Möglichkeit zur Dialogizität für Blogs nicht konstitutiv zu sein scheint, werden die u.a. mit der Kommentarfunktion einhergehenden Möglichkeiten der Rückkopplung als der entscheidende Mehrwert dieser Kommunikationsform diskutiert (vgl. z.B. Domke 2007; Schmidt 2006). Selbiges gilt für Wissenschaftsblogs (vgl. Mahrt/Puschmann 2012).

Mit Blick auf das Dissertationsvorhaben sind es also – so die These – gerade die unterschiedlichen Kommunikationssituationen: Zeitschrift und Weblog, die den Unterschied in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit strittigem Wissen machen. Dabei scheinen es vor allem die folgenden Kommunikationsformenbeschreibungsaspekte zu sein, die von Relevanz sind:

  • unterschiedliche Grade zeitlicher Zerdehnung zwischen Produktion und Rezeption,
  • unterschiedliche (mediale, institutionelle) Produktions- und Rezeptionsbedingungen,
  • unterschiedliche Möglichkeiten der Rückkopplung,
  • unterschiedliche Sicherheit der Verdauerung der Kommunikate,
  • unterschiedliche Transkriptionspotenziale der verfügbaren semiologischen Ressourcen,
  • unterschiedliche institutionelle Prägungen der Kommunikationsformen,
  • unterschiedliche Grade von Öffentlichkeit.

Pilotstudie: Gattungsspektrum wissenschaftlicher Weblogs

Für die Pilotstudie wurden vier Weblogs herangezogen, die aus unterschiedlichen Disziplinen herkommend und in unterschiedlicher Weise institutionell eingebunden unterschiedliche Formen wissenschaftlichen Bloggens aufzeigen können. Sie verorten sich selber unterschiedlich stark und unterschiedlich klar in den Bereichen der internen und externen Wissenschaftskommunikation (vgl. Hagendoff et al. 2007, 4ff.). Die leitende Frage für den sondierenden Blick der Studie war: Welchen Schluss lässt das Gattungsspektrum wissenschaftlicher Blogs auf die kommunikationsgeschichtliche Verwandtschaft zu historisch älteren, z.B. auch periodischen Kommunikationsformen zu? Daran schließt sich die Frage an, welche Zwecke des institutionalisierten Wissenschaftsbetrieb Weblogs bearbeiten (vgl. Graefen 1997, 79)?

Weblog Blogger Disziplin Institution
geoberg.de
http://www.geoberg.de/
Diplom-Geologe Lutz Geißler Geo- & Montan-wissenschaft privat
SOZBLOG
http://soziologie.de/blog/
ProfessorInnen der Soziologie (zweimonatlich wechselnd) Soziologie Deutsche Gesellschaft für Soziologie
LIBREAS.Library Ideas
http://libreas.wordpress.com/
Gemeinschaftsblog Bibliotheks- & Informations-wissenschaft Weblog der gleich-namigen elektron. Zeitschrift
Archivalia
http://archiv.twoday.net/
Gemeinschaftsblog, Leitung von Dr. Klaus Graf (Universität Freiburg) Geschichts-wissenschaft privat

Wie zu erwarten war, hat allein der Blick in diese vier unterschiedlichen Weblogs ein großes Maß an Heterogenität ans Licht gebracht. Nicht nur lassen sich eine große Menge unterschiedlicher Gattungen feststellen, ebenso lässt sich auch beobachten, dass strikte Gattungsgrenzen aufgehoben sind und neue, auch blogspezifische Gattungen sich zu konstituieren scheinen. Diese Befunde können einerseits ein Reflex auf die Multifunktionalität sein, die Kommunikationsformen immer eingeschrieben ist, andererseits scheinen sie ebenso Ausdruck des Interimszustandes, der (noch?) keine verfestigten Nutzungsformen hervorgebracht hat, die sich im kommunikativen Haushalt der Wissenschaftsgemeinschaft durchgesetzt hätten (vgl. Luckmann 1988).

Das Spektrum erstreckt sich also von der internen bis zur externen Wissenschaftskommunikation und ist schon allein deswegen aber auch im Bereich der internen Wissenschaftskommunikation durch ganz unterschiedliche Punkte in den Handlungsmustern des institutionalisierten Betriebs der Wissenschaft, aber auch des individuellen Forschungsprozesses vertreten, die natürlich über unterschiedliche Kommunikationsinteressen charakterisiert sind (vgl. Ehlich/Rehbein 1972/ 21975; 1994). Es erscheint sinnvoll die Kommunikationen an diesen unterschiedlichen (Entscheidungs-)Punkten als boundary objects zu begreifen (Star/Griesemer 1989), sofern man deren Medialität und ihre historische Veränderbarkeit im Blick hat. In dieser Weise kann die Institutionsspezifik von Weblogs bzw. dem Blogging als „cooperative work in the absence of consensus“ (Star 2010, 604) im Vergleich zu Zeitschriften und anderen wissenschaftlichen Kommunikationsformen aufscheinen. Nicht nur verschieben sich die Quantität und Qualität der am boundary object (d.h. hier am Kommunikat) Anteil habenden Parteien, auch die „several obligatory points of passage“ (Star/Griesemer 1989, 390), die die „Inskriptionen“ durchlaufen müssen (Latour 2002, 68), bis sie an die (wissenschaftliche) Öffentlichkeit gelangen, werden von anderen Infrastrukturen getragen,[10] die (noch?) eine differente institutionelle Einbettung von Weblogs in den wissenschaftlichen Betrieb bedingen und sie z.B. nur in Ausnahmefällen zitierbar machen.[11]

Für den hier interessierenden Bereich der internen Wissenschaftskommunikation zeigten sich durch die Rekonstruktion der zentralen kommunikativen Funktion der Weblogeinträge also die folgenden Gattungen: Hinweise auf andere Webseiten/Weblogs, Hinweise auf Empirie, Beschreibung von Empirie, Synopsen, Forschungsberichte, Essays, Artikel, Peer-Review-Publikationen von Artikeln, Rezensionen, Ankündigung von Neuerscheinungen und Tagungen, Formen von Tagungsberichten, Bitten um Mitarbeit (an Projekten unterschiedlichster Art), (kritische) Berichte über institutionelle Entscheidungen. Die „pragmatische Nützlichkeit“ eines Teils dieser Gattungen (Hausendorf/Kesselheim 2008, 23) – das zeigt schon dieser kurze Einblick – ist wesentlich an die (veränderte) Kommunikationssituation des Weblogs angepasst: Sind sie doch abhängig von der Kommunikationsumgebung des Internets, von der einfachen hypertextuellen Einbindung von (u.U. multikodalen) Inhalten, der Aktualität und geringen Zeitverzögerung der Publikation.

Aber ein großer Teil dieser Gattungen bestimmt bis heute auch noch die wissenschaftlichen Zeitschriften, die – über die Akademien als ihre Herausgeber – im 17. und 18. Jh. wesentlich an der Konstitution der wissenschaftlichen Öffentlichkeit, wie wir sie heute kennen, beteiligt waren (vgl. Graefen 1997, 53ff.). Im Zuge der Etablierung der Zeitschrift[12] als Mittel wissenschaftlicher Kommunikation, gab es „nicht nur praktische“, die Handhabung und Bewältigung der nicht mehr zu überschauenden Publikationsmengen betreffende, „sondern auch symbolische Fragen darüber […], ob dem gewaltigen, auseinanderlaufenden Sortiment an spezialisierten Reihen alle jene Verwendungszwecke anvertraut werden könnten, die ihm jetzt auferlegt wurden, ob zur Ergänzung dieser Publikationen neue synthetisierende Gattungen (synthesizing genres) erforderlich sein könnten und sogar, ob die wissenschaftlichen Publikationspraktiken von Grund auf zu erneuern seien“ (Csiszar 2012, 22). Eine neuerliche „Zeitschriftenkrise“ zeitigt mittlerweile ihre Folgen immer umfangreicher (vgl. Hagendoff et al. 2007, 10ff.) und ähnliche Vorbehalte wie die gegen die „ephemerische Existenz“ von Zeitschriften (Campe 1788, 34) artikuliert heute u.a. Groebner (vgl. 2012, 26ff.) gegenüber dem Internet/Weblogs.

Mit dem ‚Schritt‘ dieser Gattungen von einer Kommunikationsform in eine andere, also von der Medialität des Drucks in die Internetmedialität beginnt sich das Transkriptionspotenzial vom Internet im Allgemeinen und von Weblogs im Speziellen in den Kommunikationshandlungen der wissenschaftlichen Kommunikation Geltung zu verschaffen. Wirken einerseits verfestigte Gattungsmuster fort, verspricht andererseits die digitale Verfasstheit jeglicher, am Kommunikationsprozess beteiligter Zeichen eine vereinfachte Nutzbarmachung für die jeweiligen Zwecke einer Gattung. Und es ist durchaus ein extensiver Bild- und Videogebrauch in allen obigen Weblogs zu beobachten. Spricht man im Wesentlichen mit Blick auf die Medialität des Drucks von einer konstitutiven Handlungsverkettung (im Vergleich zur Handlungssequenzierung des Gesprächs; vgl. z.B. Rehbein 2001, 929; Schegloff 2012, 248ff.), wenn Kommunikationshandlungen verdauert werden, so scheint spätesten mit Blick auf das Internet der Begriff der Verkettung nicht mehr angemessen. Wenngleich die grundlegende Linearität nicht unterlaufen werden kann, so scheint doch eine Multilinearität der Transkriptionshandlungen innerhalb eines Textes aber auch zwischen verlinkten Texten ausschlaggebender für die semiologische Konstitution eines Kommunikats und damit der Begriff der ‚Handlungsvernetzung‘ vielleicht der treffendere zu sein. Die Ausschöpfung dieser Möglichkeiten einer internettypischen semiologischen Vernetzung scheint – mit Blick auf das Korpus – gerade für das wissenschaftliche Streitgeschäft noch an einem Anfang zu stehen. Auf diesen, notwendigerweise weiter geöffneten Blick auf eristische Strukturen im Gesamtkommunikat neben dem fokussierten Blick auf grammatische Prozeduren weißt auch Ana da Silva (vgl. 2010, 133f.) hin.

Mit dem ‚Schritt‘ in die Weblogs kommt den Zwecken wissenschaftlicher Kommunikation aber aufgrund der Erweiterung der erreichbaren Öffentlichkeit über die wissenschaftliche hinaus die verstärkte Aufgabe differenzierter Adressierung zu. In den beobachteten Blogs geschieht dies hauptsächlich implizit bzw. thematisch, obwohl auch eindeutig externe Wissenschaftskommunikationen intendiert sind und betrieben werden. Durch das Zusammenkommen sowohl wissenschaftlicher wie auch populärwissenschaftlicher Einträge in den untersuchten Blogs schien sich Adressierung dort oft rezipientenseitig vollziehen zu müssen: Findet der nichtwissenschaftliche Leser im Kommunikat nicht ausreichend Anschlussfähiges vor, kann er nicht gemeint sein. Explizite Adressierungen fanden sich in keinem der Blogs. Strukturen eristischer Adressierung, wie es das obige Beispiel aus Hoffmann (2003) zeigte, werden im Bereich interner Wissenschaftskommunikation auf Weblogs wie erwartbar ungebrochen übernommen und werden z.B. mit Verlinkungen unterstützt. Aber die wechselseitige streitende Bezugnahme aufeinander in Kommentaren scheint noch interimstypisch unsicher zu sein: Spricht man zueinander (sequenziell dialogisch) oder spricht man zur wissenschaftlichen Öffentlichkeit übereinander (sequenziell monologisch)? Weitere Untersuchungen müssen hier – neben Detailanalysen – zeigen, ob sich hier schon blogspezifische Typiken herausgebildet haben, die mit diesem schmalen Blick noch nicht sichtbar wurden, oder ob hier auch andere internettypische Muster greifen. Ebenso über die Pilotstudie hinausgehen, muss die Frage nach weblogspezifischen Um- und Neuprägungen der vorfindbaren Gattungsmuster.

Vorhaben: Weblogs und Zeitschriften

Wie die Pilotstudie gezeigt hat, ist ein kommunikationsgeschichtlicher Vergleich der beiden Kommunikationsformen Zeitschrift und Weblog in ihrer Nutzung für wissenschaftliche Zwecke ein begründeter Ansatz für eine komparative Untersuchung von Wissenschaftskommunikation. Um dabei die Wissenschaftsspezifik im Fokus zu halten, wird das Dissertationsprojekt sich auf Gattungen (interner) wissenschaftlicher Kommunikation beschränken, die mit der Weitergabe, Kritik und Durchsetzung wissenschaftlichen Wissens im Diskurs der jeweiligen Disziplin beschäftigt sind. Das schließt Gattungen wie Hinweise auf andere Webseiten, Hinweise auf Empirie, Synopsen, Ankündigung von Neuerscheinungen und Tagungen, Bitten um Mitarbeit, Berichte über institutionelle Entscheidungen aus dem Korpus der interessierenden Daten aus, sofern sie nicht in den Kommentaren zum strittigen Gegenstand gemacht werden.

Die Vorstudie hat ebenso gezeigt, dass es aus kulturwissenschaftlicher Perspektive in einem solchen Projektzuschnitt mir nicht möglich ist, die Streitkultur einer Naturwissenschaft (geoberg.de) und ihren wissenschaftlichen Unterbau in dem Umfang zu rekonstruieren, dass eine adäquate kommunikationslinguistische Analyse komparativ geleistet werden kann. So werden für die Dissertation fünf Weblogs kulturwissenschaftlicher Provenienz herangezogen werden, die für interne Wissenschaftskommunikation Verwendung finden, um sie entsprechend der darin auffindbaren Daten/Blogeinträgen über eine Paralleltextanalyse mit (deutschsprachigen) wissenschaftlichen Zeitschriften der jeweiligen Disziplinen zu vergleichen. Was sich einer Paralleltextanalyse entziehen sollte wie z.B. Gattungen, die sich nicht in Zeitschriften finden, chat-artige Kommunikationsstrukturen in den Kommentaren, audiovisuelle Präsentationsformen u.Ä., kann im Rahmen des Projekts nicht kommunikationshistorisch erschlossen werden, sondern nur im Lichte der verfügbaren Forschungsliteratur untersucht werden.

Dem ist selbstverständlich eine Kommunikationsformenanalyse für Weblogs und Zeitschriften nebengelagert,[13] die die historisch gewachsenen Möglichkeitsbedingungen von Kommunikation in diesen Formaten herausarbeitet, um sie mit den konkreten Kommunikationsanalysen und den institutionellen Rahmenstrukturen in Beziehung setzen zu können. Dafür ist auch ein Blick auf andere, quasi paratextuelle Gattungen dieser wissenschaftlich geprägten Kommunikationsformen sinnvoll (vgl. Genette 42001), um deren institutionsspezifische Position bzw. Rolle zu erfassen.

Es wird sich dann u.a. zeigen lassen, wie und in wie weit Weblogs ihre Sonderstellung außerhalb oder am Rande einer (sich zunehmend ökonomisierenden) universitären Wissenschaft einnehmen und gestalten. Vor allem aber wird eine Medialitätsvarianz wissenschaftlichen Streitens, seiner Mittel und deren Strukturierung sichtbar, die bisher noch Desiderat ist, und damit wird eine Einschätzung davon möglich, welches Potenzial Weblogs und anderen, vergleichbaren Kommunikationsformen in der internen Wissenschaftskommunikation kommen kann

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[1] Groebner (2013a) beschrieb das Bloggen in seinem Münchener Vortrag als ‚einsame, aber rastlose Masturbation‘, die nur der Selbstdarstellung diene und keine leserorientierte Vermittlungsfunktion im wissenschaftlichen Diskurs übernehmen könne.

[2] Die gleiche Frage nach einer Selbstbestimmung der deutschen Digital Humanities stellte auch der Würzburger Workshop „Wissenschaftliches Bloggen in Deutschland: Geschichte, Perspektiven, praktische Umsetzung“ (vgl. Meiler 2013).

[3] Zu bedenken ist, dass Weblogs strenggenommen mit dem Open-Access-Paradigma nichts zu tun haben.

[4] Wenngleich zu bemerken ist, dass auch Weblogs über (auch sichtbare) Quantifikatoren verfügen, die als Reputations-, Qualifikations- aber auch Legitimationsinstrumente zu betrachten und zu untersuchen sind.

[5] Negativ bzw. ironisch kommt der Begriff der Eristik bei Platon, Aristoteles, Schopenhauer mit dem Tenor des „Um-jeden-Preis-recht-haben-Wollens“ zur Anwendung, was für die Übertragung auf die Wissenschaftssprache manchmal nicht unbedingt als ganz unpassend erscheint.

[6] Mit didaktischen Aspekten beschäftigt sich z.B. auch Feilke/Lehnen (2012). Mit Kontroversen im Hinblick auf ihre Vermittlung an die nicht-wissenschaftliche Öffentlichkeit ist Liebert/Weitze (2006) befasst. Eine oft an Foucault anschließende diskursorientierte Perspektive auf wissenschaftliche Kontroversen, wie sie darin zu finden ist (vgl. z.B. Keller 2006; aber auch Latour 2006b; Latour/Mauguin/Teil i.Dr.), abstrahiert von den kommunikativen Einzelhandlungen und rekonstruiert im Wesentlichen epistemische Strukturen und Verläufe einzelner Diskurse/Kontroversen. Sie ist daher für das Erkenntnisinteresse dieses Projekts weniger relevant.

[7] Gerade die konsequente Konzeptualisierung von Kommunikationsformen als Praktiken des Situationsvollzugs steht dabei noch an einem Anfang, der auch einer kritischen Überprüfung der Kategoriengeschichte bedarf (vgl. Meiler i.V.).

[8] In interaktionstheoretischer Perspektive rekonstruiert Hausendorf (2010, 169) „Situierung als Interaktionsaufgabe“, für die die aus der Medialität der Kopräsenz erwachsenden Praktiken der Situationskonstitution herausgearbeitet werden (vgl. Kesselheim/Hausendorf 2007; mit Perspektive auf verdauerte Kommunikation vgl. Meiler 2012). In erweiterter Perspektive ist Situierung immer auch Kommunikationsaufgabe und so mit einer praxeologischen Konzeptualisierung von Kommunikationsformen systematisierbar.

[9] Hier ist freilich noch zu prüfen, welche medien- bzw. kommunikationshistorischen Modelle, die weder sozial- noch technikdeterministisch argumentieren, für den Kommunikationsformenvergleich produktiv sind.

[10] Für Zeitschriften werden hier z.B. relevant: allgemeine Herausgeber, Herausgeber von Sonderheften, das Peer-Review-Verfahren und schließlich das umfangreiche Verlags-, Vertriebs- und Bibliothekswesen. Mit Blick auf Weblogs fallen dabei augenscheinlich natürlich in jedem Falle Verlage, Vertrieb und Bibliotheken weg, deren Positionen u.a. von Weblog- und/oder Serveranbieter und den individuellen Kommunikatoren ausgefüllt werden und vollkommen andere Kommunikationsbedingungen schaffen.

[11] Hier zeigt sich die konzeptuelle Verwandtschaft der OPPs mit den Latourschen (2009, 137) „Rechen-(schafts)zentren“. Die konzeptuelle Konvergenz zwischen der Kommunikationsformenkategorie und dem Konzept der Inskriptionen bzw. der immutable mobiles kann an dieser Stelle nicht dargestellt werden, wird aber u.a. in Latours (2006a, 285ff.) Ausführungen in Drawing Things Together deutlich: Ausführungen, die eine Heranziehung der ANT für die Institutionsanalyse im Kommunikationsformenzusammenhang fruchtbar erscheinen lassen (vgl. dazu auch Callon 2006), gerade weil darin die Flexibilitäten gegenüber den Verfestigungen betont werden, die gerade für eine rezent-historische Perspektive wichtig sind.

[12] Wissenschaftliche Zeitschriften können sogar als Pioniergattung bzw. -gattungsfamilie erachtet werden, die wesentlich zur „Entwicklung des Zeitschriftenwesens in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts“ beigetragen hat (Straßner 1997, 4) und im Wissenschaftsbetrieb zunehmend Monografien und Briefwechsel verdrängte (vgl. Franzen 2011, 38ff.).

[13] Diese ist für die Kommunikationsform Weblog zum großen Teil schon in Meiler (i.V.) geleistet.

Quelle: http://metablock.hypotheses.org/123

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Vier Schätze des Studierzimmers (V)

Nach einer Erläuterung des Begriffs der “Vier Schätze” (I) und Beiträgen zu Tusche (II), Tuschereibstein (III) und Pinsel (IV) folgen zum Abschluss der Serie nun Bemerkungen zu kulturgeschichtlichen Aspekten des Papiers[1]

Schon um 100 n. Chr. wurde das Schriftzeichen für Papier (zhi 紙) als “a mat of refuse fibres” definiert[2]. Diese Definition war somit schon zu jener Zeit fest etabliert, für die (etwa 105 n. Chr.) die Tradition die “Erfindung” des Papiers durch Cai Lun 蔡倫, den Direktor der kaiserlichen Werkstätten angibt. Cai Lun hatte allerdings wohl entscheidenden Anteil daran, dass ab dem frühen 2. Jahrhundert n. Chr. einige davor in diesem Zusammenhang wenig beachtete Materialien (u. a. Hanffasern und Stoffabfälle) für die Papierherstellung verwendet wurden.  Bis dahin hatte man überwiegend auf Bambusstreifen beziehungsweise Holztäfelchen sowie auf Seide geschrieben. Das nun qualitativ deutlich verbesserte Papier hatte den Vorteil preiswerter als Seide und leichter als Bambus oder Holz zu sein.[3]

Das Papier, das -  neben Kompass, Schießpulver und Buchdruck – auch zu den vier großen Erfindungen (si da faming 四大發明) der traditionellen chinesischen Kultur gezählt wird, wurde – sobald es beschrieben oder bedruckt war – mit großem Respekt behandelt. Dieser Respekt, der durch die lange kontinuierliche Schrifttradition und das damit verbundene hohe Alter der chinesischen Schrift und ihrer Vorformen begründet war, zeigte sich darin, dass man in der Regel das beschriebene Papier weder achtlos wegwarf noch zerriss. Das nicht mehr benötigte Papier wurde gesammelt und in Öfen verbrannt. [4]

Die Verwendungsmöglichkeiten reichten weit über den Bereich von Verwaltung, Kalligraphie und Buchdruck hinaus – so wurde Papier beispielsweise auch bei religiösen Zeremonien verwendet: einerseits wurden papierene Bilder im Rahmen von Zeremonien verbrannt, um die Bitten auf diesem Weg zu den Göttern zu tragen, andererseits wurden solche Bilder über einen gewissen Zeitraum auf- beziehungsweise ausgestellt, ehe man sie zu dem gleichen Zweck verbrannte. [5]

 

  1. Zur Geschichte des Papiers in China vgl. Tsien Tsuen-hsuin: Paper and Printing (= Joseph Needham (Hg.): Science and Civilisation in China. Volume 5: Chemistry and Chemical Technology, Part 1; Cambridge 1985). Zur Kulturgeschichte des Papiers allgemein vgl. Wilhelm Sandermann: Papier. Eine Kulturgeschichte (Berlin/Heidelberg/New York, 3. Aufl. 1997), zu China vgl. ebd. 63-80. Erst mit der “Ausbreitung des Papiers in Europa” (unter Berücksichtigung der Rolle des arabisch-islamischen Raumes) setzt die Darstellung von Lothar Müller: Weiße Magie. Die Epoche des Papiers (München 2012) ein.
  2. Vgl. Tsien: Paper and Printing, 35.
  3. Vgl. Klaus Flessel: “Die Erfindung des Buchdrucks in China sowie einige Anmerkungen zu seiner frühen Nutzung”, Archiv für Geschichte des Buchwesens 57 (2003) 270 sowie Tsien: Paper and Printing, 40
  4. Chinesische Darstellungen von Papiersammlern fanden schon früh Eingang in europäische Sammlungen. Vgl. etwa Renate Eikelmann (Hg.): Die Wittelsbacher und das Reich der Mitte (München 2009) 504 (Kat.-Nr. 216: “Papiersammler”).
  5. Vgl. C.V. Starr East Asian Library: Chinese Paper Gods. Vgl. auch Terry Abraham (Univ. of Idaho): Chinese Funerary Burners. A Bibliography

Quelle: http://wenhua.hypotheses.org/570

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Ö1 zur Tomate

Freut mich selbstredend, dass das Ö1-Radiokolleg sich nächste Woche (8.-11.7.2013, 9:30-9:45) der Tomate annimmt:

Radiokolleg - Der Paradiesapfel

Die Welt der Tomaten
Gestaltung: Gerlinde Tamerl und Robert Weichinger

Variantenreich als Sugo, Salattomate oder in Form von Ketchup genossen - die Paradeiser (wie man im Osten Österreichs und in Südtirol häufig dazu sagt) sind aus unserem Speiseplan nicht mehr wegzudenken. Unbeachtet bleibt jedoch, dass der Anbau dieser licht- und wärmehungrigen Gewächse zu manchen Jahreszeiten nur unter schwierigen Bedingungen möglich ist. Das ursprüngliche Herkunftsland der Tomate ist Südamerika, von dort aus eroberte sie im Laufe der Jahrhunderte alle Kontinente. Die Vielfalt dieses Gemüses aus der Familie der Nachtschattengewächse kennt keine Grenzen: Weltweit gibt es über 4000 registrierte Sorten; gelbe, grüne, gestreifte oder fast schwarze Paradeiser, aber natürlich auch rote Tomaten. Der Verein Arche Noah setzt sich besonders für die Erhaltung dieser Sortenvielfalt ein. Der industrielle Anbau hingegen konzentrierte sich weniger auf die geschmacklichen Komponenten, sondern in erster Linie auf wirtschaftliche Vorteile: Tomaten müssen günstig zu produzieren, möglichst lange lagerungs- und transportfähig sein, um maximale Gewinne zu erzielen. Europas größter Gemüsegarten liegt in der Region Almeria in Südspanien, man spricht u. a. auch von der weltgrößten Intensivkultur, dem konzentrierten Anbau von Gemüse und Obst in Plastik-Gewächshäusern. Die Ausdehnung des "mar del plástico", dem sogenannten Plastikmeer, wie es die Einheimischen nennen, entspricht der Fläche von München. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen der dort beschäftigten Landarbeiter/innen werden seit einigen Jahren angeprangert, weil alle arbeits- und sozialrechtlichen Grundregeln von den Eigentümer/innen der Plantagen missachtet werden.

In der Öffentlichkeit wird zurzeit auch heftig über die geplanten Saatgut-Regelungen in der EU debattiert. Ob wir uns an wässrige und nach nichts schmeckende Tomaten gewöhnen werden müssen, oder ob die gigantische Vielfalt dieses Gemüses erhalten bleibt, entscheiden die nächsten Wochen und Monate. Wenn sich die Lobby der großen Saatgut-Hersteller nicht durchsetzen sollte, darf Erich Stekovics im burgenländischen Frauenkirchen weiter seinen Weg wie bisher verfolgen. In seinem Paradeiser-Paradies kultiviert er die verschiedensten Sorten der saftigen Frucht und versorgt damit seit Jahren Spitzengastronomie und Spezialitätengeschäfte in ganz Europa.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/444860158/

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Website des TextGrid-Vereins geht online

Der TextGrid-Verein e.V. (in Gründung) ist jetzt über eine eigene Internet-Präsenz erreichbar. Unter www.textgrid-verein.de finden sich Informationen zu Vereinszweck, Mitgliedern und Satzung sowie Ansprechpartner.

Website des TextGrid-Vereins e.V. i. Gr.

Der Verein TextGrid e.V. dient der persistenten Sicherstellung des fachwissenschaftlich nachhaltigen Gebrauchs der Angebote der TextGrid-VFU in einer heterogenen Community wissenschaftlicher Nutzerinnen und Nutzer. Der Verein unterstützt die inhaltliche Arbeit des Projekts durch Kommunikation von Mehrwert und Nutzen von TextGrid in der Wissenschaft.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=1903

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The eastern and north-eastern European archives between digitisation, Web 2.0 and social media

Vortrag von Doreen Kelimes M.A. (Stadtarchiv Speyer), APEx-Conference, 26. – 28. Juni 2013 / Dublin

- The presentation “The eastern and north-eastern European archives between digitisation, Web 2.0 and social media” based on an article for the German blog “Archive20” and presents briefly several online-databases and digitisation projects of archives in Estonia, Latvia, Lithuania, Poland and their Web 2.0 activities

- The following topics are:

1. Digitisation projects

2. Social media

- Several cultural institutions seize the possibilities to present their collections digitally and create virtual reading rooms and online-databases

- Especially the first projects based on the digitisation of register of births, deaths and marriages and church books

1.1 Estonia

- The National Archives of Estonia create a Virtual reading room to centralize web resources and essential information aimed at archives users

- Two databases of Estonian sources for research are SAAGA and AIS

- The most important project SAAGA is a collection of digitized archival records from National Archives of Estonia and Tallinn City Archives

- In November 2004 the first prototype of SAAGA was released and made available in the local network in the reading room of Estonian Historical Center and the first public web version was released in May 2005

- The initial objective of SAAGA was to enable access to several archival materials, for example church records, soul revision lists, military records, family archives and also to German Baltic genealogical sources, which were digitized during the cooperation project of Estonian National Archives, Marburg Herder Institute and Baltic German Genealogical Society (from 2011 to 2013)

- AIS is a electronic database of the National Archives of Estonia and Tallinn City Archives, which enable users to find books in the library’s collection and allows users to search for documents preserved in the archives

- Other information systems for audio-visual archival records can be found on FIS (Filmarhiiviinfosüsteem) and FOTIS (Fotodeinfosüsteem) for searching in the archival photo collection

- The user have also an access to a register of the maps (Kaartide Infosüsteem) in the National Archives of Estonia, which contains descriptions and digital images of maps that are stored mostly in the two largest archives of Estonia – Estonian Historical Archives and the State Archives

- At the moment the archives are involved in further projects, for example:

- Two Beginnings of the Republic of Estonia

- APEX (Archives Portal Europe network of eXcellence), package 6 “Usability and Web 2.0 (portal will be completed by 2015)

- YEAH (You! Enhance Access to History), there will be implemented the principles of crowdsourcing and descriptions of the software for e-services of the archives by 2014

- SHIPWHER (Ship Wrecks in the Baltic Sea)

1.2 Latvia

- The mission of the Latvian State archives is to secure the accumulation, appraisal, description, preservation, access and use of national documents

- The main aim of the important project Raduraksti, which realised from 2007 to 2010, is to create and support on-line resources for family history research and ensure the proper preservation of originals of the microfilmed and digitalized records

- The records were also presented in a virtual reading room and the project realized the Directorate General of Latvia State Archives, the Latvia State Historical Archives and the Central Micro photocopying and Document Restoration Laboraty

- Central Register of National Archive Fond (contains information about the records of National Archival Fonds of Latvia, i.e. about the fonds of state and municipal institutions and enterprises, commissions, significant events and activities

- Database of the State Archive of Latvia

- European archival legislation online Euronoms

- The Baltic Connections – is an international effort to uncover the archives of the common post of the countries around the Baltic Sea during the period from 1450 to 1800

- The database aims at covering the most relevant repositories in Denmark, Estonia, Finland, Germany, Latvia, Lithuania, the Netherlands, Poland, Russia and Sweden and comprisesthemes such as trade, shipping, merchants, commodities, diplomacy, finances and migration.

1.3 Lithuania

- Epaveldas is a project for digitisation of Lithuanian Cultural Heritage with project duration of 30 months after signing the agreement in 2010

- Project partners are the Lithuanian Art Museum, Lithuanian Archives Department under the Government of the Republic of Lithuania and the National Library of Lithuania (MartynasMažvydas)

- Project objective include the expansion of the network for the creation of digital content by establishing new digitisation centres and units; expansion and development of the virtual system for digital cultural heritage; ensuring digitisation of cultural heritage objects and access to them

- Another great project by Lithuanian Central State Archives is called Filmarchives online – Finding Moving Images in European Collection

- Filmarchives online is the result of the MIDAS project and had been initiated as pilot project in the MEDIA Plus programme of the European Commission

-  It ran from 2006 until 2009 and was carried out by 18 institutions and archives under the lead of the DeutschesFilminsitut – DIF

- The focus is on non-fiction material, i.e. documentary and educational films, newsreels, travelogue, advertising

1.4 Poland

- The cooperation of the Polish archives in digitisation is very comprehensive and they are involved in several projects to digitalize their whole archival collections

- The online-database www.szukajwarchiwach.pl is a project by the National Digital Archive with a release in 2009 and serves as a basis for the digitized collection of several Polish States Archives such as Lublin, Poznan, Warsaw and Gniezno

- Its primary purpose is to provide online descriptions of archival material from the National Archive and other cultural institutions, gathered in the Integrated Archive Information System ZoSIA

- In 2013 especially the online-database is expanded in two steps: Firstly the website is redesigned and a digitized collection of more than 5 million images is added to the database in March and June 2013

- The aim of the site is full accessibility and openness

- Other projects such as SEZAM, IZA, PRADZIAD and ELA offer a possibility to research in several archival collections and contain information, descriptions and data of various archival materials preserved in all state archives

- The Head Office of State Archives is involved in projects such as:

- Casualties and victims of repression under the German occupation since 2006

- APENET Project – Archives Portal Europe

- Reconstruction of the Memory of Poland

- Index Programme

 

2 Web 2.0 and Social Media

- The technology and the Internet is changing the ways that archivists interact with their user and it is becoming an increasingly integrated part of our whole lives

- The term Web 2.0 now is more relevant than ever and the so-called social media point out to a new generation, a new perception of the Web

- With the use of the Web 2.0 technologies the archives also create a new form of interactive conversation with users and also with other institutions

- An important aspect of these new conversation is also be the way that they change the relationship between the archivist and the user and of course this could be a basis to becoming an interactive archivist

- Networking as an important keyword means new ways of public relations and communication, but much more possibilities (i.e. tagging, crowdsourcing, collaborative, descriptions)

- Web 2.0 means Wikis, blogs, micro blogging, social networks, social bookmarksand podcasts

- The most important and the largest social network is Facebook, where the archive address a larger and younger audience, find possibilities for contacts, promoting and community building

- Generally, all the presented archives are using the social networks, especially Facebook

- The use of the social media by the current archives is very different, but the activities are not at a standstill

- The communication in social networks is especially in the native language

- In due to that fact the communication depends on the current user

- Mainly all the archives of the presented countries are using Facebook and other applications, for example Twitter, Foursquare, Skype, Flickr, Pinterest

- Posting on Facebook by all archives means: actual information and photos about practical work “live photos”, invitations / reports, articles about events, presentation of historical photos

- All current archives didn’t ignore the fact, that for the most Internet users social media is everyday life

- The following examples of joining Facebook will show you the time when the archives started to use Web 20 applications

- In Estonia the “Virtual Reading Room” and the social media activities are an integrated whole

- The archives of Estonia have been using Facebook since 2010

- On Facebook the user not only finds the presentation of the archives, but also Estonian archival projects, for example SHIPWHER

- In the case of the Latvian Archives the use of social media is very different

- There is no clue for social networks with the exception of the Latvia State Archive of Audio-visual Documents

- In 2012 the archive joined Facebook, so the use of social media is very new.

- The Lithuanian Archives are centralized on the website of the Office of the Chief Archivist of Lithuania as a guide to each archive

- Here the user finds news-blog, online-exhibitions, projects and reports

- In Lithuania the use of social networks is very different, too

- The first archive joined Facebook in 2009.

- These archives are the Lithuanian Special Archives, the County Archives Vilnius and the National Library, which provides also the project of Epaveldas

- The main page of the Polish archives is “The Head Office of the State Archives” and here the user get all his information about the archival structure, addresses, news, reports about events, aims, publications and links to the online databases

- In Poland the archives use the possibility of social media very comprehensive.

- For example the National Digital Archive already joined Facebook in 2008 and has more than 36.000 likes.

- This archive was one of the first to use this new possibility to present its archival work with help of the Web 2.0 applications in Poland

- The Head Office of State Archives joined Facebook in 2010 and centralized all the news of the several state archives.

- At the moment the most of State Archives have their own Facebook account to communicate with their user.

- In the last two years the State Archives expand their Web 2.0 applications.

- Especially the Head Office of State Archives uses regularly other applications, like Foursquare and Twitter

Finally:

- All the presented archives are working on many projects to use the possibilities of digitisation and Web 2.0

- The social networks are used especially by the Polish and the Estonian Archives as a possibility to communicate interactively and to promote their institutions

- The Lithuanian and the Latvian Archives use social networks very hesitantly and prefer a centralized website, where the user gets all the archive-related information

- So Web 2.0 changes Internet-use and is also a challenge to the archives

- Working in Web 2.0 offers new ways of public relations and communication with the user community

 

Thank you very much!

Quelle: http://archive20.hypotheses.org/729

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Vom Verfolger zum Befürworter der Spatzen

Den Spatzen erging es ja im 18. Jahrhundert nicht so gut (vgl.); nun habe ich in der Brünner Zeitung einen mit 6. Juli 1780 datierten Bericht aus Slavonien gefunden, in dem ein anonymer Erzähler folgende Entdeckung macht:

Jüngst machte ich über die Sperlinge, die hier in Slavonien wohl eben so sehr als in Deutschland verfolget werden, eine Beobachtung, die ich bey dieser Gelegenheit mittheilen muß. Wir hatten dieses Jahr eine ungeheure Menge Raupen an den Bäumen, ob man gleich im Frühjahre die Nester auf denselben sorgfältig abgenommen hatte; allein sie marschirten nachher aus den Waldungen auf unsere Obstgärten los. Als ich nun vor einiger Zeit beym Lesen eines Buchs im Garten saß, und meine Bäume wegen der großen Verwüstung bedauerte, erblickte ich einen Sperling, wie er eben eine Raupe haschte. Ich wurde darüber aufmerksam, sah nach meiner Uhr, und bemerkte, daß er in Zeit von drey Minuten, deren 5 zu sich nahm, und mit dieser Beute davon flog. Ich wiederholte meine Beobachtung mehrere Tage, des Morgens sowohl als des Abends, und sah mit Vergnügen, wie diese Vögel meine Obstbäume von den ungeladenen schädlichen Gästen gänzlich befreyten, so daß sie von diesen Insekten fast gar keinen Schaden litten. Seit der Zeit habe ich mir vorgenommen, die Sperlinge leben zu lassen, ob ich gleich zuvor ein hitziger Verfolger derselben war.

Brünner Zeitung Der Kaiserlichen Königlichen Privilegirten Mährischen Lehenbank, Nr. 57, 16.7.1780, 455.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/434344485/

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„In unserem Musikverständnis sind wir in der Regel Einsiedlerkrebse“

Mit einer Keynote von Ian Cross begann die summer school. Am Anfang der gemeinsamen Woche stand dabei die basale Frage:  Was verstehen wir überhaupt unter Musik?  Cross‘ Antwort: Viel zu oft das, was vor noch recht kurzer Zeit, nämlich vornehmlich im 19. Jahrhundert, als solche geprägt wurde. Eine bestimmte Aufführungsform, aufgeladen mit ästhetischen und auch ökonomischen Werten und Attributen der Autonomie und Authentizität.    Dabei werde vielfach übersehen, wie vielfältige Formen von Musik diesem Muster gar nicht entsprechen.

Cross‘ Verweis auf die Unterscheidung von Turino zwischen „presentational musics “ (eine Aufführung, von geübten Spezialisten dargeboten, im Zentrum der Aufmerksamkeit stehend) und „participatory musics” (als kollektiver Akt, die Teilnehmer in eine gemeinsamen und sychronisierten Handlung  einbeziehend, mit Vorstellungen von Solidarität und Gemeinschaft verbunden) führte von diesem engen Verständnis  hinweg.

Diese partizipative Musik begegne uns nicht nur bei Fußballgesängen, in der Chorprobe oder im Kindergartenmusizieren – selbst die einfach Sprache, Mittel alltäglicher menschlicher Interkation, berge bei genauerer Betrachtung viele Merkmale, die man eigentlich als musikalisch bezeichnen kann: je nach Zusammenhang eingesetzte Tonhöhe, Dynamik, Tempo, Rhythmik.

Musik und Sprache ließen sich anhand ihrer strukturellen Merkmale oft erstaunlich schwierig trennen, argumentiert Ian Cross. Kein Wunder, dass da ein Redner immer auch ein bisschen Dirigent ist…

Musik und Sprache ließen sich daher gar nicht unbedingt an ihren bestimmten strukturellen Eigenarten unterscheiden. Vielmehr habe (partizipative) Musik Funktionen, die sich von Funktionen der Sprache abgrenzen ließen.

Als zentrales Merkmal nannte Cross hier den (durch Beispiele belegten) Befund, dass Menschen in partizipativen Formen der Musik ihre Aufmerksamkeit, Aktivität und Klänge an die anderer koppeln und so ein Prozess der ständigen und gegenseitigen Anpassung von Klängen, Rhythmik und Bewegung erfolge.

Anders als im Fall der Sprache müssten im Fall der Musik zudem nicht ständig Bedeutungszuschreibungen explizit gemacht und abgeglichen werden. Ihre unauflösbare Polysemie, Cross nennt es „floating intentionalitiy“ führe dazu, dass unterschiedliche Zuweisungen einer Bedeutung (Meaning) von Musik weit weniger konfliktreich sei als im Fall der Sprache.

Das mache Musik so geeignet als Rahmen für kommuniaktive Interaktion, die möglichst konfliktfrei verlaufen soll. Der unmittelbare Ausdruck von Bedeutung und die , viele Teilnehmer koppelnde Qualität, vermittele den Teilnehmenden den Eindruck der gegenseitigen Angleichung, obwohl das was die Musik für den Einzelnen oder die Einzelne bedeutet, sehr weit auseinader liegen kann.

Music is a communicative medium optimal for the management of situations of social uncertainty” (I.C.)

Musik  als partizipatorsiche Aktivität hänge daher zwar vielfach mit unserem affektiven System zusammen – aber in den Augen (und Ohren!) von Ian Cross ist sie aber nicht die viel als solche titulierte „Sprache der Emotionen“.

Ich denke, an dem Punkt geht es morgen, bei Eckart Altenmüller auch schon weiter….

Quelle: http://elm.hypotheses.org/190

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Nachlese: Vorträge am 26. und 27. Juni 2013 in Speyer und Rastatt

Wie zuvor angekündigt, haben die beiden Projektmitarbeiter Thomas Stockinger und Tobias Hirschmüller bei zwei Veranstaltungen aus ihren Forschungen im Rahmen des Projekts berichtet. Dabei sprach Thomas Stockinger zum Thema „Ministerien aus dem Nichts. Die Einrichtung der Provisorischen Zentralgewalt“ und Tobias Hirschmüller über „Erzherzog Johann als Reichsverweser 1848/49“.

Vortragsabend im Stadtarchiv Speyer am 26. Juni 2013

Der erste der beiden Abende, den die Hambach-Gesellschaft gemeinsam mit dem Stadtarchiv Speyer veranstaltete, fand am 26. Juni ab 18.30 in den Räumlichkeiten des Letzteren statt. Nach einer kurzen Begrüßung durch Archivdirektor Dr. Joachim Kemper sprach Projektleiter Prof. Karsten Ruppert einleitend über den historischen Stellenwert der Provisorischen Zentralgewalt als erster Regierung (im heutigen Sinne des Wortes) für Deutschland sowie über die Ziele und Tätigkeiten unseres Projekts. Auf die beiden Vorträge folgte eine offene Diskussion, in der unter anderem die Erfolgschancen der Zentralgewalt und die Absichten der Mehrheit in der Frankfurter Nationalversammlung bei ihrer Einsetzung vertieft besprochen wurden.

Ein weiterer Bericht über den Abend findet sich auf der Facebook-Seite des Stadtarchivs. Zudem hat sich Dr. Kemper dankenswerter Weise bereit gefunden, die Powerpoint-Folien zum Vortrag „Ministerien aus dem Nichts“ online zugänglich zu machen.

Der zweite Abend fand am 27. Juni, gleichfalls ab 18.30 Uhr, in den historischen Räumen des Rastätter Schlosses statt, wo die Erinnerungsstätte für die Freiheitsbewegungen in der deutschen Geschichte untergebracht ist. Wie die Leiterin der Erinnerungsstätte, Dr. Elisabeth Thalhofer, in ihren einleitenden Worten festhielt, fehlte nur ein Tag auf den 165. Jahrestag des Datums, an dem die Frankfurter Nationalversammlung das Gesetz zur Einsetzung der Provisorischen Zentralgewalt beschloss. Im Anschluss an die Vorträge kam es auch hier zu einer angeregten Diskussion, die von Dr. Clemens Rehm, Abteilungsleiter Fachprogramme und Bildungsarbeit im Landesarchiv Baden-Württemberg, in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer des Fördervereins der Erinnerungsstätte moderiert wurde. Der Förderverein hatte auch den anschließenden kleinen Umtrunk organisiert, bei dem die Gespräche fortgesetzt wurden. Bereits vor Beginn des Programms hatten die beiden Besucher aus Eichstätt es sich angelegen sein lassen, die Dauerausstellung der Erinnerungsstätte zu besichtigen, und dabei unter anderem den Kabinettstisch bewundert, an dem das Gesamtreichsministerium damals seine Sitzungen hielt.

Nochmaliger Dank den Veranstaltern und Gastgebern für die Ermöglichung dieser Vorstellung unserer Forschungen! Da der Zuspruch beträchtlich war, ist an ähnliche Präsentationen durch die weiteren Mitglieder des Projekts im kommenden Jahr gedacht.

Quelle: http://achtundvierzig.hypotheses.org/277

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